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schrittler Stellung zu Kirche und Christentum ausdrucken. Aber bitten möchte ich, das Pro gramm daraufhin einmal zu prüfen und mau wird findeu, das; in ihm nicht ein freundliches Wort für Kirche und Christentum, nicht die leiseste Anerkennung der beinahe zweitausend- jährigen Arbeit dieser zu rinden ist, noch weniger ein Bekenntnis der Fortschrittlichen volkepartei zu Christentum und Kirche enthal en ist, wie dar in dem Programm der rechts stehenden Parteien, z. B. bei den Teutsch-Sozialen der Fall ist. Dem Programm entspricht die Presse und die Beschichte des Liberalismus. Wie wird das positive Christentum ständig von der frei sinnigen presse, z. B. „Berliner Tageblatt", .Frankfurter Zeitung" usw. bekämpft. Aus der neuesten Beschichte des Liberalismus sei erwähnt, daß an verschiedenen Universitäten vollständiger Ausschluß der positiven Theologicprofefsoren von den Liberalen gefordert wird. Noch einige Beispiele: „Ter Kieler Professor Baumgarten — der Traubagitator — erklärt übereinstimmend mit Jülicher, daß das Paritätsprogramm — d. h. die Gleichberechtigung der Christusgläubigen mit den Moderngläubigen -- eine „grund- verderbliche" Situation zur Folge habe." Im „Berliner Tageblatt" stand kürzlich ein Wahl aufruf für den fortschrittlichen Landtagskandi daten Lie. Traub, darin heißt es u. a.: „Wie die Entwicklung des freien Protestantismus, so wurzelt auch die Freidenkerbewegung und die monistische recht eigentlich in der deutschen Re formation und in dem Zeitalter der Aufklärung. So bereitet sich allmählich das große Kartell zwischen den Freidenkern und Anhängern des idealistischen Monismus und der freien Pro testanten vor, das für die Regeneration des Liberalismus und für den Block der Linken und sein werdendes Kulturprogramm von größter Bedeutung sein wird usw." Hier ist es offen ausgesprochen, wo der Fortschrittsfreisinn und damit auch Traub — für den, wie erinnerlich, von Fortschrittsseite auch bei uns eisrig ein eingetreten wurde — hinauswill, auf politischem Gebiet — was uns aber hier nicht weiter in teressiert — hin zum Troßblock, zum Radikalis mus und damit zum Umsturz, auf religiösem Gebiete — darauf kommt es hier au — zum glaubenslosen Freideukertum, zu kirchcnfeind- schast und Atheismus. Ter Liberalismus macht gründliche Arbeit, er möchte am liebsten das positive Christentum von der Wurzel aus und von Kind an ausrotten. Tas zeigt sein Ver halten bei der Beratung des volksschulgeietzes. Er bestimmte nämlich, das; gläubige Eltern ver pflichtet sein sollen, ihre Kinder zu Lehrern in den Religionsunterricht zu schicken, die nicht an die einzelnen Heilstatsachen, sondern nur an den Beist des Bekenntnisses gebunden sein sollen, oder: positiven Eltern soll es untersagt sein, ihre Kinder in ihrer Religion unterweisen zu lassen. Atheisten, Monisten, überhaupt Dissi denten sollte cs freigestellt sein, ob sie ihre Kinder in den Religionsunterricht schicken wollen oder nicht. Es ist darum nachgesucht worden, eine Bestimmung des Inhalts aufzunehmcn, das; ein Kind vom Religionsunterricht der Schule befreit sein soll, wenn der Rachweis erbracht wird, daß andernorts hinreichend für den Re ligionsunterricht des Kindes gesorgt ist. Ratür- lich wurden derartige Petitionen nicht berück sichtigt. Tie ganz ungleiche Behandlung der Alt- und Moderngläubigen zeigt doch, daß es dem Liberalismus voller Ernst ist mit der Unter drückung der Altgläubigen. — Diese Beispiele, die noch sehr vermehrt werden können, ent sprechen dem Programm des Liberalismus und beide, Programm und Geschichte, zeigen doch klar, daß der Liberalismus die Beseitigung des Bekenntnisses nicht fordert, weil er ein Interesse daran hat, daß die Kirche wahrhaftig sei, wie Herr Pastor Ende meint, vielmehr, der Libe ralismus ist gegen das Bekenntnis aus Feind schaft wider das kreuz Christi. Herrn Pastor Ende scheint es, daß manche positive die Glaubensverfolgungen (Ketzer-In quisition) gern sehen würden. Weiß er nicht, daß bibl. Christentum und Verfolgung nichts miteinander zu tun haben ? „Stecke dein Schwert in die Scheide" spricht der Herr, zu dem wir uns bekennen und dem mir nachzufolgen uns bemühen. Tie Verfolgung Andersdenkender stammt nicht aus dem Christentum, sondern aus der alten Welt, die sich für weiser und fort geschrittener hielt als die Christusgläubigen, und ist Fortschrittsgeist, der nur sich gelten läßt, alles andere aber unterdrückt, soweit er kann. Solche Verfolgungen seitens der Kirche sind ein schmerzlicher Abfall vom biblischen Christentum und ein Gffenbarwerden vom Fortschrittsgeist in der Kirche. Seine größten Triumphe hat dieser Fortschrittsgeist übrigens gar nicht in der mittel alterlichen Kirche, sondern in der französischen Revolution gefeiert. Im September soll es in Frankreich 40 000 Revolutionstribunalc gegeben haben und Tausende von Henkersknechten und Plätze, da man täglich IO bis 40 und mehr Gpfer aus karren zum Schaffst führte und dort halten sah. Warum ? Eine Frau z. B. wurde hingerichtet, nur weil sie beim Beten betroffen wurde, ein Handwerksbursche, weil er beim Ge witter das Zeichen des Kreuzes gemacht hatte. Das geschah im Ramen der Freiheit. Dieser Liberalismus ist, wie die Beispiele zeigen, auch jetzt bemüht, sich im Ramen der Freiheit überall durchzusetzen und Andersdenkende zu unterdrücken, soweit er kann. Die Glaubensverfolgungen, von denen Herr Pastor Ende spricht, wollen und brauchen wir positiven nicht, mir müssen sie dem Fortschrittsgeiste überlassen, von ihm stam men sie, und er hat darin auch immer eine ge schickte Hand bewiesen, sie stammen aber nicht aus Christi Geist, den die positiven auszubreiten suchen. Wir haben einen Herrn, der seines Reiches Sache selber zum Ziele führen wird, nicht durch Gewalt sondern durch rettende Liebe. Rur aussprechen wollen wir vor aller Welt, was wir an Christus haben, daß wir durch ihn freie Menschen werden, daß der Glaube an ihn der Sieg ist, der Sünde und Welt überwindet. Weil der Liberalismus uns und unserem Volke dieses Teuerste nehmen will, müssen wir vor ihm auf der Hut sein, denn unser Volk würde sein Bestes verlieren, wenn es dem Liberalismus gelänge, ihm den Glauben an den lebendigen Christus zu nehmen. Rur an Christi Wesen, kann unser Volk genesen. —k was haben wir an unsrer Landeskirche, und was erwarten wir non ihr? (Vortrag, gehalten aus der Tiözesanversammlung der Ephorie Glauchau am 26. Februar (91I von Pfarrer Anersmald-Thurm). Gestatten Sie mir, daß ich von dem eben Gesagten die Worte, die „von dem Giuflntz «uferer Kirche als Landeskirche a«f da* ganze Volk" handeln, noch einmal nach drücklichst unterstreiche Tiefe Worte enthalten den hauptsächlichsten Segen der Volkskirche für die Allgemeinheit. Es mag zugegeben werden, daß in einer „Freiwilligkeitskirche" die reine Lehre nicht so leicht in die Gefahr einer Trübung geraten kann, und daß eine solche Kirche die Gesamtheit ihrer Glieder besser zu einer Hochachtung der Sakramente erziehen kann, aber sie wird nun und nimmermehr einen Einfluß aus das Volk als Ganze» gewinnen können. Gewiß, unsere Landeskirche hat viel tote Glieder, viel gleichgültige, - ja sogar ihr feind lich gesinnte Glieder. Sie stößt sie nicht aus, wie es eine Freiwilligkeitskirche tun würde, sie entzieht ihnen nur bei gröblicher Verletzung kirchlicher Pflichten die Ehrenrechte, aber gerade weil sie die toten und kranken Glieder nicht ab- ftößt, gerade dadurch kann sie an allen volks kreisen arbeiten und an alle bei besonderen Ge legenheiten auch die Kräfte des Evangeliums heranbringen, — kurz das Evangelium auf das ganze Volk erzieherisch einwirken lassen. Und man muß zugeben, damit handelt sie mehr im Geiste Christ, als die Freiwilligkeitskirche. Jesus ging in die Volksmassen. von ihm haben wir das Gleichnis von dem Unkraut mitten unter dem Weizen, die erst nach der Ernte von einan- i Fortsetzung.) der getrennt werden sollen. Und nicht zu ein zelnen Menschen, sondern zu alle« ULiKern schickte Jesus seine Apostel. Und sehen wir uns nun nach dem geschicht lichen Rückblick in die Vergangenheit — in der Gegenwart um, welchen durch die Landeskirche vermittelten Erscheinungen eines regen kirchlichen Lebens begegnen wir da! Wie werden große Parochien geteilt, neue Kirchen und Pfarrhäuser erbaut, wie wächst die Gpferwilligkeit der Ge meinden für ihr kirchliches Wesen! Welche Liebestätigkeit, die vom Vorhandensein wahrhaft lebendiger Glieder in der Mitte der Gemeinde Zeugnis ablegt, entfaltet sich vor unseren Au gen! Aeußere und innere Mission suchen das Evangelium von Christo und die HeUskraft der Sakramente denen, die sie «och nicht kennen, und denen, die sie nicht mehr kennen, nahe zu bringen, der Gustav Adolf-Verein und der evangelisch-lutherische Gotteskasten will die Glau bensgenossen in ihren jkämpsen nicht allein lassen, und der Evangelische Bund setzt den Kampf gegen die römische Propaganda in evan gelischer Treue fort. Aber bei diesen Aeußerungcn regen kirch liche« Sinnes wollen wir doch auch den Ein fluß unserer Kirche auf das staatliche Leben nicht unterschätzen. Mögen auch viele Glieder unserer Landes- ! kirche kalt oder nur lau sein, allgemein christ liches Fühlen und Empfinden ist ihnen doch nicht unbekannt geblieben. Ter Religionsnnter- richt, der bisher und hoffentlich auch weiterhin auf Grund unserer kirchlichen Bekenntnisse erteilt wurde, teilte dieses ihnen mit. Welchen Wert das aber für ein Volk hat, schildert Hauck trefflich mit folgenden Worten: „kein Staat kann bestehen, wenn die Mehr zahl seiner Bürger der Anschauung huldigt, daß geschworene Lide Zwirnsfäden sind, über die niemand stolpert, kein Staat kann bestehen, wenn die Ueberzeugung zur Herrschaft kommt, daß es das Grundrecht jedes einzelnen ist, sich auszuleben ohne Rücksicht auf die Gesamtheit. Dagegen ruhen die Fundamente des Staates sicher und fest, wenn die christliche Aeberzeugung herrscht, daß es die Trundpflicht jedes einzelnen sei, der Gesamtheit zu dienen." Sehen wir hierin den Segen der Landes kirche oder Volkskirche für den Staat, so wollen wir nun auch nicht blind sein gegen den großen Segen, den die Verbindung mit dem Staate an dererseits auch der Kirche gewährt Hauck nennt als kleinsten Gewinn den Umstand, daß der Staat die pekuniäre Sorge für ihren äußeren Bestand der Kirche ganz oder zum Teil abnimmt. Und wahrlich so dankbar wir für die finanzielle Unterstützung unserer Landeskirche durch den Staat sind, er leistet noch bedeutend mehr für uns durch den staatlichen Schutz, den er kirch lichen Einrichtungen, z. L. dem öffentlichen Gottesdienst und der christlichen Sonntagsfeicr gewährt. Aber mehr noch! Der Staat erleichtert durch seine eigene Fürsorge oder durch die tätige