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Verhandlungen beginnen sollten. Zu dieseni Zwecke sei Frankenvurgs Besuch unerläßlich, und er, Mückert, sowie dessen Fran, bäten ganz besonders, daß sich auch »die Frau Gräfin" anschließe. Infolge dieser dringenden Einladung hielt es also Frankenbnrg für augez-igt, irob der unerfreulichen Er fahrungen »dis Frau Gräfin" noch einmal aufmarschieren zu lassen. Ec teilte ihr den Inhalt des Briefes mit und fragte sie, ob sie ihn begleiten wollte. Was sollte sie schließlich anderes tun? Gamliß war ihr verleidet, und hier allein zurückbleiben, behagte ibr um so weniger, als seit einiger Zeit einer der jungen Kavaliere, Lie den Jagden und DinerS des Herrn von Stubing treu geblieben, ihr sehr angelegentlich den Hof machte. Diese Hausfreunde waren ihr unausstehlich, aber seit der Wiener Affäre wagte sie es nicht, dem Gatten noch einmal mit der Zumutung zu kommen, auch hier Ordnung zu schaffen. Um nun der Aussicht, dem beharrlichen Herrn die Tür- weisen zu müssen, zu entgehen, sagte sie ja, und so war denn die Sache schneller abgemacht, als Frankenburg er wartet hatte. In Berlin wurde die Reise auf einige Tage unter brochen, weil dort mehrere Mitglieder des Syndikats lebten. Es gab Gastmähler und andere Festlichkeiten in Hülle und Fülle, und Frankenburg hatte die Befriedigung, hier in angesehenen Kreisen ganz anders ausgenommen zu werden, als in seinem Vaterlands. Allerdings wurde die „Gräfin" ganz besonders hervorgehoben, und ihr zu Ehren lud man alle Freiherrn und Grafen ein, deren man hab hast werden konnte, aber auch Frankenburg fand die ihm gebührende Würdigung und er hatte nicht die Herabsetzung zu gewärtigen, daß man ihn nur mit in den Kauf nahm. (Fortsetzung folgt.) siedel. Übersetzt von Frau H. Bohrmann. (Nachdruck verboten.) Der Krankenwagen mit seiner kleinen bewußtlosen Bürde verschwand langsam hinter den Nebelschleiern, während das große rote Auto die so jäh unterbrochene Fahrt auf ein Zeichen des Polizisten sortsetzte,. der in dem Eigentümer des Kraftwagens den berühmten Parlaments redner erkannt halte. Das herumstehende Publikum starrte wie gebannt auf die bezaubernde jnnge Frau, die so be sorgt sich nach den Verletzungen des kleinen Kindes er kundigt hatte nnd in deren dunklen Locken die Diamanten funkelten: ein kostbarer Pelzmantel lag über den zarten Schultern und verbarg die Dinertoilette, deren seidene knisternde Schleppe wie eine schaumgekrönte Woge zu Füßen der zwei Insassen lag. Stach einigen Minuten, während deren in dem jetzt viel langsamer fahrenden Auto eine drückende Stille herrschte, sagte endlich die junge Frau: „Bei so dichtem Nebel — Kinder sind mitunter gar zu unvorsichtig, jedenfalls trifft Josef nicht die geringste Schuld." Ihr Mann antwortete nicht, seine Empörung raubte ihm die Sprache; während jeder Nerv an ihm noch bebte, konnte sie so ruhig sprechen, als wäre nicht das geringste vorgesallen. Während des Diners hörte er zerstreut auf die Reden seiner Tischdame — immer wieder glitt fein Blick über das Gesicht seiner Frau, das er über einem Blumenkörbe mit roten Rosen schweben sah. Sie erzählte ihrem Stach- bar die Ursache ihrer Verspätung — ob wohl Josef aber mals von aller Schuld freigesprochen ward? Umsonst suchte er nach einer Spur von Erregung in dem schönen Gesicht, nicht der leiseste Zug hatte sich darin m rändert. Er war so stolz darauf, daß seine Frau ein so tadel loses Produkt modernster Zivilisation sei; kühl und ver bindlich, aber anscheinend ohne jegliches tiefere Gefühl schien sie wie geschaffen für die Stellung, die er ihr geben konnte. Nach der in seinen Kreisen herrschenden Ansicht batte sie eine geradezu bewunderungswürdige Gleichgültig keit bei dem unliebsamen Zwischenfall zur Schau getragen. Aber es war doch ein Kind verletzt worden, ein kleines Geschöpfchen mit goldenen Locken, das die Maschine zu Boden gerissen konnte eine Frau ungerührt bleiben bei solchem Anblick? Ganz leise ffngen bitter? Zweifel an in ihm aufzu steigen. Das kurze Jahr ihres Ehelehens hatte ihnen beispiellose gesellfchastttche Erfolge gebracht, aber ihr häusliches Leben mar nicht, wie er es erwartet — da gab es keine traulichen Plauderstündchen am Kamin, wie er ! sie so ost, so gerne nnt seiner Mutter gehalten und nach i denen er sich so sehnte. Er sah nur zu klar, ihre Wege gingen immer weiter auseinander, ihre beiderseitigen ! Interessen waren nicht mehr dieselben. ! Zweifellos hatte der durch den Nebel verursachte ! Unfall seine Nerven irritiert, — möglich auch, daß er in ! letzter Zeit zu angestrengt gearbeitet, jedenfalls hatte er j gerade heute abend das Gefühl, als drücke ihn eine Last ! zu Boden. - i Er mußte sich Zwang antun, um nicht durch unge- ; bührliche Hast au'zufallen, als er sich von den Gastgebern ! verabschiedete; seine Frau war mit mehreren anderen i Damen schon vor ihm zu einer Soiree gefahren, bei der ! sein Erscheinen nickst absolut notwendig war, und mit i einem Seufzer der Erleichterung schritt er durch die stillen Straßen seinem Heim zu. In seinem Arbeitszimmer brannte, wie immer, Licht, ! aber arbeiten konnte er nicht, er zündete sich eine Zigarre ! an und warf sich in seinen beauemen Sessel. Seltsam , unruhig, unzufrieden fast fühlte er sich — immer wieder flogen seine Gedanken einige Stunden zurück und be- i schäftigten sich mit dem verunglückten Kinde, ob es wohl schwer verletzt worden? Er wollte doch im Hospital an fragen - seiner Fran fiele das gewiß niemals ein. Sein ganzes warmes Empfinden lehnte sich gegen die - Herzenskälte seiner Fran auf — es war ihm unfaßlich, wie er es noch weiter an der (Leite eines wichen eisigen Charakters aushalten könne; jetzt, wo sein Herz ge bieterisch nach einem liebevollen und liebenden Weibe ver langte. Und wenn er nun zn ihr ginge und sagte: „Ich kann dieses leere Dasein nicht weiterführen, ich will Ruhe und ein bißchen warmes Glück haben, ich will deine Liebe - —" was wäre wohl dann? Sie würde vielleicht leise lächeln, ihre braunen Augen sähen ihn erstaunt an, > während sie sagte: „Sei nickst kindisch" — — ja! gewiß fände sie ibn höchst unbeauem, stellte er solche Ansprüche j an sie. Er sprang auf; es litt ihn nicht länger im Hause; ! scharf klingelte er dem Diener, daß dieser ihm eine ! Droschke besorge und fuhr dann nach dem Hospital. Der - schläfrige Portier konnte oder wollte zuerst keine Auskunft geben, besann sich jedoch, nachdem er einen prüfenden Blick aus den späten Besucher geworfen, eines Besseren und rief eine Schwester herbei. Diese erkannte ebenfalls den berühmten Parlamentsredner und bemühte sich, ihm die gewünschte Auskunft zu geben. Der kleine Junge batte keine lebensgefährliche Verletzung erlitten — vielleicht würde der gnädige Herr sich selbst davon überzeugen — es sei allerdings gegen die Vorschriften, aber es ließe sich doch wohl entrichten. Der Lift trug sie beide auswärts und oben nahm ihn eine zweite Pflegerin in Empfang. Stumm folgte er dieser in einen großen Saal, an einer Reihe kleiner Betten vorbei bis zu einem, das teilweise durch einen Wandschirm verborgen war. Die Schwester bedeutete dem Besucher, er möge hinter den Schirm treten. — An dein Bettchen saß geduldig, mit gesenktem Haupie, eine Frauengestalt und sah auf das blasse Kind, dessen verbundenes Köpfchen auf ihrem nackten Arme lag, von dem der schwere Mantel geglitten. Wortlos starrte der Mann auf das rührende Bild, dann ging ein Zittern durch seine große, kräftige Gestalt. In demselben Augenblick sah seine Frau ihn lächelnd an — ihm war, als sähe er tief in ihre Seele, die so warm und sonnig aus ihren Augen leuchtete. „Er schlief ein, während ich mit ihm sprach", flüsterte sie, „es ließ mir keine Ruhe, ! ich mußte nach dem Kleinen sehen — du bist doch nicht böse?" Er konnte nur stumm den Kopf schütteln. In ihm jubelte und sang es vor grenzenlosem Glück — er hatte die Seele, die er suchte, gefunden.