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Der Vorvertrag, den er abgeschlossen, war für ihn bindend. Nur wenn die andern den Termin nicht ein hielten, trat er wieder unumschränkt in seine alten Rechte, freilich, das Schloß blieb ihm unter allen Umständen, dieser Feenbesitz, den er aus einem Trümmerhaufen heroor- gezaubert hatte. Aber was hatte er davon, wenn alles andere Fremden gehörte, wenn er dort, wo er jetzt als oberster Chef kommandierte, kein Wort mehr zu sagen hatte! Die Existenz in dem Prachtbau war ja nur da durch erträglich gewesen, daß er die Hälfte des Tages unter seinen Arbeitern verbrachte. Sollte er von nun an von früh bis abends dort oben sitzen, so mußte er ja ver zweifeln. Ja, wenn sich sein Eheleben anders gestaltet hätte, dann freilich! Aber so war ja seine Häuslichkeit den zehnten Teil dessen nicht wert, was er dafür ausgab. Der Hochmutsteufel hatte ihn da hineingepeitscht, eine Lebens gefährtin aus solchen Kreisen zu holen, in die er nicht ge hörte. Und das blendende Gold hatte sie bestimmt, einem die Hand zu reichen, den sie nicht liebte, während ihr Herz bei einem anderen blieb. Doch das war seine Schuld; das sah er vollkommen ein. Er hatte sehr gut gewußt, wie es dort stand, aber weil sie ihm gewissermaßen bequem bei der Hand lag, weil die Verhältnisse in Gamlitz derart waren, daß ein Antrag des Emporkömmlings in Erwägung gezogen werden mußte, hatte er sich entschlossen, dein Schlucker, der auf Herthas Besitz Anspruch erhob, die Beute abzujagen. Den Lohn hatte er dafür: er besaß eine Gräfin — nicht zur Frau, sondern als Hausrepräsentantin, die ihren Pflichten nachkam, aber auch nicht mehr leistete, als sie ihrer Be stimmung gemäß zu leisten hatte. Jene kleine Szene von damals, wie er sich seiner Leute wegen ohne Bedenken in Gefahr begeben, hatte er nie ernst genommen; er war viel leicht an seinem Glück vorbeigegangen, er hatte eine herz lich gemeinte Annäherung zurückgewiesen, weil er von der bestimmten Voraussetzung ausging, daß seine Frau für ihn keine Herzlichkeit empfinden konnte. Jetzt, seit ihrer Rückkehr von Wien lebten sie wie zwei Menschen nebeneinander, die sich nichts mehr zu sagen hatten. Er trug noch immer den Groll im Herzen, daß sie das störende Element war, welches seine Erholungen jäh unterbrach und in peinlichen Situationen Partei gegen ilm nahm. In Nizza war das so gewesen, indem sie nur die Fehler gesehen, die er begangen, ohne zu seinen Gunsten ein Wort zu finden, — und in Wien auch, wo sie ganz überflüssigerweise das dumme Gespräch belauscht hatte. Wenn er also die Bilanz zog, so kam er zum End ergebnis, daß ihm seine Heirat eigentlich nur Schaden ge bracht hatte, da man ihm die Keckheit, ein Mädchen aus altangesehener Familie heimgeführt zu haben, doppelt streng anrechnete. Wäre er bei seinesgleichen geblieben, so könnte er sich jetzt vielleicht eines angenehmen Familienlebens er freuen, und er hätte eine Gefährtin an der Sene, die ihn verstand und die ihn in trüben Stunden aufzurichten wußte. Daran war nun nichts mehr zu ändern, er mußte die Dinge nehmen, wie sie kamen, und die Folgen seines unbedachten Schrittes tragen. Aber Stubing war ihm verleidet, wenn er auch die Empfindung hatte, daß ihm die Trennung von dem Orte sehr schwer fallen würde. Wohin er sich dann wenden sollte, wußte er nicht recht. Er kannte keinen Ort, der ihm sympathisch gewesen wäre, da er bisher keine Menschen gefunden hatte, denen er sein Vertrauen und seine Sympathie schenken durste. Alle, die er bisher kennen ge lernt, waren gegen ihn falsch und undankbar gewesen; nur seinem Gelbe war es gelungen, Freunde zu erwerben, seiner Person nicht. Und auch dieser Gedanke verstimmte ihn und begann, ihn nach und nach gegen alle Welt miß trauisch zu machen. Wenn für ihn Freundschaft und Liebe nur gegen klingende Münze zu kaufen war, dann war es besser, er verzichtete darauf und mied soviel als möglich jeden Verkehr. Wenn er sich aber dazu entschloß, wozu diente ihm dann das viele Geld? Wie sollte er es ge nießen, wenn nicht andere ihm dabei behilflich waren! Diese Grübeleien brachten ihn nach und nach zur Er kenntnis, daß er trotz seiner Millionen ein recht armer Teufel war. svnliche Beleidigungen, die man ihm zufügte, selbst ein treten zu wollen und ihrer Hilfe nicht zu bedürfen; er er hob auch gegen sie den Vorwurf, daß sie immer in seiner Erholungszeit als störendes, nörgelndes Element da- »wischentrete, und daß er nun doch endlich diese Dumm heiten satt habe. Als Junggeselle sei er immer mit aller Welt gut ausgekommen, seit seiner Verheiratung gäbe es jedoch immer allerhand Streitigkeiten, und die häusliche Ruhe, nach der er sich dann sehne, bestünde für ihn darin, daß er fortwährend ein mürrisches, verdrießliches Gesicht sehen müsse. „Hättest du mich zu Hause gelassen!" gab sie gereizt zurück. „Hättest du mich nicht genommen, wenn ich dir zu schlecht war!" erwiderte er mit erhobener Stimme. .Warum hast du nicht den anderen geheiratet? Glaubst du, ich weiß nicht, daß du verbandelt warst? Vielleicht wärst du mit dem Herrn von Habenichts besser daran ge wesen." „Oh, das gewiß!" rief sie, in Tränen ausbrechend. „Tausendmal lieber Geldmangel, — als Herzensmangel!" „Na ja, das hättest du früher bedenken sollen. Da mals war dir doch, wie es scheint, das Geld lieber." Er verließ das Zimmer und schlug die Tür heftig hinter sich zu. Diesmal behielt er insofern recht, als er erst zur ur sprünglich festgesetzten Zeit Wien verließ. Allerdings hatte er von seinem Siege keinen Genuß, denn Hertha meldete sich krank und blieb in ihrem Zimmer. Dadurch wurde auch der Empfang in seinem Hause unmöglich, und es gab nur kleine Herrendiners, bei denen übrigens mancher der früheren „Freunde" fehlte. Herr Mückert, der Hamburger Abgesandte, kam nach achttägigem Aufenthalt in Stubing nach Wien zurück. Er hatte alles nach Wunsch gefunden und schloß sofort den Vertrag ab. Zur Bekräftigung, daß die Sache so gut wie abgemacht sei, erlegte er eine hohe Summe als Reugeld und versicherte Frankenburg, daß er auf baldige bestimmte Nachricht rechnen könne. „Dann müssen Sie mit Ihrer Frau Gemahlin auf einige Zeit nach Hamburg kommen. Es wird Ihnen dort ausnehmend gut gefallen." Frankenburg lachte. „Ja, kommen werde ich jeden falls müssen, — aber voraussichtlich als Strohwitwer." „Nein, nein, das dürfen Sie nicht! Wir rechnen auf Sie beide. Ich werde meiner Frau so viel erzählen, daß sie ganz gewiß der Gräfin schreiben und sie bitten wird, Sie zu begleiten." „Jetzt, wo es so gut wie bestimmt war, Laß die In dustrien von Stubing in andere Hände übergehen sollten, machte Frankenburg eine Wandlung durch: er wurde still und gedrückt. Ost und oft, wenn er von den Werken arbeitsmüde nach Hause gekommen war, hatte er sich die Frage gestellt: „Wozu plagst du dich denn immer? Ver kauf' doch den Kram und setz' dich zur Ruh', um endlich deinen Reichtum zu genießen." Und nun, da dieser Ver kauf vor der Tür stand, stimmte ihn das traurig, zuweilen sogar ganz melancholisch. Er hatte Tage, wo ihm längst vergangene, und wie er geglaubt, längst vergessene Episoden in die Erinnerung kamen; Bilder aus seiner Jugendzeit, da der Vater nichts anderes besessen, als eine elende strohgedeckte Hütte und ein Stück Heideland, auf dem kaum zwei Ziegen die not wendige Nahrung fanden. Er sah das Tal vor sich, wie es damals gewesen, — daS Einöd-Wirthaus, in dem der Vater Knechtsdienste verrichtete, und die paar armseligen Häuschen, die nicht einmal eine Gemeinde bildeten. Er sah sich selbst, wie er die Ziegen hütete und mit mehreren Nachbarbuben bloßfüßig herumtollte. Und diese Bilder, vor denen er sonst die Augen geschlossen,- schienen ihm jetzt plötzlich schön und rührend. Das Vaterhaus hatte er damals, als er ein „Herr" geworden,- absichtlich in die Arbeiterzeile eingereiht, damit so seine einstige Bestimmung vergessen wurde. Dort wohnte der-, selbe Mann, der einmal seines Vaters Brotherr gewesen,- und der es auf keine höhere Stufe während eines ganzen Menschenalters gebracht hatte. Und doch wußte jetzt Frankenburg ost nicht, ob der Mann eigentlich zu bedauern sei. Ihm war es jedenfalls bestimmt, auf der Scholle, wo er geboren worden, zu sterben, während für den Millionär bald der Lag kam, an welchem er sich sagen mußte: .Ich befi-e kein« Heimat mehr! MM- 8. Kapitel. b: Der Brief des Herrn Mückert ließ nicht lange auf sich warten. Der Hamburger Geschäftsfreund schrieb ihm, daß das Syndikat nun beisamen sei, und daß die endgültigen