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Am llklvk Ml». Aoman von H. Courths-Mahler. 40, vb,chdiuck verboten.) „Du irrst Dich, Marianne", sagte er ruhig und bestimmt. „Bah — nur ein Mann, der in eine andere verliebt ist, kann sich so ablehnend verhalten, als Du." „Hast Du schon so viel Erfahrung?" fragte er ablenkend mit ironischem Ausdruck. Sie zuckle die Achseln. „Denkst Du vielleicht, Du bist der erste, in den ich mich verliebt habe? O nein, ich sehe nicht ein, warum wir Frauen in jahrelanger Sehnsucht nur immer aus den Einzigen hoffen sollen. Ihr Männer habt doch auch unzählige Neigungen, ehe Ihr heiratet. Nun — ich bean spruche dasselbe Recht für mich. Natürlich sind uns Frauen ohnedies allerlei Grenzen gesteckt. Innerhalb dieser Grenzen will ich mein Leben genießen und mir meine Freiheit wahren." Er sah sie kopfschüttelnd an. „Du bist ein seltsames Mädchen, Marianne." Sie lachte spöttisch. „Ach ja, das kommt Euch Männern seltsam vor, wenn wir Frauen jetzt auch ansangen, uns auf unsere Rechte zu besinnen. Bisher habt Ihr uns in Eurer Selbstherrlichkeit allerlei hemmende Gesetze geschrieben und habt alle Rechte für Euch allein in Anspruch genommen. Aber es wird anders werden, verlaß Dich drauf. Die Frauen sind klüger geworden und eines Tages werden sie auch stark genug sein, die Sklaven ketten zu brechen, in die Ihr sie gelegt habt. Und dann werden sie selbst Gesetze machen, die gleiches Recht und gleiche Pflichten für Mann und Weib gewähren." Er lächelte zu ihrem Eifer. „Da entdecke ich plötzlich Anlagen in Dir zur Philosophie und Frauenrechtlerin. Das überrascht mich sehr. Ich habe nie sür möglich gehalten, daß Du Dich nur solchen Problemen beschäftigst." Sie lachte. . „Ach — das iß auch nur so vorübergehend. Aber sieh — wer kommt uns denn da entgegen geritten — ist das nicht — ia — wahrhaftig — es ist der kleine Bergen." Auch Norbert hatte den einsamen Reiter nun erblickt, der eben aus einem Kreuzweg in den ihren eingebogen war. „Ja, es ist Fred Bergen. Marianne — das ist ein Wink des Schicksals", sagte er ernst nnd eindringlich. Sie sah starr gerade aus und wurde ein wenig rot. Dann lachte sie wieder. Aber sie antwortete nicht. Inzwischen hatte Leutnant Bergen die bei den auch erkannt. Im schlanken Trabe kam er näher und grüßte schon von weitem mit strah lendem Gesicht. Seine schlanke, kräftige Gestalt saß Vorzug lich zu Pferde. Dunkle, lustige Augen lachten aus seinem gebräunten, frischen Soldatengesicht. Er war ein hübscher, flotter Offizier, den die bunte Uniform vorzüglich kleidete. Als er herangekommen war, begrüßte er Norbert und Marianne, und seine offen und ehr lich blickenden Augen hingen mit warmem Aus druck an Mariannes Gesicht,das sich mit leichter Röte überzogen hatte. „Ich bin auf deni Wege nach Saßneck, ver ehrte Herrschaften, ein dienstfreier Tag liegt vor mir. Und ich hoffe auf einen Löffel Suppe", sagte er munter. „Dann wollen wir Dich ins Schlepptau neh men, Fred", sagte Norbert, ihm die Hand schüt telnd. „Ich habe nur eine Viertelstunde aus dem Vorwerk zu tun, dann kehren wir zusammen zu rück. Oder — wie ist es, Marianne, willst Du schon langsam mit Herrn von Beegen urnke-h- ren? Du l)attest ja ohnedies keine Lust, mit aufs Vorwerk zu kommen. Ich beeile mich und komme Euch dann schnell nach. Ihr könnt ja die Pferde im Schritt gehen lassen." Fred Bergen sah Marianne erwartungsvoll an, und als sie sich, wieder ein wenig errötend, mit dem Vorschlag einverstanden erklärte, strahl ten seine Augen auf. Als sich Norbert verabschie dete, drückte er ihm die Hand, daß Norbert eine kleine Grimasse nicht unterdrücken konnte. Nor bert ritt schnell davon und atmete auf, daß er dieses ereignisvolle Alleinsein mit Marianne hinter sich hatte. „Wenn Bergen jetzt seinen Vorteil wahr nimmt, kann er Glück haben. Marianne ist jetzt in einer Stimmung, die sicher für ihn sehr gün stig ist", dachte er. Bergen nahm aber vorläufig seinen Vorteil gar nicht wahr. Das plötzliche Alleinsein mit seiner Angebeteten, mitten im Walde, das er sich in seinen kühnsten Träumen nicht zu erhoffen gewagt, hatte den sonst so lebhaften, schneidi gen Leutnant fast sprachlos gemacht. Auch Marianne war gegen ihre Gewohnheit still und wortkarg. Und so ritten sie, schließlich in völliges Stillschweigen verfallend, Seite an Seite im Schritt nebeneinander her. Aber dies Schweigen schien seltsamerweise beredter als tau send Worte. Und als endlich einmal beider Blicke ineinander trafen, da hielt Bergen plötz lich sein Pferd an und griff dem der Baronesse entschlossen in die Zügel. „Baroneß Marianne", sagte Bergen so weich und warm, wie sie seine sonst so übermütig lustige Stimme noch nie gehört hatte. Sie sah ihn an und in ihren Blicken mußte! er wohl etwas lesen, was ihn ermutigte, fort- zusahreu. „Baroneß Marianne — ich komme mir vor wie ein Kind, dem zu Weihnacht ein sehnlicher Wunsch in Erfüllung gegangen ist. Dies Allein sein mit Ihnen — es kam mir wie ein Ge scheut des Himmels — und zuerst vermochte ich es gar nicht zu fassen, daß mir das Schicksal einmal so eine günstige Stunde bescheren würde. Ich bin närnlich bisher ein rechter Pechvogel gewesen in meinem Leben — aber ich habe mir immer gedacht — einmal kommt das Glück auch zu Dir." Er holte tief Atem, da sie ihu nicht unter brach, und faßte ihre Hände. Dann fuhr er mit bewegter Stimme fort: „Uud da steht nun das Glück plötzüch dicht vor mir auf meinem Weg, als ob ich armer Narr nur danach zu fassen brauchte. Es sieht mich an, als wollte es sagen: „Greis nur zu!" So eiu schönes reizendes Geschöpf ist mir da erschienen, und ich habe mein ganzes Herz daran gehängt. Baroneß — ob denn der Pechvogel, seine Hand ausstrecken darf?" Sie hob den Blick zu ihm. Er schimmerte weich, wie noch nie jemand Marianne Hoch bergs Blick gesehen hatte. Und dann sagte sie lächelnd: „Greif nur zu!" Er jauchzte aus und schlang den Arni um sie, daß die beiden Pferde erschreckt zusammen zuckten uud die Köpfe zurückwarfen. Aber Fred Bergen hielt sein Glück fest im Arm und er küßte Mariannes Lippen — rind sie küßte ent schieden wieder. Und sonderbarerweise fühlte sie sich ganz glücklich dabei. „Ich wollte doch unbedingt als Braut nach Saßneck zurückkehren — nun hab ich meinen Willen durchgesetzt", dachte sie. Aber das sprach sie nicht aus. Zum ersten mal in ihrem Leben dachte sie daran, einen anderen Menschen als sich selbst glücklich zu machen. Und dieses Gefühl zog entschieden warm uud wohlig durch ihr Herz und bannte vor läufig alle Launen und allen Egoismus. Bergen war vor Glück ganz außer sich. Als Norbert eine Viertelstunde später um eine Baum gruppe bog, nachdem er seine Geschäfte auf dem Vorwerk erledigt hatte, sah er Bergens Pferd noch immer dicht neben dem Mariannes halten. Und er sah ganz deutlich, daß sich die beiden herzhaft küßten. Er wollte sein Pferd zurück halten, aber es warf ungeduldig den Kops zu rück und schnaufte. Da fuhr das neue Braut paar auseinander und fah Norbert Saßneck wie ein Reiterstandbild mitten auf dem Weg halten. Bergen richtete sich straff empor und lachte Norbert au, wie nur eür Glücklicher lachen kann. „Lieber Norbert, ich mache Dir hiermit die Meldung, daß ich mich soeben mit Baroneß Marianne verlobt habe." Norberts Glückwunsch kam von Herzen. Bergen war der Mann, auch mit den Launen einer Marianne fertig zu werden, zumal er die dazu unbedingt nötige Geduld der Liebe mit bringen würde. Im übrigen gönnte er Bergen die glänzende Partie, die Marianne doch sicher war. Und vor allen Dingen war er froh, nun ein für allemal mit Marianne fertig zu sein. Marianne fand sich mit überraschender Si- ck-erheit in die Lage, die für eine andere wohl sehr peinlich gewesen wäre. Bergen war vor Glück über seine hübsche und reiche Braut so übermütig, daß er ganz allein für die Unter haltung sorgte. Norbert brauchte nicht viel zu reden, und das war ihm recht so. Er überließ das Braut paar sich selbst und hing seinen Gedanken nach. Unwillkürlich mußte er Auni mit Marianne ver gleichen. Was war Anni für ein wertvoller, tief angelegter Mensch, gegen Marianne, die sich in eiu und derselben Stunde erst ihn: an den Hals gehängt hatte und sich gleich darauf mit einem anderen verlobte. War Anni nicht wür diger, einem edlen Geschlecht anzugehören, als diese flatterhafte, oberflächliche Baronesse? Er seufzte tief auf. Was half ihm diese Ueberzeuguug? Anni blieb doch unerreichbar sür ihn. * * * Frau von Saßneck war nicht wenig er- siaunt, als ihr Marianne Leutnant von Bergen als ihren Verlobten vorftellte. Es wurde nun sofort an Baron Hochberg depeschiert. Mari anne bat. um seine Einwilligung und seinen Se gen. Die Rückantwort traf schon am selben Nachmittag ein. Baron Hochberg sandte feine Einwilligung und meldete zugleich sür den näch sten Tag seine Ankunft. Marianne war sehr lustig und ausgelassen, lind Bergen lachte das Glück nur so aus den Augen. Er blieb bis zum Abend in Saßneck und versprach, am nächsten Tag wiederzukom men, damit er seine Werbung bei Baron Hoch berg in aller Form anbringen konnte. Mit keinem Worte war zwischen Norbert und Marianne das Vorkommnis im Wald er wähnt worden. Marianne kannte Norbert zu gut, um eine Indiskretion von ihm zu fürch ten. Und im übrigen war sie sehr liebenswür dig zu ihm uud hütete sich, ihn zu reizen. Auch befleißigte sie sich eines artigen Tones Anni gegenüber. (Fortsetzung folgt.)