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WeWMiWkr TWM Aurtsblatt. Nr. 178. Sonntag, den 3. August 1913. Drittes Blatt. W M MM. 3. August 1813. Die Zeit des Waffenstillstandes ist von allen Beteiligten zur möglichsten Voll endung der Rüstungen benutzt worden- Den Verbündeten war es erst jetzt möglich ge wesen, alle im Frühjahr ausgestellten Forma tionen auf annähernde Kriegsstärke zu bringen. So ergaben sich folgende Zahlen: Preußen: An Infanterie wa ren vorhanden: Linie 40 800 Mann, Reserve 31 200 Mann, Freikorps und Nichtpreußen 0000 Mann, Freiwillige Jäger 5400 Mairn, Land wehr-Infanterie 100 000 Mann, Garnison- und Ersatzbataillone 43 000 Mann. Insgesamt also 226 400 Mann Infanterie. Kavallerie: Linie 12 600 Mann, 3 Nationalregimenter 950 Mairn, Freiwillige Jäger 3800 Mann, Land wehr Kavallerie 10 5M Mann, Depot-Eskadrons 2200 Mann: mithin zusammen 30 050 Mann Kavallerie. Dazu kamen 12 900 Mann Artil lerie und Pioniere, sodaß die Gesamtkräfte des preußischen Heeres bei Ablaus des Waffenstill standcs rund 20 000 Mann, etwa 6 Proz. der Landbevölkerung, betrugen. Die r u s s ischc Armee hatte : in Schle sien 145 600 Mann, in der Provinz Branden bürg 30 900 Mann, in Mecklenburg 6500 Mann, sodaß die Gesamtstärke der russischen Feldarmee 183 700 Mann betrug. In zweiter Linie und als Belagerungstruppeu waren noch >12 000 ausgestellt, mithin kanten aus deutschen Boden in dem nun beginnenden Kampse zur Verwen dung : 295 000 Mann. An ö st e r r e i ch i s ch e u Truppe» stan den : bei der böhmischen Armee 127 300 Mann, zwischen Enns und Traun 40 000 Mann, bei der Armee von Inner-Oesterreich 36 500 Mann- Dazu kamen an Gariiisontruppen 27 500 Mann; sodaß insgesamt 221 300 Oesterreicher kriegsbe reit waren. S ch w e d e n brachte zur Verwendung 2s! 500 Mann. D c u t s ch c n g l t s ch e Truppen besau den sich in Norddeutschland 9200 Mann. M ecklenburg stellte ein Kontingent von (,000 Mann. Die Gesamtstärke der verbündeten Heere, die in e r st c r Linie Mitte August ge gen Napoleon aufgestellt waren, betrug rund k>00 000 Mann. Als Reservetruppcn, Blockaden korps usw. waren noch etwa 350 000 Mann vorhanden, sodaß rund 850 000 Mann bereit waren, die Napoleonische Weltmacht zu zer trümmern. > Die Armee, welche N a P o l e o n bis zum Schlüsse des Waffenstillstandes gegen die Verbündeten ausstellte, war unge fähr folgendermaßen zusammengesetzt: Altge diente Truppen, teils ans Rußland gerettet, teils im Innern von Frankreich verwendet, teils der Armee in Spanien entnommen, standen (außer den Festungsbesatzungen in Deutschland) etwa 100 000 Mann zur Verfügung. Zu ihnen traten 78 000 Mann „Kohorten", das 1. Aus gebot der Nationalgarde, die bereits über ein Jahr unter den Waffen standen und ziemlich gut ausgebildet waren. Diese Truppen bildeten den Rahmen der Verbände, die durch solgendc Aushebungen zmu Teil ganz junger Mannschaf ten gestillt wurden : 137 000 Mann der Aus hebung 1813, lOO 000 Mann nachträgliche Aus hebung von 1809—12, 150 000 Mann der Aus hebung 1814, ergänzt durch 80 000 Mann neue Aushebung >814, 80 000 Mann nachträgliche Aushebung der. Kohorte von 1807—12. Dazu kamen 10 000 Mann „Ehrengarden", welche sich selbst ausrüsteten und zu Pferde dienten, eine Nachahmung der freiwilligen Jäger. So mit brachte der Kaiser in Frankreich allein 735 000 Mann auf, von denen aber nachweis lich 20 Prozent Fahnenflüchtiger oder wegen Untauglichkeit Zurückgeschickter abzuziehen sind. Die Bundesgenossen Napoleons stellten in ^Deutschland ins Feld: Die Rheinbündler etwa 75 000 Mann, von denen allerdings 25 000 Bayern an ihrer Landesgrenze durch ein öster reichisches Heer festgelegt waren. Außerdem stellte Polen ein Hilfskorps von >6 (Ml Mann und Dänemark ein solches von 10 500 Mann. Bei Ablauf des Waffenstillstandes waren von diesen Truppen sofort verwendbar: In Schlesien, Sach sen und in der Mark an Feldtruppen 4-42 800 Mann, in den Waffenplätzen an der Elbe 26 000 Mann. Eingeschlossen in den Festungen Deutsch lands und Posen waren 55 300 Mann. Als Reserve standen in zweiter Linie 42 900 Mann; somit hatte Napoleon jetzt in Deutschland zur Verfügung etwa 700 000 Mann. Die Verbün deten waren ihm also etwas überlegen. Die französische Armee setzte sich zusammen aus Franzose», Nord und Süditalienern, Spa niern, Portugiese», Holländern, Schweizern, Pole», Däne» und Deutschen. Aus dem Äeiche. Kaiser Wilhelm in Norwegen Aus Bate ft r a ii d, 1. August, wird ge schrieben: Bei der gestrigen offiziellen Früh stückstafet aus Anlaß der Einweihung des Frith jof Denkmals übergab der Kaiser dem K ö nige von Norwegen eine größere Bronze ft «tue des Frithjof. Heute war um 1 Uhr Frühslückstafel an Bord des Schiffes des Kö rnigs von Norwegen. Nachmittags wird die „Hoheuzolleni" nach Bergen m Dee gehen. Das Wetter scheint sich aufzuklären. Prozeß Krupp. Der Krupp-Prozeß wurde gestern in öffent licher Verhandlung fortgesetzt. Unter allgemei ner Spannung wird der Bureauches Maximilian Brandt vernommen. Er gab an, daß ihm mitgeteilt worden sei, daß Krupp für Militär lieferurige» zu hohe Preise fordere gegenüber der Konkurrenz. Er habe geglaubt im Interesse der Firma Krupp die Preise der Konkurrenz erfah re» zu müsse». Auf die Frage des Vorsitzenden, Iver dem Abgeordnete» Liebknecht sein Material geliefert habe, erklärte Brandt, daß dies nur Herr v. Metze» getan habe» könne. Die Mit- teilimgc», die ihm zugegange» seien, habe er geheim gehakte». Später wird Hauptma»» G rone m a n n vermumm'». Als Offizier der Feldzeugmeisterei gibt er Auskunft über jüngst erlassene Verfügun gen, die sich auf Geheimhaltung militärischer Angelegenheiten beziehe». Die Angeklagten kön ne» sich dieser Verfügungen nicht entsinne». Wei ter bekundet Hauptmann Gronemann, daß die Vertreter Krupps genau so behandelt werden wie diejenigen anderer Firmen. Sie genieße» keiner lei Vorrechte. Irgendeine Verfügung, die etwas anderes bestimmt, gebe es nicht. Zeuge Hauptmann Jung bekundet eben falls, daß die Firma keinerlei Vorzugsstellung im Kriegsministerium habe. Die Geheimen ex pedierenden Sekretäre des Kriegsmmisteriums, die jahrzehntelang dort arbeiten, würden genau dasselbe bekunde». Es werden daraus zwei Gut achten verlesen, die weiter bestätigen, daß weder in der Artilleriewerkstätte noch in der Feldzeug meisterei irgendwelche Auskünste an Industrielle erteilt zu werden pflegen. Der folgende Zeuge, Major a. D. Wol lenh a u p t, der kurz vor seinem Abschied bei der Feldzeugmeislerei tätig war, bekundet, daß unter ihm die drei erste» Angeklagte» tätig ge wesen sind. Er erklärt auf Befrage» des Ver bandlungssührers, das; an Vertreter der Privat mdustrie keinerlei Auskünfte erteilt werden, es sei denn, daß der betreffende Referent cs für opportun halte. Jedenfalls habe» llnterbeamte Ivie die Angeklagte» keinerlei Recht dazu gehabt. Der Zeuge erümert sich einer Verfügung, die bcstimnn, daß bei Vergebungen auf Geschütz rohre, Rohrgeschoßteile usw. die Finna Knipp mit herangczoge» werden solle. Wiederaufnahmeverfahren im Prozeß Grosser? Wie eine Korrespondenz wisse» will, veab fichttgr dert Verteidiger Oswald Grossers, der am 16. November 1908 das Attentat! im Reichsgericht verübte, demnächst das! Wiederaufnahmeverfahren für den Verurteilten beim Landgericht Leipzig zu beantragen. Der Anttag soll sich aus zwei Gutachten stütze», di« von den als hervorragende» Autoritäten auf dem Gebiete der Psychiatrie bekannten Geheim räten Dr. Eulenburg und Medizinalrat Dr. Lapp- manu »ach dem Prozeß Grosser im Dezember 1909 veröffentlicht wurden. Beide Sachverstän dige komme» darin übereinstimmend zu dem Schluß, daß Oswald Grosser bei Begum der Tat g e i st e s k r a u k im Sinne des K 51 Sl.- G.-B. gewesen sei. Auch in der Hauptverhand lung vor dem Schwurgericht Leipzig, die am 11- Dezember 1909 den Angeklagten zu zehn Jah ren Gesäitgnis verurteilte, sprachen zwei von den vernommenen Sachverständigen dasiir, daß Grosser sür seine Tal nicht ru-rantwörtlich zu machen sei. Die Geschworenen bejahten damals die Schuldsrage. Grosser verbüßt gegenwärtig seine Strafe in Hoheneck in Sachsen. Er macht jetzt den Eindruck eines normalen Mensche» Aus dem Auslände. Die deutschen Kriegsschiffe vor Schanghai. Der große Kreuzer „S ch a r u h o c ft", mit dem Ehes des ostasiatischen Kreuzergeschwaders an Bord, ist »ach Zurücklegung einer sehr schnel le» Fahrt soeben vor Schanghai singetrofsen. Außer diesem Schiss befindet sich noch der kleine Kreuzer „N üruber g", das Kanonenboot „L u ch s", sowie das Flutzkanouenboot „V a - t e r l a n d" vor dieser Hafenstadt zum Schutze der deutsche» Interessen, der durch die Ankunft des „Scharnhorst" eine wesentliche Verstärkung erfahren dürfte. Das Kanonenboot „Iltis" liegt zurzeit vor Canto», während der kleine Kreuzer „Leipzig" vor Nanking stationiert ist. Die beide» große» Kreuzer „S char » hor st" und „Gneisen« u", sowie der kleine Kreuzer „E m d e n" haben sich bisher in der Südsee ausgehalte» u»d find sämtlich »ach den chinesi sche» Gewässern berufen worden. Während „Sckfarnhorst" bereits vor Schanghai emgetrossen ist, ist der Bestimmungsort der beiden übrigen schisse zurzeit »och unbekannt. Weiter ist vor Tsingtau das Kanonenboot „Jaguar" statio niert, das Kanonenboot „T i g e r" liegt bei Hanta» und zwei weitere Flutzbanoueuboore be finden sich auf verschiedene» Teilen des Alangtte- flnfses. Maßnahme gegen den Osfiziermanget in England. Im englischen Heere nimmt, ähn lich wie in der M a r i » e, der Offizier- mangel ungewöhnliche Ausoeh - n u n g an. Das englische Kriegsmirnfterium hat sich darum veranlaßt gesehen, gegen das bs- Ame Heine Mi. Roman von tz. Courths-Mahler. !Bs (Nachdruck verboten.; Anni war dabei, den Tee zu bereiten und allerlei zurecht zu mache», als Norbert eintrat. Er wußte, daß Tarrte Elisabeth und Marianne noch aus ihre» Zimmer» wäre». Es sehlte» noch einige Minute» an fünf Uhr. „Fräulein Sundheim", sagte er hastig, „ich will diese Gelegenheit benutzen, Sie zu bitten, diese Uebcrgriffe der Baronesse energisch zurück- zuweise». Wen» Sie sich alles so ruhig gefal len lassen, wird Marianne immer unleidlicher gegen Sie werden. Sie ist mein Gast, wie der Tante Elisabeths, ich kaim ihr nicht so cntge ge»treten, wie ich möchte. Aber ich kann auch nicht länger ruhig mit ansehen, wie. Sie ge kränkt und beleidigt werden." Anni sah ihn ernst und ruhig an. „Baronesse Marianne kann mich nicht ve leidigen, Herr von Saßneck. Ich bitte Sic drin gend, sich in keiner Weise darüber zu errege». Es ist mir ein so drückender Gedanke, daß Sic meinetwegen in Meinungsverschiedenheiten mit der Baronesse geraten." „Aber ich leide nicht mehr, daß man Sie kränkt, dazu — dazu stehen Sie mir zu hoch. Ich vermag es nicht ruhig mit anzusehen, wenn Sie mit Nichtachtung behandelt werden von einer Dame, die nicht wert ist, Ihnen die Schuh nemen aufzulösen", stieß er erregt hervor. Anni Preßte zitternd die Hände zusammen. „Herr von Saßneck — ich bitte Sie drin gend mrd inständig, ignorieren Sie Baroneß Mariannes Launen. Es sind ja nur Launen, die vielleicht gerade nur dein Umstand entsprie ßen, daß — ja, daß Sie sich hemühen, mich vor diesen Launen zu schützen. Ich habe das wieder holt bemerkt. Es ist sehr ritterlich von Ihnen, daß Sie eine Untergebene Ihrer Frau Tante nicht kränken lassen wollen. Aber ich bitte Sie, nicht zu vergesse^ was Baroneß Marianne z» ihrem Verhalte» zu berechtigen scheint — daß ich wirklich nichts bin, als die bezahlte Gesellschaf terin Ihrer Frau Tante." Norbert zuckte zusammen und sah mir bren »enden Augen in Annis blasses Gesicht, aus dem die Auge» fast schwarz vor unterdrückter Erregung herausleuchteten. „Anni!" stieß er hervor, im Uebennaß des Empfindens aller Beherrschung bar. Jie wurde dunkelrot und umfaßte zitternd die Lehm- eines Sessels. Eine» Moment schloß sie die Augen und dann sad sie in hilfloser Bangigkeit rind Verwirrung zu ihm empor. Eine Weile blieb es still zwischen Anni und Norbert. Beide kämpfte» mühsam die Erregung nieder. Sein Atem ging schwer und er ballte die Hände zusanuneu und biß die Zähne aufeinander. Was batte er gegeben, wen» er das rasche Wort hätte zurückbannen können. Endlich hatte er sich wieder in der Gewalt und sagte leise: „Verzeihung, Fräulein Sundheim, ich ich hatte in der Erregung vergessen — ich sah in diesem Moment in Ihnen nur den Schützling meiner Tante und nannte Sie unwillkürlich mit ;dem Namen, den Sie Ihnen gibt. Es war ein Versehen, ich bitte, vergessen Sie es." Anni beherrschte sich heldenhaft Sie neigte de» Kopf und sagte, so ruhig sic konnte: „Ich werde vergessen, Herr von Saßneck." Er verneigte sich dankend und zwang sich zu einem leichten Ton, um den Eindruck seines Un gestüms zu verwische». „Nun habe ich im Eiser beinahe den Krän kungen, die sie von Marianne erfahren haben, eine neue hinzugefügt. Aber ich hoffe, daß Sie mir glauben, daß es nicht meine Absicht war." „Ich bin überzeugt davon, Herr von Saß neck", sagte sie leise. „Sie haben sich mein Ungeschick eigentlich selbst zuzuschreiben. Wie konnten sie sich eine Untergebene nennen", suchte er zu scherzen. Nun lächelte sie resigniert. „Bin ich das nicht?" „Nein, es ist ein Unrecht von Ihnen, wenn Sie sich hier als solche fühlen. Sie wissen ganz genau, daß Sie Tante Elisabeth lieb und teuer sind, wie eine Tochter." Sie strich sich aufatmend das Haar aus der Stirn. „Tante Elisabeths Gitte — und auch die Ihre, Herr von Saßneck, ist sehr groß. Dairkbar empfinde ich diese Güte in jeder Beziehung. Aber sie darf mich nicht veranlassen, mich über mich selbst zu erheben. Ich bür als Tante Eli sabeths Gesellschafterin mit einem Gehalt hier angestellt, und wenn Sie und Frau von Satz- neck mich trotzdem nicht als Untergebene bettach ten in Ihrer Güte, so kann ich doch nicht von anderen Menschen die gleiche Großmut verlan gen. Baroneß Marianne ist gewöhnt, ihre Un tergebenen anders zu behandän und kann es nicht begreifen, daß man mir hier eine Aus nahmestellung einräumt. Deshalb sollten Sie ihre kleinen Launen nicht übelnehmen. Sie zie hen mich nicht herab, ich bleibe dann» doch ich selbst." Er nähr» schnell ihre Hand und küßte sie. „Sie sind und bleibe» ei» bewundernswer tes Ausnahmegeschöpf, Fräulein Sundheim, ich habe es schon oft empfunden und muß Ihnen das in dieser Stunde sagen. Nicht wer oder was Sie sind, ist maßgebend — sondern wie Sie sind. Und deshalb will ich über diesen Punkt nicht mehr streiten." Als er das mit warmem, ernstem Ausdruck gesagt hatte, trat er von ihr zurück und Anni wandte sich dem Teetisch wieder zu. Die Er regung zitterte in ihnen noch nach. Diese kleine Szene war für beide sehr bedeutungsvoll gewe sen. Kurz darauf traten Frau von Saßneck und Baronesse Marianne ein. Aus Mariannes Au gen flog ein mißtrauischer Blick über die beiden hin. „O — Du bist schon hier, Norbert?" fragte sie gedehnt. „Wie Du siehst, in Lebensgröße, Marianne." „Ich denke, Du hattest noch zu tun?" „Bis vor einigen Minuten allerdings. Aber nun stehe ich wieder zur Verfügung." Man nahm au dem Teetisch Platz. Anni füllte die Tassen und reichte sie herum. Norbert war ihr dabei sehr artig behilflich. Das erboste Marianne von neuem. Sie zog die Schultern hoch, als ob ihr kalt wäre. Da sie eine sehr duftige, kostbare Toilette mit klei ¬ nem, herzförmigen! Ausschnitt und kurzen Aer- mein trug, war das auch leicht möglich. „Fräulein Sundheim, holen Sie mir, bitte, eine» Schal aus meinem Zimmer, es ist kühl hier", sagte sie von oben Hemd. Anni stand sofort aus, aber schon war Nor. bert aufgesprungen und hatte geklingelt. „Bleiben Sie nur, Fräulein Sundheim, da für gibt es Diener in Saßneck", sagte er dann kurz. Und dem einttetenden Diener befahl er, sich von Baroneß Mariannes Zofe einen Schal für diese geben zu Vassen und zu bringe». „Ich hätte ja de» Schal Polen können", sagte Anni zaghaft. „Nein, nein, liebes Kind, wir brauchen Sw viel zu nötig", bemerkte Frau von Saßneck ruhig und bestimmt. Aimi wäre es lieber gewesen, man hätte sie gewähren lassen, denn sie sah ein böses, gereiz tes Flimmern in Mariannes Augen. Der Die- ner brachte den Schal. Anni nahm ihn in Empfang und wollte ihn um Mariannes Schul tern legen. Diese nahm ihr ihn aber ziemlich unsanft aus den Hände». „Ich danke — mir ist nicht mehr kalt", jagte sie schroff. Frau von Saßnecks Gesicht rötete sich un mutig. „Bist Du nicht wohl, Marianne, daß Frost und Hitze so schnell bei Dir wechsän?" fragte sie streng. Marianne lachte schon wieder. „Mein Gott, Tantchen, man könnte meinen, es sei ein Staatsverbrechen in Saßneck, wenn man von der Gesellschafterin einen kleinen Dienst verlangt. Krank bin ich nicht, beruhige Dich und ziehe Dein Gesicht nicht in so strenge Fal ten, das kleidet Dich nicht." „Du solltest lieber ein wenig mehr darüber Nachdenken, was Dich kleidet, Marianne. Man darf nicht allen Launen nachgeben." Marianne lachte noch mehr. „Ach, Tantchen, strapaziere Dich nicht mit Erziehungsversuchen — die sind fruchtlos bei mir. Frag nur Papa. Er l)at es aufgegeben,