Volltext Seite (XML)
überall. Aber den GerniS hätte ich für etwas Bessere- gehalten. „Ich auch", bestätigte sie seufzend. „Übrigens, viel leicht wurde es ihm nahe gelegt, vielleicht war er im guten Glauben —" „Näh' gelegt? Von wem?" „Von den Umständen. Er hat gesehen, daß ich den größten Teil der Tage mir allein überlassen bin. Du gehst deinen Vergnügungen nach, und ich, ich kann sehen, wie ich mir die Zeit mit mir selbst vertreibe." „Na ja, freilich. Aber ich kann dich doch nicht in den Cercle und nach Monte Carlo mitnehmen." „Nein, das kannst du allerdings nicht." „Na also!" Hertha erwiderte nichts mehr. Sie hielt eS für überflüssig, ihm zu sagen, daß er eben seine Lebensweise anders einrichten konnte und daß es für sein Ansehen, wie für das ihre besser wäre, wenn er sich weniger dort Herumtriebe, wo nur solche regelmäßig verkehrten, denen es gleichgiltig war, wie und was man von ihnen sprach. Sie hatte ihm den Gedanken nahegelegt; wenn er nicht darauf eingehen wollte, so mochte er es so forttreiben, bis ihm vielleicht in anderer Weise die Augen geöffnet wurden. 9. Kapitel. Das Billett, das Frankenburg aus der Familien pension erhielt, war kurz und bündig; es lautete einfach: „Ihr Wille geschehe, — ich füge mich." Er kraute sich bedenklich den Kopf. Eigentlich ein Wahnsinn, ein Blödsinn! Rein nur um des Sports willen, um des Triumphes willen, den Marauis, der als Unwiderstehlicher galt, besiegt zu haben. Vielleicht hätte er sich in die schöne Frau vernarrt, wenn es ihm nicht durch eine Wette vorgeschrieben worden wäre, — aber förmlich auf Kommando, — nein, das war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. Zudem fühlte er sich durch Herthas Mitteilung äußerst verstimmt und unwillkürlich beschlich ihn dabei ein Gefühl der Bangigkeit. Wenn er den Vikomte in der Gesellschaft der anderen traf, blieb ihm nichts übrig, als dem Burschen den Standpunkt klar zu stellen, d. h. die Feindseligkeiten mit einer Ohrfeige zu eröffnen. Er war nicht feige, wie er auch mit sich einig war, daß man alles mitmachen mußte, auch das Unan genehme, das der Verkehr in dieser Gesellschaft mit sich brachte. Wenn es also nicht anders ging, war er bereit, seinen Mann zu stellen. Aber jedenfalls war die Aussicht unangenehm, eventuell als der eigentlich Beleidigte eine Kugel in den Leib zu bekommen und vielleicht gar für immer von den Millionen und der schönen Welt Abschied nehmen zu müssen. In dieser gedrückten Stimmung begab er sich zum Taubenschießen, wo heute der Entscheidungskampf statt fand. Auf der Treppe, die zum Schießplatz führte, holte ihn der Marquis ein: „Heute heißt es eine ruhige Hand haben, um Osmondy den Preis abzujagen!" Frankenburg nickte: „Ja, eine ruhige Hand. Die hat man aber nicht alle Tage." „Apropos, Germs läßt Sie grüßen." Frankenburg wurde dunkelrot. Sollte der Mensch die Frechheit so weit treiben, daß er ihn noch durch einen anderen verhöhnen ließ! Die Stimme versagte ihm fast vor Zorn, als er erwiderte: „Wie kommt er dazu, mich —" „Er ist nämlich heute Morgen abgereist", unterbrach Billette, der nichts bemerkt hatte. Ein dringende Depesche hat ihn nach Hause berufen. Es muß dort etwas vorge fallen sein, denn der arme Teufel war sehr erregt, als er auf dem Wege zum Bahnhof bei mir vorsprach." Frankenburg atmete erleichtert auf. Er durfte wohl annehmen, daß dies« Depesche fingiert war, um sich einen guten Rückzug zu decken, und damit war die unangenehme Sache endgültig erledigt. Jetzt fand er sofort seine gute Laune wieder, die dadurch erhöht wurde, daß er nach er bittertem Kampfe Osmondy besiegte. Erster! Eine Stunde später trug der Telegraph seinen Namen allen Sportklubs zu. Das Glück blieb doch hartnäckig an seinen Fersen hasten! Kapitän Guntram schritt Arm in Arm mit dem Helden die Anlagen hinauf. „Wollen wir vor dem De jeuner «inen Likör nehmen?" fragte der ewig Durstige. Natürlich!" erwiderte Frankenburg. Eie ließen sich in der ^Veranda deS Cafe de Pari- nieder und der Amerikaner bestellte das Getränk, Kognak und Sodawasser. Nach einer Weile sagte der ehrenwerte William Lee: „Frankenburg, können Sie mir auf ein paar Lage tausend Frank borgen?" Diese Anfrage war. dem anderen nicht mehr neu. Er blinzelte als Zeichen der Zusage mit dem einen Aug« und damit war die Sache erledigt. Kapitän Guntram war eine Spielratte erster Ordnung. Wenn er beim grünen Tisch saß, vergaß er aufs Essen, selbst aufs Trinken. Seine Schlußbilanz wies immer einen Gewinn auf, so daß er die Riviera mit den genügenden Geldern verließ, um die Sommermonate irgendwo in den Bergen zu verbringen. Wenn er auch in anderer Be ziehung aus den Neulingen, denen er sich anschloß, ohne jeden Gewifsensbiß Vorteile zog, so war er doch in solchen direkten Anleihen sehr korrekt. Sobald er gewonnen hatte, stattete er diese „Ehrenschulden" gewissenhaft ab. Die beiden begaben sich nach eingenommener Stärkung in den Spielsaal, und der Kapitän ließ sich nieder, während Frankenburg hinter ihm blieb, um zuzusehen. Er rechnete darauf, daß die Gräfin vorbeikommen würde, und da wollte er unbeschäftigt sein, um ihr sogleich folgen zu können. Jetzt, da sich alles so sehr Zum Besten gewendet hatte, war er in ganz anderer Stimmung, als vor wenigen Stunden. Den Ungar hatte er besiegt, den einen Franzosen in die Flucht gejagt, nun wollte er auch noch zur Krönung des Ganzen den andern in den Sand strecken, kostete es, was es wollte. Er wartete nicht vergeblich. Es dauerte nicht lange, so tauchte ihre Gestalt beim Eingang auf, und Frankenburg blieb, wo er war, um ihr, sobald sie ihn bemerkte, durch ein Zeichen zu verstehen zu geben, daß er zu ihrer Ver fügung stehe. Plötzlich wandte sich Kapitän Guntram herum. „Lieber Freund, nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie bringen mir heute schreckliches Pech. Bitte, stellen Sie sich lieber hinüber." Frankenburg lachte. „Ich gehe schon, ich gehe schon. Hab' ohne dies noch ein kleines Geschäft zu besorgen." Der Amerikaner hatte jetzt auch die Gräfin bemerkt, die eben vorüber gegangen war. „Aha, ich verstehe!" und da Frankenburg gehen wollte, hielt er ihn beim Arme fest: „Unter anderem: was ist's mit der Wette! Mir scheint, heute ist Termin —" „Nur Geduld bis zum Abend; es wird sich schon zeigen", erwiderte Frankenburg siegesbewußt. Dann grüßte er den Genossen mit einem Kopfnicken nnd ging. „Sie erwartete ihn in den Anlagen auf der gewohnten Stelle. Tiefe Blässe lag auf ihren Wangen und ihr Blick irrte unstät hin und her, als er ein gleichgiltiges Gespräch anzuknüpfen suchte. Er selbst fühlte sich befangen und unsicher, wie noch nie. Endlich faßte er einen Entschluß und bot ihr den Arm. Sie nahm den Arm und ließ sich führen. Frankenburg hatte die Empfindung, als geleite er eine müde Greisin, die sich schwer auf den stützenden Arm lehnt und von Zeit zu Zeit Erholungspausen braucht, um nicht kraftlos zusammenzubrechen. * * * Die Gelellschaft war im Hotel de Paris bis auf den Vicomte und Frankenburg vollzählig versammelt. Letzterer wurde bereits mit einiger Ungeduld erwartet, denn aus eine Siegesfeier hatte er jedenfalls Anspruch, auf die des Meisterschützen beim diesjährigen Taubenschieben. Was nun die Wette betraf, da gab es wohl keinen einzigen, der nicht sicher war, daß Frankenburg beschämt seine Niederlage eingestehen werbe. Der Tisch war zur Gelegenheit festlich gedeckt. In der Mitte stand ein herrlicher Blumenaufsatz, aus dem eine ausgestopfte Taube emporflatterte. Von einer Draht spirale getragen, machte sie bei der geringsten Berührung der Tafel schwebende, dem Fluge ähnliche Bewegung«:. Kapitän Guntram zog die Uhr. „Eine Viertelstunde über die Zeit. Am Ende läßt er uns sitzen, um nickst ein gestehen zu müssen, daß das Glück in der Liebe doch nicht immer um Gold zu haben ist." „Das wäre nicht schlecht!" rief Osmondy, bei de« d«r Arger über den Sieg des .Kohlengräbers" noch immer