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rir. ös. Unterhaltungs-Beilage ms. zum hohenstein-Ernstthaler Tageblatt Tlnntsblatt. Ersicheint wöchentlich zweirncrl. Druck und Verlag von I. Ruhr Nachfolger I)r. Nlban Krisch, Hohenstein-Ernstthal. flm Leben gestorben Noman von 6. D. von Suttner. N1. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Frankenburg fiel das veränderte Wesen, das sie am nächsten Morgen zur Schau trug, nicht auf; er hatte ja von anderen Dingen den Kopf io voll, daß ihm das ent ging, was in seiner nächsten Nähe lag. Vor allem be schäftigte ihn seine Wette. Die schöne Gräfin hatte ihm gestern ivieder ein Zeichen gemacht, daß sie mit ihm unter vier Augen sprechen wollte. Was sie ihm zu sagen hatte, wußte er sehr wohl. Unter einem Tränenstrom machte sie ihm die Eröffnung, daß die 10 ODO Frank verspielt waren. Sie glaubte, in ihm einen wahren Frenud zu sehen, und daher erbat sie seinen Rat: sollte sie nicht lieber einen weiteren Versuch aufgeben, von der Bank die Rückreise verlangen und in ihrer Heimat eine Stelle suchen, irgend einen Verdienst, durch den sie sich fortbringen konnte? Oder sollte sie den Mut noch nicht verlieren, auf Aie Prophezeiung vertrauen, die ja in anderen Dingen so wunderbar eingetroffen war? Sie legte es ihm nahe, zu antworten: „Versuchen Sie es noch einmal." Allein er blieb etwas zurückhaltend und legte nicht die gleiche Zuversicht wie neulich an den Tag: „Hm, ich fürchte, Sie sind zu nervös, zu leidenschaftlich beim Spiel. Sie verlieren gleich die Fassung, wenn Sie einen schlimmen Tag haben, und wollen das Glück er zwingen. Auf diese Weise haben sich die reichsten Leute ruiniert." Sie fand nun allerhand überzeugende Gründe; sie be hauptete schließlich, ängstlich gespielt zu haben, und zwar deshalb, weil sie nm ihren Fonds besorgt war, der ja eigentlich sehr bescheiden gewesen. Zehntausend Frank bescheiden! Sie hatte sonderbare Begriffe vom Wert des Geldes. Vielleicht hatte sie das auch einen bescheidenen Fonds gesunden, als sie ihr Kapital, das das Zehnfache betragen, auf den grünen Tisch warf . . . Nein, entschieden, das war eine kostbare Freund schaft, die er da angeknüpst hatte, um eventuell eine Wette von 3000 Frank zu gewinnen! Sie blickte ängstlich fragend zu ihm auf, während die Tränen noch in ihren Augen zitterten. Er mußte sich woyl entscheiden; ja oder nein. Da platzte er denn mit seinen Wünschen heraus. Er behauptete, sie zu lieben. Es war ein sonderbarer Blick, den sie auf ihn richtete; nicht Empörung lag darin, sondern eher tiefer Schmerz, etwas unsagbar Verzweifeltes. Frankenbnrg bemerkte es nnd er vermochte nicht, die Schamröte zurückzudrängen, die ihm in die Wangen stieg. Also hatte er sich doch getäuscht! War sie keine von jenen, die dem Golde pah, da mußte sie ihn ja mit Entrüstung zurückweisen, ihm ein vernichtendes Wort ins Gesicht schleudern. Und statt das zu tun, sagte sie nach kurzer Besinnung: „Sie sollen morgen meine Antwort haben." Diese Unterredung hatte am selben Abend statt gefunden, an dem Hertha dem Vicomte die Tür wies. Frankenburg schloß sich noch den Freunden im Hotel de Haris an, und dort wurde eine lebhafte Beratung ge halten, da der Blumenkorso in den nächsten Tagen statt finden sollte. Frankenburg wollte auch mit seiner Equipage Staat machen, und er bedauerte daher lebhaft, daß der Vikomte nicht anwesend war, auf dessen guten Geschmack er viel hielt und der ihm allerhand Ratschläge versprochen hatte. Diese Frage und die unmittelbar bevorstehende Ent scheidung der schönen Gräfin beschäftigten ihn so sehr, daß er Hertha beim Frühstück so gut wie gar nicht beachtete. Endlich brach er doch das Schweigen. „Du, am Montag ist der Blumenkorso. Hast du eine Idee, wie wir unseren Wagen —" „Nein", unterbrach sie kurz. „Ich habe auch gar keine Lust, daran teilzunehmen." „Das wär' nicht schlecht!" rief er verweisend. „In Nizza sein und bei so einer Gelegenheit nicht mittun . . . Weißt du, wie es am besten ist? Ich werd' den Germs um Rat fragen und ihm zum Dank einen Platz in unserem Wagen antragen. Du hast ja seine Gesellschaft ganz gern, wie ich weiß." „Das wirst du lieber nicht!" erwiderte sie mit großer Bestimmtheit. „Was?" fragte er verblüfft. „Ich soll den Vikomte nicht —" „Nein, — denn ich habe ihm gestern das Haus ver boten." „Was ist denn das nur wieder! Du hast dem GerniS das Haus verboten?" „Ja, denn er hat sich erlaubt, mir eine Liebeserklärung zu machen. Er hat deine Freundschaft mißbraucht, um sich hier einzuschleichen und ein Abenteuer zu suchen, wie er es auf der Straße zu finden gewohnt ist." Frankenburg trommelte erregt mit den Fingern auf den Tisch: „Das ist freilich stark! Das ist unverschämt!" rief er aufgebracht. „Ich werd' dem sauberen Herrn mit meinem Stock eine Lektion geben, die er nicht sobald ver gessen wird." „Und dann? Dann wird er dir seine Zeugen schicken und —" „Soll er's tun! Ich laß meinem guten Namen von niemand nah' treten, weder von einem Vikomte, noch von einem noch höheren Herrn." „Ich denke, es genügt vollkommen, daß ich ihm die Situation klar gemacht habe . . . Siehst du, Alois, so sind sie ja alle. Deine übrigen Freunde waren zufällig von anderen Interessen abgezogen; ich glaube, keiner von ihnen Hütte lange überlegt, wenn er sein Auge gerade auf mich geworfen hätte. Die Menschen, die hier ver kehren, kommen mit wenigen Ausnahmen, um die Lange weile totzuschlagen und irgendein Abenteuer zu erleben. Das ist nicht der Ort, wo man erwarten kann, in an genehmen und anständigen gesellschaftlichen Verhältnissen zu leben." „Na, das möcht' ich doch nicht gerad' behaupten. Es gibt hier anständige Leute und Gesindel, wie eben