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Eie, daß ich das ohne Vermittlung selbst besorge: mein Name ist Franken —" „Ich bedaure diesen Mangel an einer gemeinsamen Bekanntschaft durchaus nicht, denn ich hätte mir die Vor stellung einfach verbeten." „Das ist aber gar nicht liebenswürdig von Ihnen, meine Gnädige, ich weih nicht, was ich verbrochen habe, um —" „Bitte, mein Herr, belästigen Sie mich nicht länger. Oder wollen Sie mich zwingen, meinen Platz hier auf zugeben?" „Ob, durchaus nicht", erwiderte er nun doch beleidigt. Er versuchte es jetzt auf andere Weise: als sie wieder ihren ; Satz hingeschoben hatte, warf auch er ein größeres Billett auf die Stelle, wie gewöhnlich, gewann er. Er blieb ihr ! so eine Zeitlang an der Seite, obwohl sie jedesmal eine Gebärde verächtlicher Gleichgültigkeit machte, wenn sie den Gewinn einstrich. Das Spiel ging eine Weile so fort: die schöne Nachharin hatte schon einen bedeutenden Be trag eingeheimst, als er sich nicht länger halten konnte, triumphierend zu bemerken: „Ja, an meiner Seite ist immer das Glück; das sollte man doch gerechterweise ein sehen." Wieder traf ihn jener niederschmetternde Blick, und sie setzte diesmal nicht. Als er aber seine Banknote auf den Teppich schob, knüllte sie mit emer plötzlichen Bewegung alles, was sie an Geld vor sich liegen hatte, zusammen und warf den Ballen auf die entgegengesetzte Seite. Frankenbnrg gewann — und sie verlor. Die Ent- . täuschung malte sich deutlich auf ihrer Miene; mit hör- > barem Herzklopfen hatte sie gehofft, diesem Zudringlichen zu zeigen, daß man seiner nicht bedurfte, daß man auch ! einmal siegen konnte, wenn man gegen ihn setzte, und nun i hatte er die Genugtuung, durch sein blödes Glück in seinem Unüberwindlichkeitsdünkel bestärkt zu werden! L-ie erhob sich mit rascher Bewegung, stieß ihren Stuhl zurück und verließ den Saal. Frankenburg blieb zäh; er raffte seine Gelder zu sammen und folgte ihr. Als er auf die Freitreppe trat, sah er sie durch die Anlagen dem oberen Viertel zu- wandern. Er schlug denselben Weg ein, hielt sich jedoch ! vorsichtig in einiger Entfernung und so am Rande des Gebüsches, daß er nicht leicht eindeckt werden konnle. Sie schritt in raschem Tempo, wie unter dem Ein- druck heftiger Erregung, weiter, bis sie plötzlich stehen blieb. ! Frankenburg postierte sich hinter einen Baum und sah nun, ! daß ein kleiner Knabe auf sie zugerannt kani, dem eine ' ältliche Frau folgte. Sie packte den Jungen beiin Kopf s und preßte ihm einen Kuß auf die Lippen; dann wechselte i sie mit der alten Frau ein paar Worte, die wahrscheinlich ! die Mitteilung ihres Verlustes enthielten, denn die andere schlug die Hände zusammen. Hierauf setzten die Drei den Weg fort und bogen schließlich nach rechts, ! gegen die Richtung zum bescheidenen Viertel von Monte- Carlo ab. Frankenburg blieb beharrlich hinter ihnen drein. Es ging schmale, holprige Wege hinab, dann wieder hinauf, dann in eine enge Gaffe, bis die Drei in ein Haus traten. Er wartete ein paar Minuten und näherte sich hierauf dem ziemlich armseligen Gebäude. Über den Fenstern des ersten Stockwerkes stand in großen Buchstaben: „Familien- ! heim." Neben der Eingangstür hing eine Takel, auf der § die Preise der verschiedenen Mahlzeiten verzeichnet ? waren, — jene bescheidenen Preise, wie sie solchen Fremden angepaßt waren, die mit geringen Mitteln hierher kamen und in der hoffnungsvollen Erwartung lebten, mit der Million abzureiseu. Frankenburg trat nach kurzer Überlegung ins Haus. ! Ein Bursche in schäbiger Kellnerkleidung tauchte aus dem ! dunklen Hintergründe des Stiegenhauses auf und trug den Ankömmling, womit er dienen könne. „Ist hier eine Gaststube?" frug Frankenburg. „Oh gewiß, mein Herr. Hier, gleich zur rechten Hand", und der Kellner öffnet eine Tür. „Aber das Diner wird erst um sechs Uhr serviert." „Ich will nicht essen; doch ein Glas Kognak kann ich wohl haben, wie?" „Selbstverständlich." Frankenburg ließ sich an einem der Tischchen nieder, die in der Fensterbrüstuug standen, während der Diener davoneilte, das Gewünschte zu bringen. Es war ein I trauriger, kahler Raum, in dem er sich befand: an der einen Wand eine Kredenz, auf der zur Zierde einige Champagnerkübel paradierten, deren Plattierung abgenützt war und das gelbe Grundmetall hervorschimmern ließ; in der Mitte des länglichen Gemaches eine Tafel, mit grobem, nicht sehr reinlichem Linnen bedeckt; darauf prangte ein Blumenbehälter, der künstliche Rosen und sehr grün gefärbte Gräser enthielt. Zwei Armleuchter, auch aus altersgelbem Metall, vervollständigten die Aus stattung der Eßtafel. An den übrigen Wänden hingen Stahlstiche, — Nizza. Cannes, Genua und andere Haupt- orte der Riviera darstellend. Der Kellner brachte auf einem Teller ein Gläschen und die Kognakflasche: „Hier mein Herr; kann ich sonst mit etwas dienen?" „Hier findet wohl das Essen statt?" frug der Gast den Burschen. „Jawohl: das Frühstück um zwölf, — das Diner um sechs Uhr." „Sie sind Deutscher, nicht wahr? Sie sprechen ja vor trefflich." „Freilich! Ich bin Österreicher. Die Frau Gschmeidler, die die Pension hält, ist eine Wienerin." „Ah wirklich! Da sind wir ja Landsleute." Franken burg zog aus der Westentasche ein Zwanzigfrankstück. Hier, für meinen Schnaps." „Werde gleich Kleingeld bringen." Frankenburg hielt den Davoneilenden zurück. „Lassen Sie nur; den Rest können Sie behalten." „Ob, Herr — Herr Baron, das ist —" „Sagen Sie mir einmal, mein Lieber, — haben Sie viele Pensionäre hier?" „So ziemlich". Der Kellner neigte sich etwas herab und dämpf'- den Ton. „Wer keine noblen Herr schaften. Meistens solche, die im Tagelohn oben spielen. „Wieso im Tagelahn?" „Nu, ich meine, die zufrieden sind, wenn sie ihre zehn Frank gewonnen haben und damit ihre Pension zahlen können." „Aber ich glaub' doch, daß eine Dame hier wohnt, die Geld hat. Eine Dame mit einem Knaben und einer ält lichen Begleiterin." „Ah ja, das wird wohl die Gräfin sein." „Ich glaub', sie ist eine Gräfin." „Ja, eine Polin — Kraffnicka heißt sie." „Dieselbe", bestätigte Frankenburg kopfnickend. „Na, die arbeitet doch nicht oben im Tagelohn! Ich hab' selbst gesehen, wie sie auf ein Blatt das Maximum gesetzt hat." „Möglich . . . Aber die Herrlichkeit wird nicht lange dauern." „Wissen Sie sonst näheres von ihr?" „Oh ja", erwiderte der Bursche geschwätzig. „Sie ist von ihrem Mann geschieden. Er soll das meiste durch gebracht haben." „Das Kind gehört wohl ihr?" „Freilich, es ist ihr Sohn. Und die Alte, die ist ihre ehemalige Kindsüau, jetzt ist sie beim Kleinen, während die Dame oben spielt . . . Aber sie macht schlechte Ge schäfte. Ich hab' oft die Alte bald jammern, bald zanken gehört — und die Gräfin hat dann immer verweinte Augen." „Verkehrt sie viel mit den anderen Pensionären?" „Mit niemand. Darum können sie auch die Gäste nicht leiden. Der Frau Gschmeidler wärs auch lieber, sie ginge — aber es ist halt schwer —" „Von auswärts empfängt sie keine Besuche?" „Nein." Frankenburg leerte sein Gläschen. „So, jetzt geh' ich wieder . . . Wie heißen Sie denn?" „Heinrich." „Also, lieber Heinrich, ich werd' nächstens wieder kommen. Ihr Kognak ist nicht schlecht — und mit Ihnen kann man vernünftig reden. Vielleicht haben Sie mir dann neues zu erzählen. Adieu." „Küß' die Hand, Herr Baron." Frankenburg entwarf, während er dem Hotel cke Paris zuschritt, seinen Plan, Wit dem er bald im reinen war. (Fortsetzung folgt.)