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Der Kapitän knüllte die Scheine zusammen, schob sie in die Hosentasche und ging, ein Negerlied. pfeifend, seiner Wege. Fünf Tage später langte der ganze Troß aus Stubing an und das Ehepaar bezog die Rosenvilla. Nichts fehlte mehr, um sich wie zu Hause zu fühlen. Ein vor trefflicher Koch war in Mzza selbst aufgetrieben worden, und jetzt konnte Frankenburg damit beginnen, die Welt zu verblüffen. Hertha lebte wie in einem Feenmärchen, doch hatte sie die Empfindung, daß ihr Glück anderswo, in weit be scheideneren — vielleicht sogar ärmlichen Verhältnissen ge blieben war. Was hatte sie eigentlich von all dem un erhörten Luxus, Ler sie hier umgab? Nichts. Ihre Tage gingen interesse- und ereignislos vorüber, und sie vermochte nichts in der Zukunft zu erspähen, was ihr irgendeinen Impuls zur freudigen oder auch nur gespannten Er wartung gegeben hätte. So wie hier der Gatte, um den Leuten Sand in die Augen zu streuen, das Gold sinnlos mit vollen Händen hinauswarf, so tat er es zu Hause auch im ewigen Einerlei, in der ewigen Selbsttäuschung, damit eine hervorragende Tat zu leisten. Ihr selbst war dabei die Rolle zugeteilt, den Flitterglanz des Hauses zu vervollständigen, indem sie gleich einem Tempelgötzen mit Kostbarkeiten behangen und als „geborene Gräfin Hagenau" der staunenden Welt gezeigt wurde. Daß die Welt jedoch nur in Frankenburgs Phantasie staunte, das entging ihr bei dem feinen Gefühl, das sie besaß, durchaus nicht. Ihr Gatte rangierte trotz alledem und eigentlich mit Recht in jene Gesellschaftsklasse, welche man einfach mit dem Berufe bezeichnete, den sie innehatte. Der amerikanische Bier brauer und der österreichische Jndustriekönig waren für viele Leute doch nur Emporkömmlinge, die man hier, auf neutralem Boden, mitlausen ließ und deren fürstliche Gast freundschaft man herablassend annahm. So empfand denn Hertha das Ganze als eine unwürdige Komödie, in der sie gegen ihren Willen mittun mußte, weil Frankenburg eben das Recht auf ihre Person für gutes Geld erkauft hatte. Daß sie keinen andern Zweck als diesen zu erfüllen hatte, fühlte sie immer mehr und mehr, da der Gatte eigentlich nur an ihrer Seite war, wenn man bei den Diners Gäste im Hause hatte, oder wenn er sich im Viererzug auf der Promenade zeigte. Die übrige Zeit lieb er sie allein und ging wie der nächstbeste Junggeselle seinen Klubvergnügungen nach, während sie mit ihrem traurigen Bewußtsein der Einsamkeit sich überlassen blieb. In Stubing war sie wenigstens von Menschen umgeben, für die sie etwas wie Interesse und Teilnahme fühlte, während ihr hier ganz Nizza ein grobes Hotel schien, wo die Leute im ewigen Hasten kamen und gingen und wo niemand recht zu wissen schien, was er eigentlich in dieser großen Zentrale der Tagediebe zu suchen hatte. Ganz anders waren Frankenburgs Eindrücke. Er spielte, wie er überzeugt war, hier eine Rolle, und das allein schon befriedigte seine Eitelkeit. Zudem fand er an den Zerstreuungen, die sich besonders den Herren boten, wirklichen Gefallen. Sein Glück verließ ihn selbst in der berüchtigten Spielhölle Monte-Carlo nicht; er brauchte nur irgendein großes Billett irgend wohin zu werfen, um zu gewinnen. Wenn er in den Spielsaal trat, schielten sich die Kroupiers mit bedenklichen Mienen zu, und die Systemerfinder, die aus dem Hasardspiel eine Wissenschaft machen wollten, ärgerten sich blau über den Tölpel, der mit seinem plumpen Glück ihre feinsten Kombinationen über den Haufen warf. Natürlich hatte er da bald ein Gefolge von Bewunderern hinter sich, die ihre armseligen Silberstücke wagten und, während er große Scheine ein strich, wenigstens soviel gewannen, um an einem Mittags tisch dritten Range- mitessen zu können. Auch das grausame Vergnügen des TarSenschießens betrieb er mit Leidenschaft; nach dem ungarischen Baron war er der beste Schütze. Das ging dann telegraphisch durch die ganze Welt und so kam der Name Frankenburg gerade unter jene Leute, auf deren Anerkennung er be sonderes Gewicht legte. Solche Tage beschloß gewöhnlich ein Diner im Hotel de Paris, wo er wieder der Gastgeber war. Die Freunde hatten nach und nach „Freundinnen" einzuführen gewußt, so daß es sehr fröhlich zuging, obwohl die Tafelrunde beim Beginn einen ungeheuer ehrbaren Eindruck machte, da der Kapitän seinem Diplomatengesichte einen feierlichen Ausdruck gab und der Hausherr den Damen mit einer Ehrerbietigkeit begegnete, als wären sie Mitglieder der höchsten Gesellschaft. Wenn aber der Champagner in den Kelchen schäumte und der Teint des Kapitäns die gewisse dunkle Färbung annahm, dann war es mit der Zurück haltung bald vorbei und der Lautesten einer war der ehr bare William Lee Guntram, der den Champagner mit Kognak schneidiger machte, um die richtige Stimme für die modernen englischen Gassenhauer zu finden. Frankenburg war ein gelehriger Schüler; so wie er in der Kleidung die Löwen des Tages nachäffte, nie ohne eine kolossale Blume im Knopfloch und ein Monokle im Auge zu sehen war, so eignete er sich auch deren Gebärden und den Ton an. Er sprach ein Kauderwelsch von Deutsch, Englisch und Französisch, das niemand recht ver stand, über das sich aber besonders die Freundinnen halb zu Tode lachten. Das eiferte ihn aber nur noch mehr an, seine Negersprache hinauszuschreien, und in der Meinung, ein angenehmer, lustiger Gesellschafter zu sein, wurde er so allmählich zum Hansnarren, der dort überall unent behrlich war, wo man etwas zum Lachen haben wollte. Bei einem dieser Diners kam die Rede auf eine Fremde, die seit einigen Tagen in den Spielsälen Auf sehen erregte. Dieses Aufsehen galt nicht allein ihrer schönen, vornehmen Erscheinung, sondern auch den starken Verlusten, die sie täglich am Spieltische erlitt. Es hieß, sie sei eine polnische große Dame, die in der Hoffnung gekommen war, ihr durch einen liederlichen Gatten stark heruntergebrachtes Vermögen wieder hinaufzuarbeiten. Der Marquis sprach mit Bewunderung von ihrer Schönheit und betonte ihre Unnahbarkeit, die er selbst er probt hatte. Frankenburg, der nach dem Beispiel des Kapitäns seinen Wein stark mit Kognak verschnitten hatte, lachte laut auf und rief: „Aber, Marquis! Dame nur noch bißchen verlieren lassen, dann schon zahm werden." „Sie irren", erwiderte der andere bestimmt. „Sie gehört zur Sorte der Unantastbaren." „Ich noch nie eine gesehen; es gibt keine Frau, die nicht erobern lassen, wenn Richtiger kommt." „Lieber Freund und Vetter", verwies ihn Graf Tattenbach, „du darfst so etwas nicht sagen; du hast doch eine Frau." „Natürlich die — Abwesenden ausgenommen!" ver besserte sich Frankenburg rasch. Diese unbewußte falsche Anwendung der Redensart wurde als geistreiches Wort aufgefaßt und ungeheuer belacht. Der Erfolg eiferte Frankenburg an, bei der Sache zu bleiben: „Sie wetten wollen, Marquis?" „Was? Daß die schöne Unbekannte zu erobern ist?" »Ja." „Von wem?" „Von mir!" Wieder platzte die Tafelrunde in großer Heiterkeit los, allein Frankenburz ließ sich nicht beirren: „Ja, lacht nur!" rief er auf deutsch, „wer zuletzt lacht, lacht am besten", und dann in seinem Kauderwelsch: „Wollen wetten?" „Ja, wir alle!" nahm der Vikomte das Wort. „Gut; ich alle annehmen!" Es wurde eine Wette auf fünftausend Frank abge schlossen. Wenn es Frankenburg gelang, die schöne Un bekannte zu einem festgesetzten Termin hierher zum Diner zu bringen, so hatte er gewonnen, — sonst verloren. „Topp!" er schlug ein. Am nächsten Tage saß er neben ihr am Spieltisch. Seine teilnehmenden Bemerkungen über ihr Pech blieben ebenso unberücksichtigt wie die guten Ratschläge, die er ihr erteilte; sie würdigte ihn einfach keiner Beachtung. Endlich, da er sich nicht beirren ließ, wurde sie unge duldig; sie ließ einen kurzen, kalten Blick über ihn herab gleiten und sagte laut genug, daß es die Nachbarn hören konnten: „Mein Herr, ich finde es sehr ungezogen, eine ; Dame anzusprechen, der man nicht oorgestellt ist." Frankenburg war hier lange genug in die „gute Schule" gegangen, um seine Unverfrorenheit zu bewahren. Statt schweigend den Verweis hinzunehmen, erwiderte er zudringlich: „Ich bedaure, daß keiner meiner Freunde die Ehre hat, von Ihnen gekannt zu sein, sonst hätte ich eS gewiß nicht unterlassen, mich oorstellen zu lassen: gestatten