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02-Zweites-Blatt Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 03.07.1913
- Titel
- 02-Zweites-Blatt
- Erscheinungsdatum
- 1913-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-19130703026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-1913070302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-1913070302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-07
- Tag 1913-07-03
-
Monat
1913-07
-
Jahr
1913
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* Zum Fall Trömel. Mehrfach ist die Forderung erhoben worden, die deutsche Re gierung möge amtliche Schritte tun, uni die Rückkehr des Bürgermeisters Trömel nach Deutsch land zu ermöglichen. Wie verlautet, hat die deutsche Regierung bisher solche Schritte nicht eingeleitet und es scheint auch sehr zweifelhaft, ob sie jemals welche wird einleiten können. Es müßte dazu glaubhafl gemacht werden können, daß Bürgermeister Trömel wirklich in einem die freie Willensbestimmuug ausschließende» Zu stande gehandelt hat, als er in die Fremdenle gion eintrat. Bis jetzt hat aber ein Beweis da für nicht erbracht werden können, und somit fehlen der Regierung auch die Unterlagen, um mir der frauzösischen Regierung in Verhandlun gen eintreten zu können. Für Trömels Familie bleibt zurzeit nur die Hoffnung übrig, daß ihn die Fremdenlegion freiwillig freigibt, da Trö mel neuerdings an einem Magenleide» erkrankt ist, das seine weitere Verwendung im Kolonial- dieust eventuell unmöglich machen könnte. * Ueberschwemmungcn in T i - r o l. Die Jll ist bei Feldkirch aus den Ufern getreten und überschwemmte beide User. Len Hörbranz sind mehrere Telephonniasten umge-! stürzt. Die Telephonlcitungen sind zerstört. Der Regen dauert fort. * Strandling des Dampfers „I a r o s l a w a". Großes Aufsehen erregt in Ostpreußen die Strandung des eleganten Sulo»- dampfers „Jaroslawa". Als das Schiff, das, bei stürmischem Wetter am Dienstag abend von Danzig kommend, gegen 7 Uhr in Pillau noch nicht eingetroffen war, machte sich der Lotsen- dampfer „Pilot" aus die Suche und fand den Dampfer 4 Kilometer südlich von Pillau, etwa 150 Meter von der Küste der Frischen Nehrung, gestrandet auf. Bei dem Unwetter konnte er selbst nicht Hilfe bringen, sondern eilte mit der Nachricht nach Pillau zurück. Von dort machte sich der Lotsenkommandeur mit Gespann zur Rettungsstation auf, die 150 Meter von der Unfallstelle liegt. Unter seiner Leitung wnrdcn bei schwerer Arbeit von Uhr abends vis Mitternacht sämtliche Schiffbrüchigen gerettet, und zwar acht Passagiere, die meist aus Dan zig stammen, mit dem Raketenapparat, die übri gen Schiffbrüchigen versuchten die Landung mit den: Rettungsboot. Dies schlug jedoch voll jWasser, kippte um, und alle Insassen versuchten, durch Schwimmen das Land zu erreichen. Sie konnten mit Leinen herausgezogen und in Neu tief untergebracht werden. Aerztliche Hilse war auch zur Stelle. Zivil- und Militärärzten von Pillau gelang es mit vieler Mühe, sämtliche Be sinnungslose ins Leben zurückzurufen. Erft wenn der Sturm nachgelassen hat, kann an die Bergung des Danipfers, der wahrscheinlich ver loren ist, gedacht werden. Die Strandung selbst soll dadurch hervorgerusen worden sein, daß ein Kabinensenstcr von der schweren See ein- geschlagcn worden ist. Dadurch lies der Ma- schiuenraum voll Wasser, die Maschinen wurden unbrauchbar, und das Schiff selbst wurde so ein Spiel der Wellen, bis es ganz auf den Strand geschleudert wurde. * Die Hitzeplage in Amerika. Die Hitzewelle, die sich, wie schon gemeldet, vom westlichen Teile der Vereinigten Staaten nach der atlantischen Küste zu wälzte, hat zahl reiche Opfer an Menschenleben gekostet und säst unerträgliche Zustände in den betroffenen Ge genden hervorgerufen. In Gettysburg (Penn sylvanien) wird zurzeit die Fünszigjahrfeier zum Andenken an den Sezessionskrieg gefeiert, wobei sich etwa fünfzigtausend Veteranen der ehema ligen nordstaatlichen nnd südstaatlick)en Armeen zusammengefunden hatten. Die fruchtbare Hitze beeinträchtigte wesentlich die Feier. Obwohl zahlreiche Zeltläger an schattigen Orten errichtet waren, starben mehrere Festtcilnchmer an Hitz- schlägen; der Aufenthalt außerhalb liefen Schat tens ist direkt lebensgefährlich. Auch nachts muß die Bevölkerung weiter Gebiete in leichtester Be kleiduug unter Zelten oder im Freien zubringen, um den Quaen der abnormen Temperatur zu entrinnen. Mit echt amerikanischer Anpassung hat ein Prediger der größten Kirche voll New- york es verstanden, die Gläubigen während der großen Hiue in die Kirche zu locken. Er ließ in dem ganzen Gotteshaus Eisblöckc ausstellcn, die eine angenehme kühle Temperatur verbreite ten, und Fächer an die Damen verteilen. * B r a u d e i n e s a l t e n E i n w a n- d e r e. r h a u s e s. In Newyork brach in ei nem alten Einwandererhause Feuer aus, wo 70 Polen, Deutsche und Syrier schliefen, die am folgenden Tage nach Europa zurückfahren wollten. Fünf Personen wurden getötet, 20 er litten schwere Brandwunden oder zogen sich Ver letzungen zu, indem sie aus dein Fenster spran gen. Man vermutet, daß Brandstiftung vor liegt. Lebensjahres gesperrtes Sparkassenbuch mit einer kleinen Einlage ausgestellt. Diese Einrichtung hat sich vorzüglich bewährt. Die Eltern legen zumeist nicht nur die Patengeschenke zinsbar an, svndern sichern dem Kinde auch mehr denn je weitere kleine Beträge für die Zukunft. — Bautzen, 1. Juli. Verhaftet wurde hier der Bezirkssteuerfekretär Max Edmund Hofmann unter dem dringenden Verdacht, sich mehrfach rechtswidrig Rasenstücke angeeignet und diese in seinem Gatten angepslanzt zu haben. Die prachtvolle Rosenanlage im Garten des Hof mann erregte durch die Fälle und Auslese der wunderschönen Stöcke berechtigtes Aussehen. Von einem hiesigen Gärtner wurde Hofmann eines Tages dabei ertappt, wie er versuchte, einen Rosenstock zu stehlen. Da nun in letzter Zeit scholl mehrfach Roscndiebstählc vorgekommen waren, lenkte sich der Verdacht auf Hofmann. Tie Untersuchung hat ergeben, daß letzterer mit Hilfe fremder Visitenkarten bei hiesigen Gärt nereien Rasenstücke entnommen hatte, angeblich im Auftrage der betreffenden Persönlichkeiten, denen diese Visitenkartell gehörten. So wurde Ler „Roseilkavalier" wegen den Verdachtes der schweren Urkundenfälschung und des Diebstahls verhaftet. Hofmann war wenige Tage vor sei ner Verhaftung für die Stelle eines Bezirks steuer-Obersekretärs in Dresden ausersehen. — Meuselwitz, 1. Juli. In der in Zipsen- dorf nbgehaltenen Generalversainlung der Braun kohlen-Akt-Ges. „DereinSglück" in Meuselwitz, deren sämtliche Aktien bis auf zwei Stück sich im Besitz der Braunkohlenwerke Leonhard Akt -Ges. inZipsen- dorf befinden, wurde beschlossen, für das am 31. März beendete, nur neun Monate umfassende Geschäfts jahr eine Dividende von 75 Proz. (i. V für 12 Monate 60 Proz.) für die Prioritätsaktien und von 70 Proz. (i D. 55 Proz.) für die Stammaktien zu zahlen. Das Kapital der Gesellschaft beträgt 390 000 Mk. Seueltes vom Lage * Stapellauf des „D e r f f l i n - g c r". Dienstag mittag 2 Uhr erfolgte auf der Werft von Blohm u. Voß der Stapellaus des großen Kreuzers „Derffliuger". Der Stapellauf hatte zweimal verschoben werden müssen. * Zwölf Knaben ertrunken. Der Laufsteg zum städtischen Badehause in Lawrence (Massachusetts) ist zusammengebrochen. Zwölf Knaben sind dabei ertrunken. 1 AM NM Mi. Ronran von H. Courths-Mahler. 9! (Nachdruck verboten.) Von Anni hatte sich Frau von Saßneck schon verabschiedet. Nun fuhr der Wagen mit ihr davon. Anni und ihre Mutter standen noch eine Welle vor der eisernen Gittertüre und sa hen dem Wagen nach. Da wandte sich Frau Saßneck noch einmal um und winkte zurück. Bettina Sundheims Augen füllten sich mit Trä nen. Seufzend schritt sie dann, auf Annis Arni gestützt, ins Haus. In ihren Zimmern angelangt, bettete Anni die Mutter sorglich aufs Sofa. „So, mein Mütterchen, nun mußt Du Dich ausruhen. Es war eine l^rrliche Fahrt, aber doch ein wenig anstrengend für Dich, Du ver suchst nun ein wenig zu schlafen. Inzwischen habe ich noch einige kleine Einkäufe und Be sorgungen zu machen. Ich will für morgen früh einen Wagen bestellen zur Fahrt nach dem Bahnhof. Zur Post muß ich auch noch gehen. Unsere Sachen sind bis aus Kleinigkeiten ge packt. Das mache ich dann fertig, wenn ich luimkommc." Frau Sundheim lächelte und streckte sich in wohliger Mattigkeit aus. „Ja, ja, meine Anni, richte nur alles ein, wie Du denkst. Du vergißt auch nicht, mir noch Kochbrunnen in Flaschen zu bestellen, da mit ich daheim die Kur noch eine Weile fort- jeycn kann." „Es wird alles besorgt, Mütterchen." „Reichen wir auch ganz gewiß mit unserem Geld, Anni'-' Hast Du die Rechnung hier in der Pension schon bezahlt?" „Schon heute morgen. Und sei außer Sor ge, unsere Kasse weist einen Ueberschuß von fünfzig Mark auf. Die nehmen wir mit heim und verwahren sie für besondere Ausgaben." „Du bist ein kleines Finanzglenie, Anni. Ich habe leider nie rechnen gelernt und wäre ohne Dich ganz hilflos. Wie Du es fertig bringst, immer noch Ueberschüsse zu machen, das verstehe ich nicht." Anni lachte fröhlich auf. „Ach Mütterchen, wenn alle Menschen so reich wären wie wir! Es ist gar keine Kunst, mit sechstausend Mark jährlichem Einkommen rocht behaglich zu leben." > „Aber bedenke, was unser Aufenthalt in Nauheim und hier für Kosten verursacht hat." „Ja, Herzensmutter, wo sollen wir auch sonst mit dem vielen Geld hin? Es gibt ganz große Familien, die mit der Hälfte anständig auskommen müssen. Und wir sind nur zwei Personen." „Aber wir haben früher mit dieser Summe kaum unsere Kleider bezahlen können." Anni lächelte schelmisch. »Ja, jetzt beziehen wir aber unsere Toilet ten aus meinem eigenen Atelier sehr billig. Und die Tante Elisabeth behauptete, wir machten durchaus den Eindruck, als wenn wir unsere Garderobe in teuren Modemagazinen kauften." Frau Sundheim streichelte Annis Hände. „Ja, Du bist eine Tausendkünstlerin." „O weh, da habe ich ein Lob direkt heraus gefordert im Bestreben, Dich zu überzeugen, daß wir noch immer sehr reiche Leute sind. Aber jetzt spreche ich kein Wort mehr mit Dir, Du mußt jetzt schlafen. Komm, nimm noch einen Schluck Limonade, das beruhigt die Nerven. Bist Du auch gut warm?" „Mollig warm und behaglich." „Das ist schön. Nun sei brav und schließe die Augen, morgen ist ein schlimmer Tag für Dich auf der weiten Reise. Adieu, Mütterchen — behüt Dich Gott!" Noch einen Kuß, dann verließ Anni schnell das einfache, aber hübsch und sauber eingerich tete Pensionszimmer und huschte über die tep pichbelegte Treppe hinab. Mit ihren elastischen Schritten ging sie die Elisabethen- und Taunus- straße hinab. Im Brunnenkontor bestellte sie den Kochbrunnen. Dann schritt sie die breite Allee in der Wilhelmstratze hinab, um nach der Post zu gelangen. Die zahlreichen Bänke in der Allee waren jetzt, da die Sonne nicht mehr wärmend darauf niederschicn, nicht mehr besetzt. Es war kühl geworden, und die Kurgäste waren zu ängstlich, sich noch im Freien auszuhalten. So war es ziemlich menschenleer auf dem brei ten Promenadenweg und in den daranstoßendcn Anlagen. Anni schritt eilig dahin, uni möglichst bald wieder heimzukommen. Aber plötzlich verhielt sie ihren Schritt und sah, von tiefem Mitleid bewegt, auf einen gelähmten Mann, der einsam und verlassen auf einer Bank saß und sich ver geblich bemühte, seine ihm entfallene Krücke wie der auszu hebe». Er mußte -ich schon lange vergeblich be müht haben, denn seine Hilflosigkeir hatte ihm bereits Tränen erpreßt. Anni eilte sofort an seine Seite, hob ihm die Krücke auf und sprach mitleidig und be ruhigend auf den durch sein Mißgeschick sicht lich erregten Mann ein, der ihr nun klagte, daß er sich schon lange in seiner hilflosen Lage be fand. Er zitterte vor Frost und Erregung. Es war ein Mann aus schlichten Kreisen. Anni mühte sich nun um ihn und suchte ihn emporzurichten. Sie hatte nicht bemerkt, daß fast zur glei chen Zeit ein schlanker, hochgewachsener Herr von ungesähr dreißig Jahren in eleganter Klei dung von der entgegengesetzten Richtung gekom men war. Auch er hatte das Mißgeschick des Gelähmten bemerkt und hatte ihm zu Hilfe eilen wollen, war aber zu spät gekommen. Nun blieb er unwillkürlich stehen, um zu sehen, ob seine Hilfe noch nötig war. Mit einem seltsamen Wohlgefühl lauschte er der weichen, trostspendenden Mädchenstimme. Noch hatte er keinen Blick in Annis Gesicht getan, denn sie stand abgewandt von ihm. Er sah nur an der schlanken, feingliedrigen Gestalt, daß er eine junge Dame vor sich hatte. Das bestätigte ihm auch ihre Stimme. Zunächst achtete er jedoch mehr auf den ge lähmten Mann als auf sie. Anni mühte sich, diesem beim Aufstehen zu helfen. Er war aber von dem langens Sitzen und! von seinen vergeblichen Anstrengungen ganz kraftlos geworden. Da zog der Fremde den Hut, trat dicht heran und sagte artig: „Gnädiges Fräulein gestatten, daß ich bc- bilflich bin." Anni tvandte sich schnell um. Sie sah in ein schmales, energisches Männergesicht, das, von Lust und Sonne gebräunt, wie Helle Bronze anznsehen war. Einen Augenblick sahen die bei den jungen Augenpaare ineinander. Dann stieg jäh dunkle Röte in Annis Gesicht. Zu deutlich war in den Zügen des Fremden zu sehen, daß Annis Schönheit ihn überraschte, und daß er diese Schönheit bewunderte. Er faßte sich jedoch sofort, als er an ihrem Erröten bemerkte, wie peinlich sie sein über raschtes Staunen berührte. „Ich sah, wie Sie sich vergeblich mühten, den Aermsteu aufzurichten. Darf ich Ihnen hel fen?" fragte er mit einer ehrfurchtsvollen Ver beugung. Anni hatte die aufsteigende Verlegenheit schnell überwunden. „Ich fürchte, der arme Mann ist unfähig, seinen Heimweg anzutreten. Wollen Sie die Güte haben, mein Herr, eine Droschke herbei zuholen?" Der Fremde verneigte sich und lief schnell davon. Wenige Minuten später war er mit einem Taxameter zur Stelle. Er hob nun den Gelähmten empor, Anni stützte diesen auf der anderen Seite, und so führten sie ihn beide bis zum Wagen. Der Gelähmte seufzte tief auf. „Die Droschke wird sehr teuer sein," sagte er ängstlich, denn er war ein armer Haudwer ter, dessen Familie die größten Opfer brachte, um ihm einen Aufenthalt in Wiesbaden und die Kur zu ermöglichen. Denn seine Gesundheit ivar sehr nötig, da er der Ernährer seiner Familie war. „Sorgen Sie sich darum nicht, steigen Sie nur ruhig ein," sagte der Fremde. Er hob den Gelähmten in den Wagen, Anni reichte ihm die Krücke und hüllte ihn in die warmen Wagen decken. „Darf ich noch etwas für Sie tun?" fragte sie teilnahmsvoll. Der Mann schüttelte den Kops und tastete nach ihrer Hand. „Nein, mein liebes Fräulein — und ver gelte es Ihnen Gott, daß Sie mir geholfen haben. Auch Ihnen, Herr — ich danke tausend mal." Anni warf unwillkürlich einen bittenden Blick in das charakteristische Gesicht des Frem den. Er schien diesen Blick zu verstehen, und obwohl er gern noch in der Nähe des reizenden Mädchens geblieben wäre, stieg er schnell mit in den Wagen. „Ich werde Sie nach Hause begleite«, Sie sind ja ganz hilflos," sagte er zu dem Gelähm ten. Ein aufleuchtender Blick aus den wunder bar beseelten Mädchenaugen lohnte ihm seinen Entschluß. Anni trat nun in der ruhigen, stol zen Haltung der vornehmen Dame von dem Wagen zurück. Der Fremde zog mit einer tie fen Verneigung den Hut und sie dankte für den Gruß. Solange er konnte, sah der Fremde der schlanken Gestalt nach, die nun wieder ruhig ih res Weges schritt. Auch der Gelähmte, dem nun in den warmen Wagendecken etwas erträglicher zumute war, sah ihr nach. „Eine sehr liebe und schöne Dame", sagte er, von Dankbarkeit erfüllt. Der Fremde nickte. „Kannten Sie die Dame?," fragte er. MM SWW-ElUfWl. Ütathau», Zimmer Nr. 8. Als gefunden sind folgende Gegenstände abge geben worden: mehrere Portemonnaies mit Inhalt, eine große Anzahl Schlüssel, 1 Brosche mit 3teiligem Anhängsel, 1 goldene Damenuhrkette. 1 Handkorb, in dem Preißelbeeren waren, 1 Geldstück 1 silberner Damenfingerring. 1 goldener Herrenfingering, 1 Revolver, 1 goldner Klemmer, 1 schwarze Damenhandtasche, k Kassenschein, 1 blaue Arbetterjacke, 1 silberne Halskette mit Anhängsel, 1 goldene Halskette, 1 schwarzer Handkoffer, 1 Kindermütze, 1 Spazierstock. Zugelaufen: Ein Hund. Fundsachen sind unverzüglich im Rathause — Zimmer Nr. 9 — anzumelden. „Kornfranck". Unter diesem Namen Ivird ein neues Kaffcegelränk (kein Bohnenkaffee) in den Handel gebracht, La8 sich dank seiner vortrefflichen Eigenschaften überraschend schnell die Gunst des Publikums in reichstem Maße erworben hat. „Korn- franck", das neue Kaffeegetränk, aus dem wertvollen Roggenkorn unter Anrvendung eines ganz neuen eigenartigen Verfahrens hergestellt, ist etwas ganz Besonderes. Preiswürdig im Einkauf, kräftig im Geschmack und sparsam im Gebrauch, das sind die Haupteigenschaften des „Kornfranck". Die Hausfrau hat schon bei dem ersten Versuch mit „Kornfranck" die Erfahrung gemacht, daß sie durch Verwendung dieses Fabrikates einen guten Kaffee auf den Tisch bringen und dabei noch sparsam wirtschaften kann. „Kornfranck" wird wie Bohnenkaffee zubereitet. Die Erfahrung lehrt, daß, wer „Kornfranck" verwendet, niemals enttäuscht wird, und sich so an das neue Kaffeegetränk gewöhnt, daß er „Kornfranck" immer wieder kauft. Den echten „Kornfranck" gibt es nur unter diesem Namen und n u r in grünen Paketen mit dunkelgrünen Bändern. Auch in den Kreiser: unserer Leser hat sich „Kornfranck" schnell einge bürgert. „Nein, gnädiger Herr. Ich habe sie aber zuweilen mit einer alten Dame am Kochbrun- uen gesehen." Der Fremde erkundigte sich nun teilnehmend nach den Verhältnissen des Gelähmten, und die ser schien froh zu sein, einer mitfühlenden Seele seine Leidensgeschichte erzählen zu können. Es Ivar ein schlimmes Schicksal, das den Armen bettoffen hatte, und ihn für lange, vielleicht für immer der Kraft beraubte, für die Seinen sor gen und arbeiten zu können. Der Fremde notierte sich die heimatliche Adresse des Gelähmten, um später vielleicht für diese» etwas tu» zu können. Und als er ihn vor seinen: bescheidene» Gaschos aus dem Wagen gehoben hatte, drückte er ihm ein gefaltetes Pa pier in die Hand. Da der Hausknecht gleich herbeikam, über gab er diesem den Kranken. Dann sprang er schnell wieder in de» Wagen »nd rief dem Kut scher zu: „Nassauer Hof!" Der Gelähmte sah mit feuchte» Auge» auf das Papier i» seiner Hand herab. Es war ein Hmidertmartscheiii. „Es gibt doch »och gute und edle Menschen", versicherte er dem Hausknecht, der ihm gutmütig in sei» enges Stübchen half. — — - Anni Sundheim hatte indessen ihre Besor gungen beendet und kehrte »ach Villa Mercedes zurück. Als sie i» die Taunusstraße einbog, fuhr ei» Wage» a» ihr vorbei. Sie sah den Frenide» darin sitzen, der dem Gelähmter, mit- geholfei, hatte. Auch er erblickte sie und zog den Hut. Einen Moment schien er Lust zu ha be», den Wagen halten zu lassen und sich unter den, Vorwand, über den Verlauf seines Sama riterwerkes zu berichten, der jungen Danre zu näher». Aber i» ihrer stolze» Haltmrg lag es wie unbewußte Abwehr. Und so fuhr er weiter. Anni aber inußte wieder und wieder an das interessante, kluge Gesicht des Fremden den ken, in dessen Augen cs so warm geleuchtet hockte. Und wider Willen mußte sie sich gestehen, daß dieses Mämiercnttitz seltsam anziehend aui sio gewirkt hatte. Sie sagte sich mit der ihr eigenen Wahrheitsliebe, daß er ihr gleich beim ersten An blick so Wohlgefallen hatte. Er hatte entschieden durch sein ganzes Verhalten Eindruck auf sie gemacht. Aber damit ivMte sie nun auch den Ge danken a» diese Begegnung abtun. Sie würde diesen Fremden nie Wiedersehen, kannte nicht einmal seinen Namen, da er gar kein« Zett ge habt hatte, sich ihr vorzustellen. Sie schalt sich selbst ein wenig aus. Es war doch sonst nicht ihre Art, sich um fremde, junge Männer zu kümmern. „Aber er hat sich sehr gut benommen, und diese kleine Episode wird doch wohl zu meinen angenehmen Erinnerungen gehören, ohwohl mir der arme kranke Mann in tiefster Seele leid tut", dachte sie. Zu Hause fand sie die Mutter in tiefem Schlaf. Sie setzte sich, leise durch das Zimmer gleitend, an das Fenster und sah, in Träumen verloren, ins Weite. (Fortsetzung folgt.) '
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