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Hohenstein-^rKftthaler Tageblatt AmtsklEit Nr. 143. Dienstag dm 24 Juni 1913 Zweites Blatt. Deutscher NeichstuA. Ätzung UNI 2t. Juni 1914. Die zweite Beratung der Wehrvorlage wurde heute iw Reichstage foiügesetzt. Der sächsische Militärvevoilmächtigte Frei Herr Leuckart v. Weißdorf erhob Wider spruch gegen eine gestern voni Abg. Stadthagen ausgestellte Behauptung, daß König Georg von Sachsen als Prinz das Recht der Notwehr gegen Beleidigungen und Körperverletzungen der So! daten durch Vorgesetzte anerkannt habe. Abg. van Calker (Natl.) führte aus, das; das Militärftrasrechk resormbedürstig sei, daß es aber nicht angehe, die Reform nebenher in dein Gesetz über die Friedenspräsenzstärke vor znnehmen. Redner erwähnte einige Einzelheiten nnd betonte namentlich, daß im militärischen Strasrechl Bestimmungen znm Schlitze gegen Geisteskranke fehlen, daß aber, wie der Vorfall in Bremen zeige, in dieser Richtung anch das bürgerliche Strasrecbt nicht ausreiche. Abg. v. B r o ck h a u s e n (Kons.) meinte, baß alle sozialdemokratischen Anträge daraus ausgingen, die Parlamentsherrschast an Stelle der Kommaudogewalt zu setzen. Ruf die Be Häuptlingen des Rbg. Stadthagen einzugehen, sei nicht nötig, er habe mit seiner gestrigen Rede über Soldatenmißhandlungen den Reichstag miß handelt. Die Reform des Militärstrafrechts werde kommen, wenn die des bürgerlichen Straf rechts dnrchgeführt sei. Rbg. Dr. M üller - Meiningen (Vpt.) be klagt, daß man gezwungen sei, fortwährend Wiederholungen mit anzuhören. Die Rnträge der Sozialdemokraten könnten teilweise gar nicht ernst genommen werden. Rbg. Kunert (Soz.) betont in scharfen Ausdrücken die Notwendigkeit der Reform und bekommt einen Ordnungsruf, weil er behauptet, das bestehende militärische Recht sei ein Schänd mal des Rechts. Oberst Langermann v. Erlenka m p führt aus, daß die Strafen für Mißhandlungen nicht zu milde seien, da außer der eigentlichen Strafe noch anderes dazu käme. Rbg. Pens (Sog.) behauptet, es kämen immer no.h zu viel Mißhandlungen vor. Man habe nur gelernt, sich ihrer zu schämen nnd um gebe jetzt Kasernenhöse mit festen Mauern. Red ner übt an dem Dank de? Kaisers Kritik. Kriegsminisler v. H e eringc n weist diese zurück und erklärt, die Mißhandlungen würden nockl mehr abnehmen, wenn die Sozialdecuokra teil nicht von vornherein die jungen teilte gegen die Zustände im Heere aufhetzten. Rbg. Stadt vagen (Soz.): Gründe Hal man gegen unseren Rutrag nicht vorgebracht, nur Scheingründe. (Die Rechte und das Zen trum haben den Saal verlassen.) General v. W eißd o r f: Es ist Tatsache, das; die Zahl der Mißhandlungen jährlich abge nvmmeu hat. Tie Rnssprache schließt. Die Rbstimmung soll wegen der schlechten Besetzung des Hauses am Dienstag erfolgen. Bei Artikel Z wendet sich der Rbg. L i e s ching (Vpt.) dagegen, daß mit der Wehr Vorlage eine Renderung des Mmnschursversor gungsgesetzes verbunden wirb. Er beantragt die Streichung der Bestimmungen, ferner beantragt er eine Verzinsung der Dienslprämien sür Kapi kulanten, die vom 12. bis 18. Jahre dienen. Der zweite Rntrag wird zurückgezogen, über den ersten wird am Dienstag abgejtinunt. Rbg. M ülte r Meiningen beantragt einen Rrtikel .9 a, ivonach die schulpflichtige männliche Jugend Turnunterricht erhalten soll. Die Deutsche Turnuschaft müsse mebr unterstützt werden. Die Bubgelkommisjion beantragt Resolutio nen, ivonach die Wehrfähigkeit der Jugend durch bessere körperliche Ausbildung gehoben werden soll. Alle Verbände, die der körperlichen Er ziehung der Jugend sich widmen, sollen in dem Bestreben unterstützt werden, die schulentlassene Jngend für den Heeresdienst vorzubereiten. Kriegsminislcr v. H e eringc n: Das militärische Turnen hat einen sehr großen Auf- schwnng genommen. Den Resolutionen der Bud- getkommission stimme ich gern zu. Auch mit den Absichten des fortschrittlichen Antrags bin ich einverstanden, aber diese Sachen gehören doch nicht zur Wehrvorlage. Rbg. M u m m (W. Vgg.) beantragt, nur Verbände zu unterstützen, die auf dem Boden der gegenwärtigen Staatsordnung stehen. Rbg. Heine (Soz.) beantragt, alle Vor- scbrijlen aus;»beben, durch die oie Erteilung des Turnunterrichts von der politischen oder reli giösen Gesinnung eines Lehrers oder der Schüler abhängig gemacht wird. Ruch die Beschränkun gen der Gemeinden bei der Vergebung der Turn hallen sollen aufgehoben werden. Rbg. M u m m (W. Vgg ): Die Sozial demokratie muß anders betrachtet werden. Äe ist nicht eine Partei wie die anderen. Die Grenze gegen die Sozialdemokratie muß klar gezogen werden. Wie kann sich der sozialdemokrakische Männerkurnvcrein „Züchte" nrch Zichte nennen. Die Rnssprache wird abgebrochen. Das Haus vertagt sich. Nächste Sitzung, Dienstag 2 Uhr. Rusrage, Weiterberalung, Wahlprüsun gen. Die ausge'etzten Abstimmungen sollen um 5 Uhr erfolgen. Schluß 5s^ Uhr. jflkurlteL vuiu Lage. * Z ahrt de s VA i l i t ä r l u f t s ch i s- f e s Z. ü n a ch Leipzi g. Rus Gotha wird gemeldet, daß das augenblicklich im Luftschiff Hafen Golhh liegende Militär Luftschiff Z. -t heute Montag früh zu einer Zahn nach Leip zig ausskeigen und im Leipziger Lnftschiffhafen landen will. * V o m I r e in d e n l e g i o n ä r T r ö- m e l. Von einem Kameraden Trömels in der Fremdenlegion ist eine neue Nachricht über das Ergehen des unglücklichen Mannes eingelaufen, die uns in nachstehendem Drnhkberichl übermit kelt wird: Ein Nürnberger, der beim zweiten Regiment der Fremdenlegion in Afrika dient, schreibt der „Nürnberger Zeitung" aus Saida in Oran unter dem 12. Juni d. I. das solgende. Der seit einiger Zeit in Deutschland so viel Auf sehen machende Bürgermeister von Usedom, der in meiner Kompagnie dient, liegt hier an Ner- v-umufällen krank darniedier, und zwar sjchon seit zwei Wochen. Da wir hier auch von Zeit zu Zeit Zeitungen in die Hände bekommen, so macht es uns köstlichen Spaß, all den Unsinn zu lesen, der über den Bürgermeister geschrieben wird. Trömel ist nicht der „energische Mann mit dem klugen und offenen Gesicht", wie ihn der Matin schildert, auch nicht der hier in der Un- teroffizierschule dienende Eleve, wie ihn eine andere Zeitung beschreibt, sondern Trömel ist ein etwas über mittelgroßer Mann mit gelber Gesichtsfarbe und unruhigem Temperament, dem man die Krankheit, von weitem ansieht. Da ich Trömel jeden Tag zu sehen bekomme und jedev Tag mit ihm spreche, so weiß ich anch ziemlich genau, ivie es mit ihm aussieht. Ich bin der jesten Ueberzeuguug, daß Trömel es hier nicht austzäll und daß er bald wieder versuchen wird, nach Hause zu kommen. Bei der tropischen Hitze die hier herrscht, werden noch viel kräftigere Männer schlapp als Trömel. * D i c S ch r e ck e n s s z e n e i n d e r B r e m e r S ch u l e. Von den bei der Blut tat in der katholischen Marienschule schwer ver letzten Kindern ist inzwischen ein weiteres seinen Verletzungen erlegen, sodaß also bisher vier von den verletzten Mädchen gestorben sind. Das Be finden des Lehrers Möllmann gibt immer noch zu schweren Besorgnissen Anlaß. Er oürfte kaum mit dem Leben davonkommen. Ebei 'o ist das Besinden der übrigen sckuvervenc.u/n Kinder seh? ernst. Nach einer Mitteil in z der Krimi na"mlizei Hal der Wahnsinnige im ganze?: 95 mal in die Kinderschar hineiuaeichoijen. Nach einer Meldung von anderer Seite soll der Mor der jetzt einen völlig stumvftiumaen Eindruck machen. Er gibt keine Antworten nnd nur, wenn man ihm das Wort „Jesuit" zürnst, springt er erregt auf. Den unmittelbaren Anlaß zur Tat scheint ein Brief seiner Schwester gegeben zu Haven, in dem ihm diese Mitteilungen macht von einer schweren EArankung seines Vaters. Diesen Brief hat der Mörder mit dem Vermerk versehen : „Das haben die Jesuiten getan!" Die Eltern wollten ihn schon vor einiger Zeit in ein Sanatorium bringen, er soll ihnen aber ent schlüpft sein. * N e u e B r a n d st i f t u n g d n r ch Sufsragett e n. Die „Suffragittiss hat wieder ihre Opfer in der Nähe von Birmingham gefordert. Dort wurde ein großes Warenhaus von fanatischen Anhängerinnen des Frauenstimm rechts in Brand gesteckt und vollständig einge äschert. Glücklicherweise sind Menschenleben nicht