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Kavallerieregimenter, welche aufzusteüen sind. Ich überlasse zunächst die weiteren Ausführun gen meinem Nachbar, dem Herrn Kriezsmini- ster, aber ich will schon jetzt für meinen Teil betonen, die Forderung, die wir Ihnen in der Vorlage unterbreitet haben, bezüglich der sechs Kavallerieregimenter, ist eine Forderung, die wir zur Sicherung des gesamten Heeresgefüges und zur besonderen Sicherung der Grenzprovinzen, welche im Ernstfälle am ersten bedroht sein wür den, aufrechterhalten müssen. (Lebhafte Zu stimmung rechts) und ich richte die ernste Bitte an Sie, daß Sie in dieser Beziehung in voller Erkenntnis und Würdigung des Schutzes, der den Bewohnern des Landes gewährt werden muß, den Beschluß der Kommission revidieren mögen. (Erneute Zustimmung rechts.) Der Standpunkt der Verbündeten Regierungen ergibt sich klar und deutlich aus der Lage der gesam ten Dinge. Wie ist die Situation? Es ist ein unbedingtes Erfordernis, daß die Heeres- verstärkung unverzüglich ins Werk gesetzt wird. Das ist das oberste Gesetz, nach dem ich meine Haltung regeln muß und bis in alle ihre Konsequen zen hinein regeln werde. (Lebhafter Beifall rechts.) Daneben steht die Forderung, daß die Finanzen weder des Reiches noch der Bundesstaaten erschüttert werden; auch sie sind ein zwingender Bestandteil der Bereitschaft des Reiches. (Lebhafte Zustimmung.) Die Ver bündeten Regierungen sind dieser Forderung voll nachgekommen, wir haben Ihnen volle Decküng vorgeschlagen. Daß ebenso wie in der Kon» Mission auch in diesem hohen Hause eine aus gesprochene Mehrheit für die Wehrvarlage vor handen ist, daran zweifle ich nicht. Und daß sie deshalb angenommen werden wird, darauf vertraue ich zuversichtlich. Das gleiche gilt be züglich der außergewöhnlichen Maßregel, die wir Ihnen zur Deckung der außergewöhnlich hohen einmaligen Kosten vorgeschlagen haben, bezüg lich des Wehrbeitrages. Sie, die Sie die Wehrvorlage bewilligen »vollen, wollen Sie doch nicht bloß aus dem Papier bewilligen, Sie »vollen sie bezahlen. Deshalb ist es, meine Her ren, Ihre Pflicht, eine Einigung zu suchen über die Fragen der De-ckung der lausenden Kosten, soweit die Einigung noch nicht erzielt worden ist. Den Weg zu dieser Einigung haben wir Ihnen in unseren Vorlagen bewiesen (Be wegung) und ich bin fest überzeugt, die Eini gung wird gefunden werden, weil sie gefunden werden »nutz. Ein Volk, das in der Mehrheit seiner parlamentarischen Vertretung zu der Ge wißheit gekommen ist, daß seine Wehrmacht ver stärkt werden muß, »veil es die Sicherheit und der Schutz des Vaterlandes verlangt, dieses Volk hat ein Recht daraus, daß ihm dieser Schutz auch wirklich gewährt wird. (Sehr rich tig! rechts.) Auf den» Wege, den wir einge schlagen haben, gibt es kein Zurück. Wir kön neu — keiner von uns, nicht Sie, nicht wir hier — wir können nicht das Volk uni den Schutz betrügen, von dem wir überzeugt sind, daß er ihm not tut. (Sehr richtig! rechts.) Das wäre eine Versündigung am Vaterland. Deslvegcn werde ich mich mit allen Mitteln da für einsetzen, daß die Wehrvorlage zu dem Zeil punlte ins Wert geletzt wird, den die Vorlage vorsieht, und ich werde mit Ihnen mit Nach druck arbeiten und, wen»» es not tut, auch kämp fen, daß die Mittel bereit gestellt werden, die dazu führen. (Beifall.) Wenn ich nicht dazu fest entschlossen wäre, dann hätte ich die Vor lage überhaupt nicht eingebracht. Ich meine, Sie, die Sie in der Kommißion für die Vor läge gestimmt haben, »missen derselben Ansicht sein. Deshalb lassen Sie uns jetzt handeln und ein Werk zum Abschluß bringen, für dessen Scheitern kein Men'ch die Verantwortung tra gen kann. (Sehr richtig! rechts. Lebhafter Bei fall, große Bewegung in» ganzen Hause.) Abg. v. Liebert (Rpt.) (zunächst bei der großen Erregung im Hause unverständlich): Die Kavallerie ist für den Kriegsfall von höch ster Bedeutung, namentlich wegen ihrer Schnel ligkeit bei Verfolgung des Feindes. Sie hat auch für die Aufklärung des Geländes die höchste Bedeutung. Auch die Abstriche an Offi zieren und Unteroffizieren werden »richt vor dem Plenum standhalten; ebenso wenig die Strei chung von Bezirkskoinmandeuren in der Stel lung von Regimentskommandeuren. Der Heeres vorlage stimmen »vir zu, wir werden uns auch bemühen, die Abstriche der Kommission wieder herzustellen. (Beifall rechts.) Abg. Colshorn (Welfe) (sehr schwer verständlich): Bei der ersten Lesung haben wir uns abwartend verhalten, da die Verhältnisse auf dem Balkan völlig ungeklärt waren und wir über Einzelheiten der Vorlage noch Aufklärung habe»» wollten. Die notwendige Stärkung unse rer Wehrmacht erkennen wir an. Wir stimmen der Vorlage zu, wie sie die Kommissionsbe ratung verlasse»» hat. Abg. Bassermann (Natl.): Der Reichs kanzler hat die rechtzeitige Verabschiedung der Heeresvorlagen ein Gebot nationaler Notwen digkeit genminl, der sich alle Rücksichtei» unter ordnen müssen. Das ist auch unser Standpunkt. Daß der Wehrbeitrag zustande kommen »nutz, ist auch unsere Auffassung. In wachsendem Maße werden aber Beschwerden laut über die jetzige Gestaltung des Wehrbeitrages. Ich hoffe, daß die Regierung mit gewohnter Energie (Heiter keit) sich für die Regierungsvorlagen einsetzen wird. Daß die Deckungsvorlage im Sio-mmer erledigt wird, ist unumgänglich notwendig und ich hoffe, daß wir zu einer Einigung komme»» werden, und zwar auf dem Boden einer Reichsbesitzsteuer, damir nicht auf die Matriku- larbeiträge zurückgegriffcn werden muß. Das Verlangen nach Reformen ist berechtigt ange- ichts der große»» Belastung. Die Forderung der r neuen Kavallerieregimenter ist nach unserer Meinung begründet. Darauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr: Weiter beratung. Schluß 6^ Uhr. Uns dem Neiche. Zum RegierungSjubiläum des Kaisers wird nach der „Köln. Ztg." eine umfassende A m n e st i e erwartet. Auch eine allgemeine militärische Amnestie soll erfolgen, wovon nur die wegen Diebstahls, Soldatenmißhandlung und Beleidigung Untergebener Verurteilten ausge schlossen werden sollen. Die Glückwünsche des deutsck)en Episkopats werden nach der „Köln. Volksztg." Erzbischof v. H a r r m a n n-Köln und Bischof v. KePPle r-Rottenburg am 16. Juni in Berlin überbringen. — Das E h - rengeschenk der A r m e e in Gestalt eines Feldinavschallftabcs wird dem Kaiser am Mon tag durch den Generalfeldmarsckiall Grafen v. Haeseler im Berliner Schlosse überreicht werden. Das Geschenk ist eine Gabe sämtlicher aktiver und a la suite stehender Offiziere. Auf dem Feldmarschallftab vefiudet sich die Inschrift: „Dem Deutschen Kaiser das deutsche Heer, 1888—1!U:j." Am Tage des Regierungs-Ju biläums wird der K aiser eine Kundge - b u n g durch einen „A ufruf an das Volk" veranstalten, in dem er dem Volke seinen Dank für seine 25jährige Friedensardei» ausspricht. Das Treiben ver Welsen ruft bekanntlich in nationalen Kreisen eine stei gende Beunruhigung wach, und wiederholt ist schon aus die Notwendigkeit einer unzweideuti ge» Stellungnahme des Herzogs von Cumber land gegen diese Umtriebe hingewiesen worden. Der „Tagt. Rundsch." zufolge ist nunmehr eine Ztellungnah m c des weiss scheu Hofes gegen das Treiben der Welfen in Hannover von der preußischen Negierung in Gmunden angeregt worden. Man erwarte von der Loyalität des alten Herzogs von Cumber- land, daß er den staatsfeindlichen Treibereien der Welsen Einhalt gebieten werde. In unter richteten Kreisen bezeichnet man es als wahr scheinlich, daß Preußen und Braunschweig den Antrag beim Bundesrat, der die Thronbesteigung des Herzogs Ernst August vorsieht, so lange nicht einbringen werden, bis der Gmundener Hof in einer unzweideutigen Weise zu erkennen gegeben hat, daß die welsischen Umtriebe in Hannover von» Hause Cumberland nicht ge billigt werden. Uebrigens erfährt das Blatt, daß gelegentlich der Unterredung des Herzogs mit dem Reichskanzler die Frage einer schrift lichen Verzichtleistung auf Hannover überhaupt nicht berührt worden ist. Reichstagsersatzwahl. Bei der Reichstagsersatzwahl in Pyr mont erhielten Viet meyer (Wirtschaft). Vereinigung) 5618, Naumann (Fortschr. Volkspartei) 4937, Weddig (Soz.) 1017 Stim men. Es ist mithin Stichwahl zwisäzen Dietmeyer und Naumann nötig. Prinz Heinrich XXVI von Rentz j. L. ß Wie aus Jena gemeldet wird, ist dort in der Nacht zum Mittwoch in einer Pension Prinz Heinrich der Sechsundzwanzigste von Reuß gestorben. Der Prinz, der ein Alter von 55 Jahren erreicht hat, diente früher als aktiver Offizier in der deutschen Marine und nahm Ende der neunziger Jahre seinen Ab schied als Korvettenkapitän. Er war vennählt mit der Gräfin Viktoria von Fürstenstein; die der Ehe entsprossenen Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, führen den Titel und Namen „Graf resp. Gräfin von Plauen". Der Prinz gehört der sehr zahlreichen Nebenlinie Köstritz des Hauses Reuß an. Sozialdemokratische Wühlerei gegen Krupp. In der Presse wird auf Grund der Mit teilung eines sozialdemokratischen Reichstags abgeordneten die Nachricht veröffentlicht, der Vorstand des Vereins gegen das Bestechungs unwesen habe die Firma Krupp-Essen aus dem Verein ausgeschlossen. Diese Nachricht ist unzutreffend. Der Vorstand des Vereins hat sich im Hinblick auf das noch schwebende, voni preußischen Kriegsminister ver anlaßte Verfahren mit der Angelegenheit nicht beschäftigt. Uns dem Uuslande. biras Zeppelin bei Kaiser Franz Joses Bei der gestrigen Audienz des Grafen Zeppelin beim Kaiser Franz I o s ef dankltr der Katzf er dem Großen füv dce Erfül lung des seiner Zeit von ihm geäußerten Wun sches, einmal mit einem Luftschiff nach Wien zu kommen. Er sprach sich bewundernd über die große Leistung und über die kolossale Schnel ligkeit des Luftschiffes aus. Er erkundigte sich dann über die Zukunftspläne des Grafen Zep pelin und äußerte sich dahin, daß er die dem Grafen verliehene A uszeichnung ihm Persönlich überreichen »volle. Graf Zeppelin reiste abends in einem von der Eisenbahnverwaltung gestellten Salonwagen nach Stuttgart ab. Verkauf der „Lachsen" an Oesterreich. Wie die Wiener „Zeit" aus militärischen Kreisen erfährt, sind zwischen der deutsctnm Luft- schiffahrt-Aktten-Gesellschaff und der österreichi schen Militärverwaltung Unterhandlungen ange knüpft worden, welche auf den Verkauf des Luftschiffes „Sachsen" an Oesterreich Hinzielen. Graf Zeppelin soll in dieser Angele genheit bereits im Kriegsminisierium Vorge sprächen haben. Ein Zwischenfall im englischen Nnterhause. Während Premierminister Asquith gestern im Unterhause über das Finanzgesetz sprach, sprang aus der Zuschauertrtbüne Plötzlich ein Mann auf und schleuderte ein Wurfgeschoß, welcher sich darauf als ein Blumenkorb hemus- stellte, gegen die Ministerbank. Der Korb ver fehlte jedoch Asquith und die übrigen Mini ster und fiel, ohne Schaden anzurichten, neben dem Stuhl des Sprechers nieder. Der Mann, dev sodann eine Menge Schmähschrift t e n auf den Boden des Hauses warf, wurde von Dienern hinausgeworfen. Man vermutet, daß es sich um einen Anhänger des Frauen stimmrechts l>andelt. Premierminister Asquith setzt»? unter allgemeinem Beifall seine Rede fort. Annahme der Home Rule Bill im englischen Unterhause. Das englische Unterhaus hat die zweite Lesung der H o m e - R u I e - B i l l nach zweitägiger Debatte mit 368 gegen 270 Stim men angenommen. Damit geht die Bill, die den Iren die Selbstverwaltung geben will, zum zweitenmal an das Oberhaus, das seine Zustimmung ohne Zweifel von neuem versagen wird. Rußlands Gewinn aus dem Falle Redl. In Petersburger militärischen Kreisen wird jetzt unverhohlen ausgesprochen, daß Ruß land aus der Verräterei des Obersten Redl ungeheuren Nutzen gezogen habe. Man behauptet, daß alle Umarbeitungen der Mobili sationspläne herzlich wenig helfen können, da man hier im Besitz des ganzen Geheim materials des ö st e r r e i ch i s ch e n G e- neralstabes sei. Uebrigens erzählt man sich, Rußland habe selbst durch die Ungeschick lichkeit seiner Agenten dazu beigetragen, daß man in Wien auf die Spionagetätigkeit des Obersten Redl aufmerksam wurde und ihn faßte. Sschlilchks. Hohenstein-Ernstthal, 12. Juni 1913 Wettervoraussage der König!. Sächs. Landes- Wetterwarte zu Dresden. Kür Freitag: Keine erhebliche Witterungs änderung. 14. Juni: TaaeSmittel -s-14,8", Maximum -s-18,4v Minimum -s-9 9". —: „Am Leben gestorben!" — diesen Titel führt der neue Roman, mit dessen Veröffentlichung wir in der heutigen Unter haltungsbeilage beginnen. A. G. v. Suttner rollt in den» Roinon ein spannendes und ergreifendes Drama auf. Auf der einen Seite kämpft die Macht des Besitzes, auf der anderen sucht eine verratene und zertretene Men schenseele die brutale Kraft der Tatsachen zu überwinden, um für sich ein bischen Glück zu retten. Vergeblich, mit wuchtigem unbarmherzi gen Schritt geht das Schicksal seinen Gang, die Mittelmäßigkeit, die praktische Rücksichtslosigkeit siegt, die zarten und feinen Herzen zerbrechen. Der Roman schöpft seine Anregung aus den Kreisen der österreichischen Großindustrie und schildert besonders das Zusammentreffen dieser neuen Geldaristotratte mit dem alten Geburtsadel in weitausholender Weise. — Wenn man an festlichen Tagen wie Kö nigs und Kaisers Geburtstag die Straßen durch wandert, so freut sich jeder Patriot an dem zahl reichen Flaggenschmuck. Aber beim genauen Hin sehen findet man darunter Flaggen in der An ordnung „Grün-weiß". Dies soll nun wohl die Flagge des Königreichs Sachsen dchstellen, ist es aber nicht. Die Landesfarben des Königreichs S a ch s e n sind weiß-grün, während grün-weiß die Farbe»» der sächsischen Herzogtümer sind. Auch „Rot-weiß-schwarz", anstatt des richtigen deutschen „Schwarz-weiß- SM Wergs WM. »Koman von Fr. Lehne. Jgs »Nechdruck verboten.» .Nein, es war kein Traum — Ivonne durfte an ihr Glück glauben. Sie hatte die Papiere gelesen, aus denen ganz klar hervorging, daß sic jetzt Besitzerin von zwei Millionen war. Francois Legene, der abenteuerlich veranlagte -Oheim ihrer Mutter, war in jungen Jahren nach Südamerika ausgewandert, und da man nie wieder von ihm gehört, hatte man ihn schließ lich für verschollen, für tot gehalten. Aber erst vor wenigen Monaten war er, hochbetagt, als Junggeselle gestorben, nachdem er seine Nichte Ivonne Legene als Erbin einge setzt. Und da diese nicht mehr am Leben war, fiel das Vermächtnis an ihre Tochter Ivonne Lahberg, als die Nächstberechtigte, die in den nächsten Tagen schon in den tatsächlichen Besitz der Erbschaft kommen würde. Man war sehr liebenswürdig auf dem Landratsanit zu ihr gewesen; Frau von Ham merstein hatte den „lieben, kleinen Trotzkopf" bei nahe gerührt umarmt, der Herr Assessor dagegen verlegen an dem spärlichen Bärtchen gedreht und der noch immer nicht Vergessenen halb vor wurfsvolle, halb bewundernde Blicke zugewor fen. Aline von Brücken und ihre Tochter Über boten sich beinahe in Freundlichkeiten. „Was doch das Geld nicht alles tut!" dachte Ivonne ein wenig bitter. Sie war nicht berauscht von dem unerwarteten Glück: sie hatte ganz ihre klare Uebettegung behalten. Nur die Gräsin war unverändert in ihrem Verhalten geblieben. Wenn sie auch kein Wort über das Geschehene fallen ließ, so hatte sie doch Ivonne ihr Fortgehen aus Burgau nicht ver zeihen können. Fran von Brücken wolne das junge Mäd-j chen durchaus nicht wieder abreisen lassen. „Was willst Du noch bei den fremden Leu ten? Sie werde» es sicher begreiflich finden, daß Du inner diesen Uniständen nicht mehr zu ih nen zurückkehrsl. Nein, was wird Lutz sagen! Ich habe ihm geschrieben. Du glaubst gar nicht, Ivonnchcn, »vie er an Dir hängt! Als Du noch hier warst, kam er so oft — und jetzt? Einmal gerade ist er hier gewesen; er könne es ohne Dich nicht ertragen, sagte er." Doch Ivonne blieb ungerührt. „Ich kann meinen Urlaub nicht eigenmächtig verlängern. Die von mir eigegangene Verpflichtung wird durch den zufälligen Glücksumstand meiner Erb schaff nicht ausgehoben. Ich muß sie erfüllen, fahnenflüchtig darf ich nicht gleich werden." „ Ivonne hat vollständig recht", sagte die Gräfin, und sie mußte innerlich diese Fettigkeit und Ansicht der Enkelin respektieren. „Uebrigens ist meine Anwesenheit nächste Woche doch »och mal erforderlich. Ich werde sehen, ob ich drei Tage Urlaub haben kann, vorausgesetzt, daß ich Großmama willkommen bin." „Du kennst meine Ansicht, Ivonne, daß der Dir allein zukommende Aufenthalt hier auf Bur gau ist. Das steht Dir jederzeit offen. Kehrst Du hierher zurück, so will ich Deinen eigen mächtigen Schritt — und meine Worte ver gessen." Ivonne küßte ihr die Hand. „Ich danke Dir, Großmama!" „Was machst Du nun mit dem vielen Gelde, Ivonne?" fragte Herta neugierig. „Das muß doch ein herrlick)es Gefühl sein!" „Ja, ich freue mich auch darüber. Ich werde sehr viel Gutes tun; für mich allein ist's .zu viel, und »ver reich ist, hat auch die Ver Ipflichtung, von seinem Besitz einen würdigen Ge- s brauch zu machen." „Ist das Haus, in dem Du wohnst, wenig stens standesgemäß?" fragte Frau Aline. „Was für Mademoiselle Ivonne Legene gut war, genügt auch der Komtesse." Das junge Mädchen unterdrückte ei» kleines Lächeln. Ich werde aber trotzdem nur, so lange ich es »och mutz, dort bleiben. Uebrigens verkehrt Lutz auch in der Familie." „Ah, da hab» Ihr Euch also öfter gesehen und gesprochen?" „Gesehen ja, gesprochen so gut wie gar nicht. Du vergißt, Tanle Aline, daß ich dort abhängig, also nicht gleichberechtigt war. Man weiß gar nicht, daß Lutz mein Vetter ist. Ich habe mein Inkognito gewahrt, und Lutz hat es respektiert. Er hat unsere Verwandtschaft nicht verraten." Die Gräfin beobachtete die Enkelin. Mit welcher Ruhe und Sicherheit diese sprach! Ivonne war ganz unverändert; diese unverhoffte Erb schaft hatte ihr nicht im geringsten den gesunden Menschenverstand verwirrt, und das gefiel ihr. Vielleicht lag jetzt ein wenig mehr Herz lichkeit in ihrer Stimme, und nicht ganz so kalt blickten ihre Augen, als sie dem jungen Mädchen gute Reise wünschte. Wohltuend empfand Ivonne das, und ihr Herz erfüllte ein wärmeres Gefühl für die alte, stolze Frau, deren Anblick sie rührte, weil sie versorgt und alt aussah, und nur Lutz trug die Schuld daran; ein Groll auf ihn erfaßte sie. Pünktlich, wie gesagt, war Ivonne in das Steinhagensche Haus zurückgekehrt. Aber kein Wort von der Veränderung in ihrem Geschick kam von ihren Lippen. Wie immer, erfüWe sie ihre Obliegenheiten. Sie bat nur für nächste Woche nochmals um drei Tage Urlaub nach Burgau. Brennend gern hätte Konstanze ge wußt, was es war. Wie ein Geheimnis schien es ihr in der Luft zu liegen; aber jeder noch so geschickt gestellten Frage wich Ivonne aus, und sie amüsierte sich im stillen über Konstanzes Neugierde. Lothar hatte sie nicht gesehen. Bei Tisch sprach man von ihm. „Morgen will er hier seine Bücher und son- stigeii Raritäten einpacken", sagte Konstanze. „Er hat vorhin telephoniert. Ich mag ihn nicht mehr sehe», wir fahren aus. Ich glaube, er hat wegen Steinhagen schon annonciert; es ist ihm Ernst. Na ja, die alte Klitsche, was ist denn dran!" Ivonne blickte vor sich nieder; das Herz tat ihr weh, das zu hören. Fremden Händen mußte er nun sein Lebenswerk überlassen. Wie bitter schwer würde ihm das werden! Sie sann darüber nach, »vie sie ihm wohl helfen könnte. Am Nachmittag ließ sich Baron Brücken melden. Die Damen saßen gerade beim Tee, und als guter Bekannter, wie er sagte, lud er sich mit dazu ein, damit er Gelegenheit hatte, Ivonne zu sehen. Nur wenige Worte erst hatte er mit den Da men gewechselt, als er auch schon Ivonne be grüßte, während sie ihm eine Tasse Tee reichte. Er versah sich mit Rahm und Zucker und sagte dann: „Grüß Gott, Ivonnchcn! Wie geht es auf Bernried und Burgau? Hast Du alle ge sund angetroffen? Ah, Pardon", wandte er sich an Frau von Steinhagen und Tochter, die beide mit nicht gerade geistvollem Gesichtsausdruck diese Begrüßung mit anhörten. „Pardon, ich vergaß wohl, den Damen in Komtesse Ivonne Laßberg meine Kusine vorzustellen?" Dann lä chelte er. „Nicht wahr, das ist eine Ueber- ra'chung! Für mich war es eine ebenso große, meine Base hier in Ihrem gastfreundlichen Hause anzutreffcn. Sie bat mich aber um strengste Diskretion — bis zu einem gewissen Zeitpunkt, und ich mußte ihr unbedingten Gehorsam ge loben. Ja, mein verehrtes Böschen liebt es manchmal sehr, ihre eigenen Wege zu gehen." (Fortsetzung folgt.)