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WeWMMckr WM Tluntsblcrtt. Nr. 107. Sonntag, den 11. Mai 1913. Zweites Blatt. Pfingsten gebeugt, 8. lr. K. Müller, ?. e. O, heil'ger Geist, der einst das Wort Mit Flammen hat verkündet, Du hast des Tempels heil'gen Hort Auf Zion neu gegründet, Gebaut die Säulen himmelan, Und hast mit Brausen aufgetan Die Pforten allen Völkern. Flammen niederfallen, wieder hell von deiner Glut Zungen brennen und mit Mut Herrn und Christ bekennen! Wir wissen nicht, wie ßchs gebührt, Vor Gottes Thron zu treten, Wenn nicht dein Finger uns berührt Die Lippen, wenn wir beten. O, flehe selbst und ringe mit! Und kräftig uns bei Gott vertritt Mit Seufzen unaussprechlich! Noch glänzt das Kreuz auf Zions Turm, Doch leer stehn seine Hallen. O, komm doch einmal noch im Sturm, Daß wir doch Gottes Kinder, Sein heilig Volk und Eigentum, Und kennen keinen andern Ruhm, Als Jesu Blut und Wunden. Verbinde doch in Einigkeit Des Glaubens alle Frommen! Und laß uns zur Vollkommenheit Hinan in Christo kommen, Daß bald der Völker weiter Kreis In allen Zungen rühm' und preis' Die großen Taten Gottes! Laß Daß Die Den Und ob uns Gram und Kreuz Ob wir verzagt als Sünder, Wenn nur dein Wort in uns bezeugt, 3s« MMesle. Wenn wir einen Beweis dafür brauchten, daß der Bericht der Apostelgeschichte über das erste christliche Pfingstfest auf Wahrheit beruht, so würde er uns ohne weiteres in den Nachwei sungen der Psingsttatsache gegeben fein. Was waren die Apostel vorher? Ein Häuflein schwa cher, verschüchterter Menschenkinder, die ihren Meister oftmals nicht recht verstanden, die ihn verließen in den Stunden seiner tiefsten Not, die aus Angst, es könne ihnen ein gleiches Schick sal drohen, nur hinter verschlossenen Türen zu- sammenzutommen wagten. Und was waren sie dann? Mutige Männer, die ein treues Bekennt nis ablegten und sich entweder vor den Waffen der römischen Kriegsknechte noch vor den gehäs sigen Angriffen der Juden, noch vor dem Spott und den Spitzfindigkeiten dxr heidnischen Welt weisen fürchteten. Männer waren's, die nicht der Klugheit oder der Menschenfurcht wegen der Sünde gegenüber ein Auge zudrückten, sondern die Wahrheit sagten, mochte werden, was da wolle. Etliche schlichte Arbeiter zogen in der felsenfesten Gewißheit: Christus und wir, das ist stets die Majorität! aus und warsen einer ganzen Christenheit den Fehdehandschuh hin. Und diese Welt stürzte zusammen, das Zeichen der Schande, das Kreuz, ward zum Ehrenzei chen und gewann den Sieg! Das war nicht Menschenkraft, das war nicht eigene Weisheit, was den Aposteln die Macht gab, ihr Ziel unverrückt im Auge zu behalten, sich im Kampfe zu behaupten und schließlich ihr eigenes Leben zu opfern, mit dem Tode ihre Lehre zu besiegeln. Das war eine Wirkung des heiligen Geistes, den ihnen Jesus verheißen, und dem sie sich rückhaltlos übergeben hatten. So konnten sie jubeln darüber, daß sie nicht einen knechtischen Geist empfangen hatten, so daß sie sich abermals fürchten müßten, sondern einen kindlichen Geist, den Geist der Kraft, der Liebe und der Zucht. Dieser Geist blieb lebendig in der Kirche Christi, wenn auch seine ersten Schildträger vom Kampfplay.e abtreten mußten. Er loderte hoch auf in Männern wie in Luther und seinen Man nen, in Wichern, Stöcker und Bodelschwingh. Wie steht es jetzt? Wohl will der Pfingst geist jetzt noch in den Herzen regieren und er kann es, wenn man sich ihm nicht verschließt. Aber so viele Menschen ziehen in sich den Geist der Furcht groß. „Was werden die Leute dazu sagen?" Diese Frage ist bei den meisten ent scheidender als die andere: „Was wird Gott da zu sagen?" Der Geist der Kraft, dsr Liebe und der Zucht, er wäre allen zu wünschen; alt und jung, arm und reich, Lehrer und Schüler, Ar beitgeber und Arbeitnehmer usw., sie alle wür den durch ihn ihre Schuldigkeit besser erfüllen und sich selbst glücklicher fühlen. Kraft tut not im Kampfe gegen die Sünde, wie sie in unseren Lagen so gewaltig ihre Polypenarnie ausstreckt in der Schundliteratur und in den Rohheits delikten, in Mord und Selbstmord, in Gottes leugnung und Herabwürdigung des Gottessoh nes. Liebe tut not, welche den Verlorenen sucht und den Verirrten zurechtweist, den Sünder aus dem Schmutze emporhebt und den Schwachen stärkt. Zucht tut not den unlauteren Elementen ge genüber, in welchem Stande sie sich auch zeigen mögen; die'e Zucht muß in der Familie begin- nen, und die Negierung darf nicht vor ihr zu- PsMAslrWIUku» rückschrecken. Selbstzucht aber müssen, wir alle Novellette von L o t h a r B r e n k e n d o r s f üben, damit wir nicht denselben Fehlern hul- digen, die wir an anderen rügen. s (Nachdruck verboten.) Können wir das alles aus uns selbst? Der Mit der leichtfüßigen Elastizität ihrer zwei-- Menschengeist, der Zeitgeist würde uns aus an- undzwanzig Jahre und ihres gesunden, ge- dere Bahnen führen. Darum bedürfen auch wir schmeidigen Körpers war Edith Hellen durch eines im Herzen erlebten Pfingstens, können den srischgrünen Laubwald bergan gestiegen, auch wir nichts ohne den Heiligen Geist und Das dichte Unterholz hatte ihr bisher den Blick müssen mit dem Dichter bitten: O komm, du ins Tal verwehrt; nun aber, da sie auf eine Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein, ver- lichte Stelle des Hanges hinaustrat, lag die breite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Landschaft plötzlich in all ihrer sonnigen Len- Schein. Gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz zesherrlichkeit zu ihren Füßen. Mit einem Auf- und Lippen an, daß jeglicher getreuer den leuckuen des Entzückens schweiften ihre Augen Herrn bekennen kann. !über das liebliche Bild dahin, über die wald- ! gekrönten Hügel, die saftigen Wiesenmatten, WH Die lauen Lüfte wehen wieder, Erwacht ist Wiese, Wald und Feld, Die Lerche schmettert ihre Lieder, In Blüte steht die ganze Welt. Vom blauen Himmel lächelt nieder Der Sonne lichter, warmer Schein. Syringen duften, Veilchen, Flieder Aus Busch und Garten, Ried und Rain. In allen Menschenherzen singt es Voll Maienlust und -seligkeit, Und über Höh n und Täler klingt es: „Willkommen, schöne Psiugstenzeit —!" Lerla Stolz. jüber das anmutig gewundene Silberband des j Neckarflusses, bis zu dem bläulich verschwim- menden Höhenzug in der Ferne. Und nun sühltc sie kein Bedürfnis mehr, ihren einsamen Pfingstspaziergang noch weiter auszudehnen. Hier war ein Platz wie geschaf fen zum Rasten und zum Träumen. Hier hatte sie keine Störung durch lärmende Feiertays- ausflügler mehr zu fürchten. Die laute Fröh lichkeit der Menschen, die tief drunten auf dem Flusse oder auf der bequemen Straße vorüber zogen, drang kaum noch in einzelnen verwehten Lauten zu ihr herauf. Sie nahm ihrem Allein sein das Bängliche und Bedrückende, indem sie ihr die Empfindung weckte, daß sie doch noch nicht ganz losgelö't sei von der Welt, und sie klang doch nicht mit schrillem Mißtou in ihre sonntägige Herzensstille hinein. fKtt einen bequemen Ruhesitz an dem Herr lichen Aussichtspunkte hatte freilich noch kein übereifriger Verschönerungsverein gesorgt: aber auf deni weichen, duftigen Moose ruhte sich's ja auch hundertmal besser, und in der wohligen GewißlM des Unöelauschtseins streckte Edith ihre schlanken Glieder auf das üppige Polster, das Mutter Natur ihr so fürsorglich bereitet hatte. Sie sah wunderhübsch aus wie immer: aber in ihrem einfachen, hellgrauen Kostüm machte sie durchaus nicht den Eindruck einer jungen Dame aus den ersten Gesellschafiskrei sen. Viel eher hätte man sie für sine aus nehmend anmutige junge Buchhalterin halten können, die nach der harten Arbeit des Alltags die Köstlichkeit dieser festlichen Mußestunden mit doppeltem Behagen genoß. Die schlanken Hände unter dem Hinterkopf verschränkt, lag sie da und blinzelte mit halb zugekniffenen Augen in das smaragdene Blät tergewirr hinauf, das sie beschattete. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie sich vorstellte, mit wie enttäuschter Miene der, vor dem sie geflohen war, vielleicht eben jetzt die Kunde von ihrer Abwesenheit vernahm. Nicht die leiseste Empfindung des Mitteides regte sich in ihrer Seele. Wußte üe doch gut genug, was dieser von seinem Vater so diplomatisch fein angekündigte Besuch des weitläufigen und ihr persönlich ganz unbekannten Verwandten zu bedeuten hatte. Der Herr Doktor Bornmüller war für sie nur eine weitere Nummer in der langen Reihe derer, die bisher schon auf ihre Hand und vor allem auf das mit dieser kleinen Hand ver bundene große Vermögen spekuliert hatten. Und sie war dieser werbenden Huldigungen, die doch nur ihrem Reichtum galten, so überdrüssig, daß sie nur noch darauf bedacht war, ihnen aus dem Wege zu gehen. Aus der Großstadt hatte sie sich in das stillere Heidelberg geflüchtet, froh, daß in ihrer neuen Umgebung niemand etwas von dem Vorhandensein ihrer irdischen Güter wußte. Und daß dieser spekulative Vet ter dritten oder vierten Grades nun doch den Weg zu ihr gefunden hatte, legte ihr wahrlich nicht die Verpflichtung auf, ihn zu empfangen. Je schneller und vollständiger seine Hoffnungen in nichts zerflossen, desto besser war es ja je denfalls auch für ihn. Jede Freundlichkeit, die sie ihm als einem Verwandten pflichtschuldig hätte an den Tag legen müssen, würde ihn vielleicht in seinem Vorhaben ermutigt haben. Und gerade dos war es, was sie unter allen Umständen zu vermeiden wünschte.