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Hohenstein - brnstthaler Tageblatt AmtSbl-tt Nr. 98. Mittwoch, den 30- April 1913- Zweites Blatt. Deutscher Reichstag. Sitzung am 28. April. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärt Abg. Graf Westarp (Kons.): Abg. Keil hat in der Sonnabendsitzung von einen, Kalender unternehmen gesprochen, das mit einem durch unlautere Mittel erschlichene» Profit von 25 Prozent arbeite. Er hat die dahinter stehende Gesellschaft eine Gesellschaft mit beschränkter Moral genannt. Er kann nur aus ein Schrei ben Bezug genommen l>abe», in dem eine Druckereifinna aufgesordcrt morden sein soll, den Preis eines Volkskalendcrs fälschlich um 25 Prozent zu erhöhen. Er hat aus eine Ge- sellschrft hingewiesen, der neben anderen Mit gliedern außerhalb des Hauses auch Herr Erz berger und ich angchören sollen. Ein Schreiben der genannten Art war aber von unserer Gesell sci^aft weder ausgegangen noch veranlaßt wor den. Die Pretznotiz kann sich nur auf eine an derc Gesellschaft bezogen haben, mit der die unserige wegen Uebertragung des Kalenders verhandelt hat. (Hört! hört!) Wir selbst könn ten daher nur als Geschädigte in /trage kom men. Jede unmittelbare oder mittelbare Bc teiligung an dem Unternehmen ist für uns sahungsgemäß ausgeschlossen. Der Angriff ent behrt also jeder Begoündung. Tann wird die dritte Lesung des Etats fortgesetzt. Zunächst wird ein Antrag der Abgg. Schulz (Reichsp.), Graf Westarp (Kons.), Bassermann (Natl.) und Dr. Müller- Meiningen (Ppl.) aus Wiederherstellung der O st m arkenzula g e n für die Militärbe amten mit 179 Stimmen dös Zentrums und der Sozialdemokraten gegen 110 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen a b g e l e h n t. Zum Marine-Etat begründet Abg. Prinz Schönaich - Carolath (Natl.) einen Antrag aller bürgerlichen Parteien, mit Ausnahme des Zentrums, den in der zweiten Lesung gestrichenen Besoldungszuschuß für einen Departementsdirektor wieder herzuftellen. Der Antrag wird mit 150 gegen 112 Stimmen ab- aelehnt. Es bleibt also bei der Streichung. Beim I u st i z e t a t erklärt Abg. Dr. Lensch (Soz.): Der Reichskanzler hatte hier > r i i < i ß j s ! - ! f ! i t ! - i Kurungen vluge. ""v 01^ - —eue oer M sährlichkeit verwiesen werden mag, ist vollständig jgarns, dem seine Bundesgenossen treu zur Seite Oesterreich sagte bei der Forderung der Ent-^auftragte erschienen war Ein anderer Zupft /. von einem Artikel in der „Leipz. Volksztg." gesprochen, der eine Gotteslästerung enthalte. Ganz abgesehen davon, daß in der sozialdemo kratischen Preise Gotteslästerungen nicht zu fin den sind (Lachen), ist dem Reichskanzler bekannt gegeben worden, daß in der „Leipz. Volksztg." irgend etwas, worauf sich sein Vorwurf grün Set, nicht enthalten ist. Er hat in derselben Rede angedcutet, daß der Staatssekretär des ! Reichsjustizamts zu einem Gutachten ausgefor ssert worden sei, ob in diesem Artikel des sozial demokratischen Blattes eine strafbare Haltung enthalten und deshalb ein Strafverfahren ein- zulcitcn sei. Ich frage, ob der Staatssekretär des Reichsjustizamls zu diesem Gutachten auf gefordert worden ist. Staatssekretär Dr. L i S c o: Mir ist nichts davon bekannt, daß ein Gutachten über die Strafbarkeit eures Artikels der „Leipziger Volksztg." eingeforoett wurde. (Lebhaftes Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich weiß nur so viel, daß der Herr Reichskanzler durch den Unterstaatssekretär Wahnschaffe dem Herrn Dr. Lensch hat sagen lassen, daß es sich dabei nicht um die „Leipz. Volksztg." handelt, daß also ein Irrlum des Herrn Reichskanzlers vorliege. Ich bin nicht mit der Sache besaßt worden. Rach längerer abschweisender Debatte be anlragt Abg. Dr. Junck (Natl.), den in zwei ter Lesung gestrittene» sechsten Reichsanwalt wieder zu bewilligen. Der Antrag wird abge lehnt. Der Etat für die Schutzgebiete wird debattelos angenommen, ebenso der Etat des R e i ch s k o l o n i a l a m t s. Zum R e i ch s e i s e n b a h n a m t wer den verschiedene Beschwerden laut. Beim allgemeinen Fonds erklärt der sächsische Militärbevollmächtigte Freiherr Leuckart v. Weißdorf: Der Herr Abg. Erzberger hat vor einigen Tagen den Fall eines Stabsapothekers, der wegen Taubheit bezw. Schwerhörigkeit pensioniert worden war, erneut zur Sprache gebracht. Meinen Ausfüh rungen auf seine Beschwerde kann ich heute nur hinzusügcn, daß die Pensionierung des Stabs apothekers nach pflichtmäßigem Ermessen der vorgesetzren Behörde erfolgt ist. Im übrigen ^muß ich die Aeußerung des Abg. Erzberger, daß ich in meiner Erwiderung einen Kasernen ton angeschlagen Härte, entschieden zurückweisen. Vizepräsident Dove: Ich habe jene Be merkung des Abg. Erzberger neulich über de» Kasernenhof nicht in der Verbindung aufgefaßt, daß der Ton des Herrn Militärbevollmächtigte» als Kasermmtrm Hütte bezeichnet werden sollen, sonder» er sagte: Auf dem Kaserneuhose, da konme der Herr Militärbevollmächtigte sagen: Ich habe keinen Anlaß mehr, darauf ei»zu- gehem Das ist ei» Satz, wo das erlaubt ist. (Große Heiterkeit.) Aber aus seine» Worte» ging in keiner Weise hervor, daß er eine» Kasernento» hier im Reichstage mei»te. Abg. Erzberge r (Ztr.) bestätigt diese Auslegung seiner Aeußerung. Beim P o st e t a t bittet Abg. Schulz (Reichsp.) dringend um Annahme der O st- markenzulage in dritter Lesung. Staatssekretär Kraetkc unterstützt diese Bitte warm. Ter Antrag aus Wiederherstellung der Ostmartenzulage wird mit 176 gegen 10-1 Stim men bei zwei Stimmenthaltungen a b g e lehnt. Angenommen wird ein Kompromiß antrag, der den Posthilfsbeamten und nichtetat mäßige» Beamte» eine Aufbesserung ihrer Be züge bringt. Tie dritte Lesung des Etats wird zu Ende geführt und der Gesamtctat gegen die Summen der Sozialdemokraten a » ge » o m- m e n. Der Präsident setzt die nächste Sitzung auf den 2 st. Mai 2 Uhr (Petitionen) an. Er teil! mit, daß die Budgetkommission schon vorher zusammentrete» wird, dankt ihr für die Arbeit, die sie damit übernimmt, und wünscht dieser Arbeit allerbesten Erfolg. (Leb Hafter Beifall.) Sschlilchks. Burkhardtsdorf, 28. April. Der nach 12 Uhr nachts in Chemnitz abgehende, hier in der zweiten Stunde ankommende Automobil omnibus der Linie Chemnitz—Thum—Annaberg ist (wie bereits bekanntgegeben) in vergangener Nacht hier verunglückt. Als der von 25 Per sonen besetzte Kraftwagen beim Abtwalde in der Nähe der „Besenschänke" angelangt war, ver sagte, wie es heißt, die Bremsvorrichtmig und der schwere Wage» rollte auf der ziemlich steilen Landstraße rückwärts, kam dem liefen Straßen graben zu nahe und stürzte derart in den letz teren hinab, daß das Wagendach losgcschlagen und abgedeckt wurde. Dieser Umstand war »och als ei» verhältnismäßiges Glück zu bezeichne», da es aus diese Weise de» Insasse» möglich ivar, aus dem Wage» herauszukommen. Durch den Sturz wurde» schwer verletzt der Kraft Wagenführer Kreißig aus Geyer (komplizierter Schädelbruch), der Ziegelmeistcr Schmidthaniies ans Ehrenfnedersdorf (Beckenbruch und doppel ter Armbimch), der Posamentier Jammig aus Schletta» (12 Zemimer lange schwere Schnitt wunde am Kopfe) und der Ziegelarbeiter Friedr. Schock aus Ehrenfriedersdorf (kgpnpli- ziertcr Unterkieferbruch). Auch die übrigen In sasse» wurden fast alle verletzt, glücklicherweise aber mir leichter. Sie erlitte» Hautabschürfun gen, Schnittwunden oder dergl. Die st Schwer verwundeten wurden »ach dem Chemnitzer Stadtkrankenhaus übergeführt. Tas Gerücht, daß der Chauffeur gestorben fei, bestätigt sich crsreuliwerweise nichl. Die Frau des letztere» befand sich mit in dem verunglückten Wage», kam aber mit leichte» Verletzungen davon. Die UnglückSslätte bot einen traurigen Anblick, da der Kraftwagen vollständig zertrümmert ist und zwischen den Trümmerftücke» allerlei den Fahr gifte» gehörige Gegenstände, Hüte, Schirme re., umherlagen. Um die Herdeiholung von Hilfe uws um de» Transport der Verwundeten mach ten sich die Inhaber zweier zufällig hinzukom- meiider Privatautomobile (ein Chemnitzer und ei» IöhstäLter Herr) sehr verdient. EUaucha», 28. April. Beim Hinab fahren der Turnerstraße verlor der Seiler Schneider aus Werdau, als er zwei Motvrfah - rern ausweichen wollte, die Gewalt über sein Rad, suhr mit voller Wucht gegen das eiserne Tor des Gasthoss „Bayrischer Hof" und wurde dort besinnungslos aufgehoben. Auf Anordnung eines Arztes wurde der Verletzte ins Kranken haus geschafft, wo er an einem Schädellbruch daniederliegt. — Ans der Straße zwischen