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ihm gewann, und ich wiederhole diese War nung heute noch einmal mit ernstem Nachdruck. Der zweite Grund, weshalb ich das Wort er- grisscn babe, ist der, daß hier von verschiedenen Rednern ganz irrtümliche Darstellungen über die Entstehung der Wehrvorlage ausgesprochen wor den sind. Weder der Wehrverein hat die Vor läge veranlaßt, noch ist eine Kapitulation des Herrn Kriegsministers oder meiner Person vor dem Generalstab vorgekomnien. Meine Herren! Nus außerpolitischen und militärpolitischen Gründen babe ich mich im November v. I. von der Notwendigkeit überzeugt, neue Rüstungen für unsere Armee vorzunehmen. (Hon, hört!) Aus Grund dieser lleberzeugunz, die von dem Herrn Kriegsminister und von den« Ches des Großen Gcneralstabes geteill wurde, sind die Vorarbei ten in Angriff genommen worden. Daß wir dabei nicht sofort an die Öffentlichkeit getreten sind, nun, meine Herren, dafür werden Sie wohl Verständnis haben, aber der Entschluß stand damals fest, mrd dieser Entschluß ist ent standen aus dem Perantwortlichkeitsgefühl sür die Sicherheit unserer Zukunft. (Beifall.) Ich habe aus dem bisherigen Verlaufe der Ver handlungen de» Eindruck gewonnen, daß die große Mehrheit der Parteien dieses hohen Hau ses sich bei ihren kommenden Entschlüssen von den, gleichen Gefühl der Verantwortung leiten lassen will, daß sie es erkannt haben, welche große und ernste Bedeutung für Deutschland die Entschlüsse haben werden, die sie fassen wol len. (Beifall.) Nach einer perfönlichen Bemerkung des Abg. H a e u s l c r, die sich gegen die Ausführungen des bayrischen Militär-bevollmächtigten wenden, erklärt Generalmajor Wenningc r: Ich habe das Bedürfnis, im Namen des bayrischen Offi .zierkorps mein tiefstes Bedauern hier auszuspre chen, daß der Herr Abg. HaerrSler hier Worte gesprochen hat, die ihren Beifall nicht bei der eigenen Partei fanden, sondern auf der äußer sten Linken. (Großer Lärm bei den Soz.) Abg. Ledebour (Soz.): Ich mutz ent schieden Verwahrung einlegen gegen diese Vor haltung, die eine moralische Minderwertigkeit eines Abgeordneten darlegen sollte, weil er den Beifall nicht in seiner Partei gefunden habe. Das geht ihn gar nichts an. (Lebhaftes Sehr richtig!) Alle Parteien sollten aus Selbstgefühl mir hierin beistimmen. (Lebhafter Beifall.) Generalmajor Wenninger: Nicht als BundeSratsbevollmächtüfter, lediglich als bayri scher Offizier habe ich meine Ausführungen ge macht. (Großer Lärm.) Abg. Dr. Frank- Mannheim (Soz.): Die letzte Aeutzerung ist eine Illustration für die Anmaßung militärischer Kreise, die nicht davor zurückschreckl, sogar das Parlament zu perhor reszieren. (Vizepräsident Dove: Das oft nicht geschehen.) Aber versucht! Zum mindesten soll len seine Worte den Zweck haben, Herrn Hueus- ler als Mitglied des Hauses außerhalb des Hau ses Schwierigkeiten zu machen oder ihn in den Kreisen seiner Berufskollegen zurückzusetzen. Die sen Versuch, in die Selbstbestimmung des Par laments einzugreifen, weise ich zurück und appel liere an das Sel.stbewußtsein des ganzen Hau ses (Lebh. Bravo! und Rufe: Das Zentrum schweigt.) Die Debatte wird geschlossen. Die Wehrvor- lagc geht an die Bndgelkommisfion. Darauf beginnt die Generaldiskussion über die Deckungsvorlagen. Staatssekretär Kühn: Wir siird vor eine Aufgabe gestellt, wie sie in solcher Schwere noch nicht da war. Die Vorlagen der Hetzten Jahre forderten nur einen Bruchteil der jetzigen Sum men. Schon die einmaligen Ausgaben erreichen eine Höhe, wie wir sie bisher nicht gehabt ha ben. Außergewöhnliche Zeiten erfordern außer gewöhnliche Maßnahmen. Die verbürrdeten Re gierungen schlagen deshalb den einmali gen Wehrbeitrag von Prozent aus die Vermögen vor. Der Vorschlag mag über rascht haben. Er verliert das Ueberraschende bei näherer Erwägung. Eine Anleihe war ausge schlossen. Sie würde sich jetzt nicht rechtfertigen lassen. Man hat zwar gesagt, die Zwecke sollen der Zukunft zugute kommen, darum soll die künftige Generation ihren Anteil an den Aus gaben haben. Die Heeresverstärkung ist aber eine Forderung der Gegenwart. Aus wirtschaft lichen Gründen sind wir gegen jede Anleihe. Ein derartiges Vorgehen würde beim Ausland den Eindruck eines nur schlecht verhaltenen Staatsbankrotts machen. Ganz das Gegenteil sagt unser Vorschlag. Der Antrag Bassermann- Erzberger verlangt eine Besitzstener. Diesem Verlangen widerspricht der Wehrbcitrag nicht, aber mit ihm ist der Antrag noch nicht erledigt. Der Wehrbeitrag soll den Charakter einer Aus nahme haben. Die neue Steuer hat eine we sentlich andere Aufgabe als früher bewilligte. Sie soll wesentlich nur zur Deckung der militäri schen Aufgaben dienen. Für sie käme als direkte Steuer eine Vermögens- oder Erb schaf t s st e u e r in Betracht. Wir haben diese namens des Reiches nicht vorgeschlagen, weil diese Einnahmequellen ebenso wie die Einkom mensteuer den Bundesstaaten zrrr Erledigung ih rer eigenen Ausgaben gelassen werden sollen. Die Erbschaftssteuer verstehen wir in dem Sinne, daß die bestehende Steuer auf Kinder und Ehe gatten ausgedehnt werde, wie sie früher einmal von der Regierung vorgeschlagen war. Wir Ha ¬ ven davon abgesehen, einmal weil die Verhältnisse jetzt anders liegen, dann aber auch aus Grün-, den recht praktischer und nüchterner Art. Zu-' nächst wirkte der Wehrbeitrag hemmend. Ein Vermögen, das von einer solchen Abgabe be troffen war, kann man unmöglich unmittelbar nachher wieder besteuern. Wie wir es vorschla gen, ist es den verschiedenen Bundesstaaten mög lich, die geforderten Leistungen durch neue Zu schläge zu ihren Einkommen und Erbschafts- teucrn zu erheben. Ein Eingriff in das Steuer- jyslein der Bundesstaaten mutz vermieden wer den. Diesem Moment ist besonders Aufmerksam keit zuzuwenden. Eine Erhöhung der Abgaben braucht nicht damit verbunden zu sein, wenn sie auf das Reich übertragen werden. In gewissen Fällen können sogar Erleichterungen eintreten. Das vorgefchlagene Erbrecht erreicht lange nicht den Betrag einer Erbschaftssteuer. Die Erhöhung des Kriegsschatzes macht keine besonde ren Schwierigkeiten. Sie dient ebenso wie die Schatzanweisungen der Stärkung des Geldvorrats. Die Nachfrage nach kleinen Kassenscheinen ist sehr grotz. Einern vollen Ver zicht, wie ihn der Abg. Arendt vorgeschlagen hat, möchte ich nicht zustimmen. Ich sehe den Verhandlungen hier im Hause mit Ruhe errt- gegen. Man wird zugeben müssen, daß ich ver sucht habe, für eine der grötzten Ausga ben aller Zeiten Deckung zu schaffen, ohne an den Grundlagen unseres Finanzwesens und dem jöderativen Charakter des Reiches zu rütteln, und ohne den grundsätzlich ausgesproche neu Anschauungen der Parteien entgegenzutre ten, ohne Handel, Industrie und vor allem die breiten Massen in irgendeiner Weise mit neuen Steuern zu belasten, in einer Weise, wie es Wohl keiner von denen, die jetzt so herbe Kritik üben, überhaupt für möglich gehalten hätte. Jeh glaube doch, eine Basis gegeben zu haben, aus der, wenn auch nichts Vollkommenes, so doch etwas Befriedigendes nicht bloß geschaffen werden kann, sondern geschaffen werden mutz und geschaffen werden wird. Denn wenn wir nun einmal den Ausbau unseres Heerwesens erkannt haben, ar beiten wir, indem wir zu einer finanziellen Un termauerung die Steine fügen, doch noch immer an den» Ziel, das unser aller Herzen am nächsten steht, ari der Sicherheit, an der Wohlfahrt, an der Größe unseres gemeinsamen Vaterlandes. (Beifall.) Das Haus vertagt sich. Nächste Sitzung Donnerstag l Uhr. Weiterberatung. Mkueltks vom Lagt. * Vollstrecktes Todesurteil. In Dortmund wurde der 19jährige Schlosser Schweckendiek, der, wie erinnerlich sein dürste, im August 1912 gemeinschaftlich mit dem Ar beiter Bachmann an dem Schneidergesellen Le- farth einen Raubmord verübt hatte, hingerichtet. Der zum Tode Verurteilte war, seit ihm die Ab lehnung des Gnadengesuchs mitgeteilt worden war, völlig gebrochen. * Ein Ehepaar von der Loko- motive zermalmt. Ein Eisenbahnzug überfuhr in Odenspiel (Reg.-Bez. Köln) dis Landwirt Baumhofschen Eheleute. Der Mann blieb auf der Stelle tot, die Frau liegt im Sterben. * Studenten als Aushilfe beim B ä ck e r st r e i k. Bei einem Bäcker meister im Jsartorviertel Münchens treten wäh rend der Tauer des Bäckerstreiks jede Nacht 12 Kommilitonen seines studierenden Sohnes an, um werttätig beim Brotbacken zu helfen. Nach Schluß der Vorlesungen begeben sich die jungen Leute in die Backstube und arbeiten dort, wie der Meister stolz versichert:, sehr fleißig. * Kannibalismus f r a n z ö s i- s ch e r Sträfli n g e. Ani 6. Januar ent wichen, wie jetzt nach Paris gemeldet wird, vier Sträflinge aus dem Bagno von Saint Jean du Maroni (Französisch-Guyana). Sie hatten sich mit Brot und Konserven für mehr tägigen Lebensunterhalt und mit langen Hack Messern, die zuni Lichten des Urwaldgestrüpps bei den Zwangsarbeiten dienen, versehen, um eventuell gegen alle Gefahren gerüstet zu sein. Die Durchbrenner beabsichtigten, den Minen dislrikl von Mana an der Grenze von Hollän disch Guyana zu erreichen und von dort aus gesegnetere Himmelsstriche zu gewinnen. Als die Sträflinge acht Tage lang ini Urwalde verirrt umhergelausen und all ihre Vorräte verzehrt hatten, gerieren sie in harte Bedrängnis. Einer von den vieren, Macheval, war bereits so schwach vor Hunger und Strapazeri, daß er in einer aus Zweigen hergestellten Hütte zusammenbrach. Seine drei Kameraden, die selbst vom Hunger gepeinigt wurden, überlegten eine Weile, dann stürzten sie sich mit ihren Messern auf den un glücklichen Kameraden und schlugen ihn nieder. Der Verwundete suchte zu fliehen, wurde aber bald eingeholt und erhielt den Gnadenstoß, wo rauf man ibn häutete und die besten Stücke — wie die Leute nachher selbst sagten — an einem Feuer brieten und verzehrten. Tiazs daraus nahm man noch einen Vorrat von dem Fleisch mit und suchte von neuem nach einem Reise ziel. Endlich kam man in Mana an, gewann auf dem Fluß gleichen Namens die Küste, wo die unterwegs gestohlene Barke jedoch kenterte. Die drei Leute wurden ergriffen und wieder nach dem Bagno gebracht, wo sie demnächst wegen „Menschenfresserei" abg errr teilt werden sollen.