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03-Drittes-Blatt Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 23.02.1913
- Titel
- 03-Drittes-Blatt
- Erscheinungsdatum
- 1913-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-19130223034
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-1913022303
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-1913022303
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-02
- Tag 1913-02-23
-
Monat
1913-02
-
Jahr
1913
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Abg. Blunck (Vp.) bedauert die Erhö Stadt ein gezogen. beitsverhältnisse gesorgt werden. Eine einheit- Herstellung des Lokomottvpersonals ein. liche Ausgestaltung des Eisenbahnwesens werde Präsident Wackerzapp betont, daß un- große Vorteile bringen. Die Konkurrenz, die ter dem Verkehrswettbewerb der verschiedenen nete an, daß alle unter Madero Gefangenen in Eisenbahnverwaltungen das Verkehrsinteresse k-i sich Staaten wie Bayern, Württemberg und Ba ¬ stätigung. Am 19. Februar gingen die Trüm- Landge Napoleons Seite kämpfen mutzte, über die Oder. wird geschrieben: Deuben bei Dresden mit iiber 11000 Ein- dann nach Reiterei zuerst nach Plauen i. V Regensburg lind später im April iiber Lindau Es fehlt an Be ¬ ist bei den Eisen- politisch geeinten Deutschland von 1871 muß werden. lichen Ertüchtigung der Jugend gipfeln, und des näheren dargelegt, datz seitens einzelner Sports gruppen in der Wahl der Mittel zur Erlangung dieser Ertüchtigung weit iiber das Ziel hinaus geschossen wird. Die deutsche Turnerschaft müsse ihren nicht geringen Einfluß dahingehend auf- Freiheit gesetzt würden. Die Anhänger Crozcos haben Huerta im Interesse des Lmrdes aner kannt. kommen werden, welche bis zum 30. Juni - 6 Jahre alt werden. Beizubringen sind für alle Kinder der Impfschein, für die auswärts Ge borenen außerdem die standesamtliche Geburts urkunde mit pfarramtlicher Taufbescheinigung. — Penig, 21. Febr. Die Stadtverordne- Egidien, 22. Febr. Die Anmel- Ostern 1913 schulpflichtigen Kinder neswegs gelitten habe. Abg. Fischer-Hannover (Soz.), verlangt auch für alle Eilzüge Wagen 4. Klasse. Der Etat wurde erledigt. Schluß gegen 6 Uhr. — Nächste Sitzung: Dienstag 1 Uhr: Wahlpriifungen, Petitionen. nach Prag. — Deutsches Turnen. Abg. H a c h n l c (Vp.) fordert die gesetz auch ein wirtschaftlich geeintes Deutschland fol liche Regelung der Arbeitsverhältnisse des Ei- gen. (Beifall.) — Chemnitz, 21. Febr. In der letzten sonal ist vermehrt worden, die Arbeitszeit verringert. In der Frage der Vereinheitlichung des deutschen Eisenbahnwesens ist keine Aende- rung eingetreten. Die beteiligten Bundesstaa ten, die Regierungen und die Volksvertretun gen haben ibre frühere ablehnende Stellung nahme beibehalten. Eine Denkschrift, wie sie der Reichstag verlangt, könnte nichts Neues brin gen. Es können auch nicht von der Reichsregie rung Richtlinien aufgestellt werden zur Verein- beitlichung, die in ihren Grundsätzen geradezu im Widerspruch zu den Ansichten der maßge benden Bundesstaaten stehen würden. Die mi litärische Leistungsfähigkeit der Bahnen ist un ter allen Umständen gesichert. Abg. Graf Kanitz (Kons.): Wir haben den machten, sei ganz unnötig und schade dem Verkehr. Eino Betriebs- und Finanzgemein schaft sollte doch mindestens möglich sein. Der Leiter des Reichseisenbahnamts, Prä sident Wackerzapp: Die Lohn- und Ar beitsverhältnisse seien interne Angelegenheiten der Verwaltung und der Landesaufsichtsbehörde und gehören nicht hierher. Die Betriebssicher heit der deutschen Eisenbahnen ist sehr günstig. Vom hessisch-preußischen Eisenbahnvertrag hat Hessen den größten Vorteil. Die Eisenbahnein nahmen sind für Hessen ein Eckpfeiler des Staatshaushalts geworden. Das hat der hes sische Finanzminister selbst erklärt. Eine gesetz liche Regelung der Dienst- und Ruhezeit der Beamten ist nicht nötig und auch nicht zweck mäßig, weil ausreichende Bestimmungen dar über bestehen. Die Dienstvorschriften werden weiter fortgebildet und einheitlich für alle deut- meinden Sachsens mit bestraft werden, daß Eßwaren, die die Käu fer in der Hand hatten, einfach nicht mehr zurückgenommen, sondern als gelaust betrachtet werden! — Wichtig für Schuhmacher, meister ist folgende Mitteilung: Im Schuh machergewerbe kommt es nicht selten vor, daß zur Reparatur gegebene Schuhe lange Zeit sich in der Werkstatt herumtreiben, ehe sie wieder ab geholt werden. Wochen und Monate gehen manchmal darüber hin, und der Meister, der so gerne seinen Lohn für geleistete Arbeit haben möchte, muß sich in Geduld fassen und eben abwarten; keinesfalls darf es aber so gemacht werden, wie es ein 35 Jahre alter Schuhmacher Max Th. tat. Dieser hatte Ende Januar 1912 von einem Geschirrfährer ein Paar Schaft- stiefel zum Besohlen erhalten. Als diese im September noch nicht abgeholt waren, verkaufte er sie an einen Maurer und zwar für 2 Mark. Ende Oktober kam nun der Eigen- ümer — er hatte inzwischen 5 Monate Gefäng nis verbtißt — und forderte seine Stiefel. Als er den Sachverhalt erfuhr, erstattete er Anzeige, und nun wurde der Schuhmacher vom Schöffen gericht wegen Unterschlagung zu 10 Mark G e l d- Das Königreich Sachsen hat 3034 Landgemein den, davon zählen 47 über 5000 Einwohner. Außerdem bestehen 1222 selbständige Gutsbezirke. Die acht größten Landgemeinden sind: Oelsnitz i. E. mit über 16 200 Einwohnern, Schönefeld bei Leipzig mit 14 900 Einwohnern, Nieder- Kanitz mit 12 400 Einwohnern, Leutzsch mit 12 350 Einwohnern, Oberplanitz mit 12 300 Einwohnern, Neugersdorf mit 11 600 Einwoh nern, Radebeul mit 11 400 Einwohnern und träfe verurteilt. — Neber die größten bieten, datz den Auswüchsen in der! Sportbetätigung unserer Jungen und ten beschlossen die Einführung der Einheits- Jüngsten g e st e u e r t werde. > schule mit den Zielen der mittleren Volksschule. — Eßwaren soll man in Läden nicht! _ . Es wurde ihm ein senbahnpersonals. Der Dienst wachse ständig. j l „ ... begeisterter Empfang zuteil. Huerta Da müsse im Interesse des Verkehrs und der chung des Tarifes für Mischsutter. wohnte der Besichtigung der Truppen bei und Angestellten für eine bessere Regelung der Ar-! Abg. Werner (Rp.) tritt für eine Bef tauschte mit Diaz Glückwünsche aus. Er ord- beitsverhältnisse gesorgt werden k-s -in Nur wenige sahen ihr Vaterland wieder. In folge des drohenden Nahens der Russen setzte König Friedrich August der Erste von Sachsen am 23. Februar eine Regierungskommission in Dresden ein, die aus dem Konferenzminister Freiherrn v. Globig, den Freiherrn o. Man teuftei und v. Ferber bestand. Der König ließ Gehälter und Pensionen aus 6 Monate voraus zahlen und begab sich am 25. Februar mit den Kabinettsministern, einem Teile der geheimen Kanzlei, der Garde und einigen Regimentern an fassen! In den meisten Lebensmittel-!Sitzung der Stadtverordneten wurde die Rats- geschäften hängen Schildchen mit der Aufschrift: Vorlage wegen Ueberlassung von Gelände an „Bitte die Waren nicht ansassen." Leider wird > die „Allgemeine Baugenossenschaft für Chemnitz diesem Wunsche nicht immer entsprochen. Die und Umgegend" in Erbpacht mit 26 Stimmen Inhaber von Lebensmittelgeschäften können beägegen 22 Stimmen abgelehnt. stätigen, daß gar manche Kunden Eßwaren inj — Oberwiesenthal, 21. Febr. Der Ver- die Hand nehmen, sie kritisch betrachten, nach kehrsverein Fichtelberg- und Keilberg-Gebiet teilt allen Seiten befühlen oder gar beriechen, um init, daß sämtliche Gäste des abgebrannten Ho- sie dann wieder wegzulegen. Ein solches u n - tels „Stadt Karlsbad" in den arideren zum appetitliches Verfahre ir müßte da- Teil neuerbauten Hotels und Gasthöfen von Lande das Leben und Eigentum aller Fremden mit unserem Staatseisenbahnsystem ein schweres zu schützen. Sollten Reichsangehörige Schaden, Risiko auf uns genommen, aber wir haben auch erleiden, so wird die mexikanische Regierung er-! viel sparsamer gebaut als die anderen Staaten, satzpflichtig gemacht werden. Im übrigen be Mun seblägl man uns eine Betriebsmittelge wahren wir die notwendige Zurückhaltung, die i meinschaft vor. Wie will man das berechnen? gegenüber den inneren Vorgängen fremder Staa- Achnlich sind die Schwierigkeiten auch bei einer — St. Schuldiret- düngen der Lschlilches. Hohenfteln-Krnftthal, 22 Februar t913. — Mitte Februar im Jahre 18 13 drangen nach Sachsen immer lauter die Meldungen vom Heranrücken russischer Heeres teile, die den aus Rußland fliehenden Resten der großen Armee Napoleons fast auf dem Fuße folgten. Damit erhielt auch die Furcht, daß Sachsen wohl gar der Schauplatz blutiger Sze nen werden könne, von Tag zu Tag mehr Be- Die Beratung des Etats für das Palmen das fiskalische Interesse maßgebend. R e i ch s e i s e n b a h n a m r wird fortgesetzt. Der Finanzminister ist durchweg Gegner des Abg. Schwabach (Natt.) verlangt end Verkehrsminffters. liche Regelung der Dienst- und Arbeitszeit der! List (Natl.): Der Gedanke der Gin- Arbeiter. Ein Staatsarbeitsrecht wäre ange deitlichkeit des deutschen Eisenbahnwesens ist ein brächt. Notwendig wären Richtlinien für ein so gesunder und so nationaler; er hat einen io einheitliches deutsches Eisenbahnfystem. Der gewaltigen Inhalt, daß er seinen Weg machen Redner tritt für Uebertragung der Eisenbahnen s wird. Preußen wird aber die Initiative ergrei- auf das Reich ein. Selbstvelftändlich dürfe den fen und fick) auf seine nationale Pflicht besinnen Einzelstaaten damit nicht das finanzielle Rück müüsen. Ein einheitliches Bahnsystem würde grat gebrochen werden. Sie müßten entschädigt Huch ju Kriegszeiten gute Dienste leisten. Dem ior Housek in Chemnitz hat gelegentlich einer werden Montag, den 24. Februar 1913, nach- größeren turnerischen Tagung daselbst aus die'mittags 4 Uhr im Schulzimmer der Kirchschule Berührungspunkte zwischen Schule u n d'entgegengenommen. Schulpflichtig werden alle Turnverein hingewiesen, die in der körper-Kinder, welche bis Ostern d. I. des 6. Lebens jahr vollenden, doch können auch solche aufge- ten beobachtet werden muß. Für den Schutz Güterwagengemeinschaft. unserer Landsleute und für die Wahrung unH Abg. Stolle (Soz.): E» u» Tr serer Interessen werden wir aber jederzeit nach- triebsmitteln nicht nur in Westfalen, überall, drücklichst eintreten. (Beifall.) fim ganzen deutschen Reiche Deutscher Reichstag. Sitzung am 21. Februar 1913. Die Abgg. Bassermann und R i ch t- Hofen (Natl.) fragen an, welche Maßnah men zum Schutz der Deutschen in Me xiko seitens des Reichskanzlers erfolgt sind. Staatssekretär des Auswärtigen v. Ia - gow erwidert: Erfreulicherweise ist kein Reichs angehöriger den Kämpfen in der Stadt Mexiko zum Opfer gefallen. Nur ein einziger Deutscher, der trotz eindringlicher Warnungen in den Stra ßen photographische Aufnahmen machte, ist leicht verwundet worden. Gleich nach den er sten Meldungen von den Unruhen haben wir unseren Gesandten beauftragt, gemeinschaftlich mit dem diplomatischen Korps und der Bot schaft der Vereinigten Staaten von Amerika die nötigen Schritte zum Schutze unserer Lands leute zu tun. Es wurde versucht, die Kämpfe zu lokalisieren und die Stadtteile mit den Frem denkolonien von den Kämpfen auszuschließen. Das toar leider nicht ausführbar. Unser Ge sandter hat dann einen 24stündigen Waffenstill stand erwirkt, während dessen die Reichsangehö rigen Gelegenheit hatten, sich aus der Gefah renzone in eine sichere Vorstadt zu begeben. Auf der ostamerikanischen Station befindet sich zur zeit nur das Kriegsschiff „Bremen", das mor gen zu leider unaufschiebbaren größeren Repa raturen in Philadelphia eintrifft. Das Schiff konnte daher nicht nach Veracruz gesandt wer den. Die amerikanischen Schiffe in mexikanischen Gewässern sind angewiesen, als Zufluchtsstätten, für alle Fremden zu dienen und auch auf dem j schen Bahnen gemacht. Sie bringen für das > v- „ .- , Personal weitere Erleichterungen. Das Per- A?r ^s sächsischen Heeres, das bekanntlich auf liche Verhöre zu bestehen haben würde, ließ sie davon ab. „Ich glaube ohnehin, daß dem erbärmlichen Wicht die Lust zu solchen Attacken vergangen sein wird; ich bin nicht eben sanft mit ihm nm gegangen", sagte Nikita mit blitzenden Augen. Eine Stunde leistete er Maria Petrowna Gesellschaft, und als er ihr fügte, daß er am nächsten Tage Petersburg wieder verlassen müsse, bedauerte sie es lebhaft. „Wie schade, lieber Nikita, daß Sie immer nur auf kurze Zeit hier anwesend sind, Ich freue mich immer so sehr, Sie zu sehen." „Und ich würde gern jeden Tag zu Ihnen kommen, Durchlauchtigste Tante wenn ich nur könnte", erwiderte er; und sein Blick flog über das Weiße Haupt der Fürstin hinweg zu Sonja hinüber. So war nun Sonjas Hcrzensfchickfal, wie das ihrer Mutter, in diesem Hause entschieden worden. Aber Nikita Arganoff war ein anderer Charakter, als Sasctia Kalnoky. Alerander hatte zu den Menschen gehört, derer, Liebe sich keinem Gesetz, keiner Vernunft beugt und die mit ihren Gefühlen ohne Besonnenheit sich in Tod und Verderben stürzen, wenn ihnen Hindernisse eni gegenstehen. Anders Graf Arganoff. Er besaß die sitt liche Kraft, fich zuni Verzicht zu zwingen; und das Zeichen feiner größten Hochachtung)für Sonja >var, daß er ihr eine gleiche sittliche Kraft zu traute. Er gehörte zu den Menschen, die mit einem wunden Herzen aufrecht durchs Leben ge hen können und die den Mut der Entsagung haben, wenn ihnen das Schicksal nicht den heißen Wunsch des Herzens erfüllt. Daß Sonja wußte, daß nur Aeußerlichkeiten ihn von ihr trennten, hatte er in ihren Augen gelesen. Und er freute fich ihrer Tapferkeit. Daß sie einander verstanden, bewies ihn, auch ihr Abschiedsblick, als er sich entfernte. Wie er ihre schonen, klaren Augen liebte, diese dunklen, lebensvollen Augen, in denen zu weilen warme Goldsunken aufleuchteten, wie der Helle Schein einer hochgesinnten Seele! In Ge danken versunken, schritt er nach den, bescheide nen Hotel, in dem er in Petersburg Wohnung zu nehmen pflegte, lind er dachte daran, in Zukunft nicht mehr so oft dem Zug seines Her zens zu folgen. Er wollte sich möglichst von Sonja fern halten, nm sich und ibr Kämpfe zu cr sparen. Am nächsten Morgen reifte er ab. Donja blieb zurück mit den, Bewußtsein, daß sie das höchste Glück und das tiefste Leid ihre« Lebens erfahren hatte. Aber mutig, wie es Nikita Arganoff von ihr erwartet hatte, be zwang sie sich. Es galt, dem Leben andere Werle abzugewinnen, die ihr nicht so unerreichbar waren, als die Vereinigung mit dein Manne, den sie liebte. Zunächst ging sie wenig aus, auch die Begleitung des Dieners schien ihr kaum zureichend als Schlitz gegen einen Menschen, der nicht einmal vor der Schutzlosigkeit einer Frau Achtung batte. Die Fürstin tröstete sie lächelnd. „Warten Sie nur noch wenige Wochen, lie bes Kind, daun gehen wir nach Schloß Kalnoky. Sobald der Frühling sich regt, siedeln wir über. Dort haben Sie im Park und Wald so viel Be wegungsfreiheit, als Sie nur wünschen können. Und dort kommt Ihnen gewiß kein frecher Pa tron zu nahe." Sonja hatte aus diesen gütigen Worten vor allem berausgehört, datz die Fürstin „liebes Kind" zu ihr sagte. Dies geschah zum erstenmal, und es erfüllte sic mit heimlichen Stolz, als wäre tyr eine große Auszeichnung zuteil ge worden. Wirklich kam Maria Petrowna der jungen Dame immer vertraulicher entgegen. Es ge schah zum erstenmal, daß sie zwischen sich und einer Untergebenen die Grenzen in dieser Weite Venvnchä. Fast zärtlich waren zuweilen die Go fühle, die sie fiir Sonja hegte. Das kam nicht nur dadurch, daß Sonja beständig um sie war und ihr mit einer geradezu rührenden Ergebenheit diente. Auch nicht dadurch allein, daß Sonja ihrer Tochter ähnlich sah. Es war noch etwas Anderes, Rätselhaftes, Umaßbares, was diese beiden Frauenherzen zu einander zog. Oft mußte sich Macia Petrowna Zwang antun, daß sic nicht liebkosend über das gold- flimmcrnde Haar strich, oder Sonja sonst etwas Liebes tat. * * * Gleich nach Ostern siedelte die Fürstin nach Schloß Kalnoky über. Sonja freute sich wie ein Kind, als sie das erste Mal ungehindert den herrlichen Park durch streifen konnte. Und jeden Tag verschaffte sie sich dieses köstliche Vergnügen. Die Fürstin verließ im Anfang, so lange es noch kühl war, ihre Zimmer wenig. Eine kleine Morgenpromenade durch den sonnigsten Teil des Paries, das war alles, was sie sich ih res Knieleidens wegen gestatten durfte. Erst als cs wärmer und sonniger wurde, hielt sic sich mehr im Freien aus. Jni Winter hatte sie oft tagelang den Lehnstuhl nicht verlassen können. Von großem Interesse war Sonja das Herr liche, alte schloß mit seiner ganzen Einrichtung. Großes Vergnügen machte es ihr, die Nhnen- galerie zu besuchen. Hier waren noch viel mehr Bilder zu sehen, als in dem großen Festsaal im Petersburger Palais. Drollige Zwiegespräche hielt sie mit den würdigen Vorfahren der Kal- nokys, wenn sie langsam und allein durch die Galerie schritt. Sie hatte bald ihre besonderen Lieblinge unter dieser stummen Gesellschaft. Da Ivar das Bild einer sehr jung gestorbenen Für stin Nätasche Kalnoky, deren zarte Lieblichkeit ihr rührend erschien, und dann das Bild eines etwa vierzehnjährigen Knaben. Dieses hing als letztes in der Reihe, neben dem stolz und klug anstehenden Fürsten Iwan, dem Gatten ihrer Herrin. Unter diesem Knabenbildnis stand auf einem Täfelchen: „Alexander Kalnoky" und fer ner der Geburtstag und Todestag. Sonja hatte sich ausgerechnet, daß dieser letzte Fürst Kalnoky in einem Alter von neun- nndzwanzig Jahren gestorben sein mußte. Etwas in diesem lachenden, sonnigen Kna- bengcsicht fesselte sie, wie eine unklare Erin nerung; und dann stellte sie eines Tages sest, daß es dem Gesicht der Fürstin Tatjana Soga- reff glich. Auch diefc war fiir die Ahnengalerie por trätiert worden, so wie sie am Tage ihrer Ver lobung mit Wladimir Soggreff ausgesehen hatte, mit dem weißen Kleid und den Perlen im schwar zen Haar. Immer wieder mutzte Sonja diese beiden Geschwister vergleichen. Am meisten gefiel ihr aber doch der Knabe. Und ihr Herz verriet ihr nicht, daß sie vor einem Jugendbildnis ihres Vaters stand. Wie hätte sie auch denken können, daß der ernste, stille Mann, als den sie ihren Vater immer ge kannt hatte, init diesem übermütig lachenden Knaben identisch sein konnte. Alexander Rosch now hatte wenig mehr von Alexander Kalnoky gehabt. Gern hätte sic ein späteres Bild von dem jungen, verstorbenen Fürsten gesehen, und ein mal fragte sie die Kammerfrau der Fürstin, ob ein solches vorhanden sei. Diese sagte ihr jedoch, daß wohl eine Menge Photographien von ihm existierten, doch diese habe die Fürstin alle in ihrem Schreibtisch ein geschlossen, seit damals die Trauerkunde von Deutschland gekommen. „Welche Trauerkunde?" fragte Sonja. „Nun, von dem Tode des Fürsten Alexan der. Auf einer Reise nach Deutschland war er in einem See ertrunken und seine Leiche hat man nie gefunden." Sonja hätte fast laut aufgeschrien. Sie dachte an den See in R . . . . und an die Gruppe der Barniherzigkeit, die an seinem be waldeten Ufer aufgestellt war. Ganz blaß wurde sie vor Erregung. Kein Zweifel — sie war durch einen Zufall zu der Mutter jenes Fürstensohnes gekommen, der sei nen Tod in dem ihr so gut bekannten See ge funden hatte. Sie starrte fassungslos in das Ge sicht der Kammerfrau. „Ertrunken? Und seine Leiche hat man nie gefunden", wiederholte sie mechanisch. „Ja, so ist es, Fräulein Roschnow. Aber bitte, erwähnen Sie Ihrer Durchlaucht gegenüber nie ein Wort davon. Der Nams des Fürsten Alexander darf hier im Hause nich' genannt wer den, am wenigsten vor Ihrer Durchlaucht." Sonja stand noch lange vor dem Knaben- bildnis, nachdem die Kammerfrau sie verlassen hatte. Sie zweifelte keinen Augenblick, datz es Alexander Kalnoky gewesen war, der sich in je nem See selbst ertränkt hatte. Hier schien nie mand eine Ahnung davon zu haben, daß er freiwillig aus dem Leben geschieden war. Ob es die eigene Mutter wußte? Man hatte es doch sicher den Eltern gemeldet, und diese hatten es geheim gehalten. Also deshalb trug wohl ihre Herrin noch immer schwarze Kleider, deshalb wohl sah sie oft so gramerfüllt und düster vor sich hin. Und wieder wie damals, als Sonja mit ihrer Mut ter vor der Marmorgruppe der Barmherzigkeit gestanden hatte, fragte sie sich, weshalb Wohl die- er junge Fürst das schöne Leben von sich ge worfen hatte. Zugleich beschloß sie aber auch, gegen kei nen Menschen, am wenigsten der Fürstin gegen über, zu verraten, datz sie von dem Selbstmorde des jungen Fürsten etwas wußte. Wie gut, datz ie noch nie jenes Sees und jener Marmorgruppe Erwähnung getan und auch nicht davon gespro chen hatte, daß ihre Verwandten in R wohnten. Vielleicht wäre dadurch ihre angeneh me Stellung gefährdet worden. Sicher aber hätte ie damit bei ihrer gütigen Herrin eine Wunde lerührt. „Der letzte Kalnoky", hatte die Kammerfrau den jungen Fürsten genannt. Und dann hatte ie ihr gesagt, daß die Söhne der Fürstin So- garesf vom Zaren ermächtigt worden waren, ih rem Namen den Namen Kalnoky zuzufügen, da mit dieser nicht aussterbe. (Fortsetzung folgt.)
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