Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 02.02.1913
- Erscheinungsdatum
- 1913-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-191302027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19130202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19130202
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-02
- Tag 1913-02-02
-
Monat
1913-02
-
Jahr
1913
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 02.02.1913
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Privatforsten angerichtet haben, traten heute vor mittag Schnee st ürme ein, die dest Straßen verkehr hemmen und Zugverspätungen aus den Waldbahnen zur Folge haben. Hirschberg (Schles.), 31. Jan. In der letzten Nacht tobte ein gewaltiger Schneesturm, der zahlreiche S ch n e e v e r w e h u n g e n im Gefolge hatte. Auf Bahnhof Merzdorf der Strecke Breslau—Hirschberg hat der Sturm schweren Schaden angerichtet; er warf die Signalstangen um und machte die Weichen unbrauchbar. Jn- solgedessen mutzte der Verkehr aus der Strecke Hirschberg—Ruhbank heute früh vollständig e i n- ge stellt werden. Der Verkehr Hirschberg- Breslau wird überSchmiedeberg—Landes Hut ge leitet. Der Zeitpunkt der Verkehrsaufnahme ist unbestimmt. Auch im Jeschken- und Isergebirge wütet ein furchtbarer Schneesturm. Jeder Verkehr ist beinahe unmöglich. Die Hochgebirgs- dörser sind vollständig e i n g e s ch n e i t. Der Schneesturm dauert an. Gottesberg (Schlesien), 31. Jan. Ein furchtbarer Orkan tobt seit der letzten Nacht im Waldenburger Berglande. Alles, was nicht genügend Widerstand leisten konnte, wurde umgeworfen. Eine Menge Dächer nebst Dachsparren und Ziegeln wurden aus die Stra- tzen geworfen und starke Balken wie Streichhöl zer geknickt. Bei den Schlesischen Kohlen- und Kokswerken wurde ein dreißig Meter hoher Schorn st ein umgeworfen. Der Tele phonverkehr ist gestört. Die Drähte liegen auf der Straße. Von der Farbenfabrik Griesdors u. Rabe in Reichenbach-Oberlausitz wurde das Dach abgedeckt und etwa 100 Meter weit geschleudert. Dio Fabrik mutz ihren Betrieb für kurze Zeit unterbrechen. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Flensburg, 31. Jan. Der Kreuzer „Augsburg" ist, bei einem Südoststurm aus dem Sonderburger Hafen Hinausgetrieben wor den und am westlichen Ufer aufgelaufen. Den Anstrengungen großer Marineschisfe gelang es, den Kreuzer flott zu machen, der darauf in See ging. * Nächtlicher Kampf mit Ein brechern. In Zabrze hat sich nachts ein schwerer und blutiger Kampf der Polizei mit Einbrechern abgespielt. Die Schutzmannschaft hatte Kenntnis davon erhalten, daß eine Be raubung des Bureaus der Oberschlesischen Koks- weicke ausgeftihrt werden sollte. Sie ließ durch mehrere Beamte das Lokal bewachen. Tatsäch lich wurde der Einbruch von drei Spitzbuben unternommen, durch das Dazwischentreten, der Beamten aber verhindert. Die Einbrecher flüch teten und schossen auf die Beamten, die gleich falls von den Schußwaffen Gebrauch machten. Bei dem sich entwickelnden Feuergesecht wurde einer der Täter erschossen. Er heißt Mika und stammt aus der Umgebung von Zabrze. Ob er durch das Geschoß eines Beamten oder eines Komplizen verletzt wurde, ist noch nicht festgestellt. Ein zweiter Räuber, der sich Schiwerda nennt, wurde sestgenommen. Bei ihm wurden Waffen und Diebeshandwerkzeug gesunden. Der dritte Genosse konnte noch nicht verhaftet werden. Er soll früher Gastwirt in Beuthen gewesen sein. * 300000 Liter Wein versie gelt. In den Kellern der Firma L. Meyer in Neustadt (Hardt) sind durch die Kellerkontrolle 300 000 Liter Wein versiegelt worden. * D e r e n t s ch w u n d e n e K a s s i e - rer und die Kaisergeburtstags feier. Ein „theatralischer Verein" in Halle (Saale) wollte Kaisers Geburtstag mit besonde rem Pomp durch ein Festmahl feiern. Würdig wurde dasselbe in einem Restaurant vorbereitet, und pünktlich erschienen die Mitglieder. Al!s es zur Tafel ging, fehlte nur noch ein Mitglied, und zwar das wichtigste, nämlich der Kassierer, dem später das Amt des Zahlens obliegen sollte. Der erste und zweite Gang waren aufgetragen, und der ersehnte Mann fehlte noch immer, bis es dem Vorstand schwül und heiß wurde und er von Angst gefoltert in dessen Wohnung eilte. Doch diese war verschlossen. Am anderen Tage konnte der trauernde Verein erfahren, daß sein Kassierer mitsamt der Kasse bei Nacht und Ne bel verschwunden war. * Ein Aufsehen erregender Doppelselbstmord ereignete sich in Werne bei Langendreer. Der evangelische Pastor Luther und der init ihm befreundete Gutsbesitzer Grotzebrauckmann wurden im Studierzimmer des Pastors erschossen aufgefunden. Großebrauck- mann, der früher sehr reich war, lebte in den letzten Jahren in dürftigen Verhältnissen. Er soll durch Luther zu Spekulationen veranlaßt worden sein, wobei beide ihr Vermögen ver loren. * Folgen der Kälte. Aus Gablonz (Böhmen) meldet man: Infolge der enormen Kälte ist in Gablonz der Damm des Hilidc- brandteiches geborsten. Der Bahnhof, zahlreiche Straßen, Wohnungen und Werkstätten wurden überflutet. Auch Personen schwebten in Lebens gefahr. Der Schaden ist groß. * Raubansal l. In Paris überfielen in der Nie Dauphine zwei Burschen einen Kas senboten einer großen Kreditanstalt lind raubten chm die Handtasche mit 55 000 Francs. * Mysteriöser Frauenraub. Aus Neapel wird solgender romantischer Vorfall gemeldet: Ein deutscher Maler namens Hermann Weil erstattete der Neapeler Polizeidirektion die Anzeige, seine Frau Helene wäre von zwei Ma trosen eines nach Genua abgegangenen, angeb lich deutschen Dampfer? geraubt worden. Unter welchen Umständen der Raub geschah, kann Weil nicht sagen. Er frühstückte nach seinen Angaben mit seiner Frau in einer Bar am Hafen, als je mand ihn dringend herausrief. Bei der Rück kehr des Malers war die Frau verschwunden. Zeugen sagten aus, daß die Frau, als sie auf- gefordert wurde, den Mattosen zu folgen, sich gesträubt hätte. Darauf nahmen sie die Männer unter die Arme und führten sie gewaltsam nach der nahen Landungsbrücke und an Bord des Dampfers, der dann sogleich nach Genua in See stach. * Löwe, Tiger und Leopard beim K o st ü m f e st. Aus Rom, 31. Januar, wird berichtet: Bei einem Kostümfest erschien gestern die Fürstin Borghese auf einem Streit wagen, der von einen, Löwen, einem Tiger und einem Leoparden gezogen wurde. Die Tiere wurden durch die zahlreichen Gäste und die Licht fülle erschreckt und drohten die Gäste anzufallen. Nur mit Müh- brachte man sie aus dem Saale. (??) * Die kälte ft e Temperatur seit Jahrhunderten. Aus Medekpad (Nord schweden), 31. Januar, schreibt man: Die Tem peratur ist hier anfangs dieser Woche auf —43 Grad Celsius zurückgegangen, die kälteste Tem peratur, die seit Jahrhunderten in Schweden zu verzeichnen war. * Eine eigenartige U in schrei- bung der Jahreszahl 1913 gestattet sich ein Artist, der bei einer Berliner Firma eine Bestellung aufgab, die er bis zum 1. Fe bruar 1914a ausgeftihrt zu haben wünschte. Demnach lebt der Künstler schon munter im Jahre 1914a, wo bleiben da aber die diesjäh rigen Hundertjahrfeiern und Jubiläumsfestlich keiten!? * 2 ch m u g g l e r k n i f f e. Ein neuer Trick zum Schmuggeln von Saccharin aus der Schweiz wird gegenwärtig an den badischen Zolleingangsstellcn versucht. Die Schmuggler führen den Süßstoff in eigens vorgerichteten aufgespannten Regenschirmen mit sich und ver suchen bei regnerischem Wetter oder Schneefall die Grenze zu überschreiten. Auch dieser Kniss wurde von dem wachsamen Grenzpersonal bald entdeckt. * Der Konkurs des Kölnischen V o l k s h a u s c s. Das sozialdemokratische Volkshaus in Köln, das bekanntlich vor einiger Zeit in Konkurs geraten war, ist, nachdem kürz lich Zwangsversteigerungstermin stattgefunden hatte, gestern dem Meistbietenden, der Volks hausverwertung, G. m. b. H. in Köln, zuge schlagen. Das Projett war mit einer Million Mark kapitalisiert. Der Versteigerungspreis be- trägt 499 000 Mk. Etwa 400 000 Mk. von Gläubigern sind bei der Versteigerung ausge fallen. * Unter den Rädern der Lo komotive. Ein schwerer Unglücksfall er eignete sich auf dem Ferngleis Spandau—Char lottenburg. Der Kölner D-Zug überfuhr in der Nähe der Haltestelle Ruhleben drei Streckenar beiter, die sofort getötet wurden. Stsndkssmts-Machnchtkn. von Gersdorf (Bez. Chemnitz) auf die Zeit vom 18. bis 31. Januar 1913. Ein Sohn: Dem Bergarbeiter Bruno Max Kunze, dem Zimmermann Kurt Mitzscherling, dem B. Fritz Wilhelm Hoff mann, dem B. Paul Max Hawsch, dem Maurer Hugo Paul Frohberg, außerdem 3 unehel. Söhne. Eine Tochter: Dem Fletschermetpcr Ewald Eisenreich. d Ankaebote - Der Schuhmacher Fritz Albin Grabner mit Besetzerin Anna Frieda Selbmann, beide hier. Der Fabrikarbeiter Ri chard Max Grämer in Reichenhatn mit Aufstoßertn Ella Klara Büschel hier. - «heschlirtzvngr«: Eisensormer Friedrich Hugo Mitzscherling mit Strickerin Selma Bertha Frauenstein, beide hier. Metalldreher Max 2mtl Reiter in Chemnitz mit Strickerin Alma Frieda Jacob hier. Strumpfwirker Robert Emil Tetzner in Bernsdorf mit Lina Selma Schulze hier. Kaufmann Friedrich Karl Trom» mer in Lauter mit Jenny Ella Götze hier. Bergarbeiter Ju lius Albin Muster mit Dienstperson Anna Marie Selbmann, beide hier. ä. KterbefaUe: Alfred Wilhelm Pester, S. deö Strlckereiverlegers Franz Wilhelm Pester, 6 Ri. 4 T. alt. Hellmut Werner, S. der Fabrikarbeiterin Helene Martha Werner, 2 T. alt. Der Berg arbeiter Otto Max Pfüller, 30 I. 10 M. 19 T. alt. Die Malerkehefrau Alma Emmy Metzner geb Grünzig, 23 I. S M. 8 T. alt. Eine totgeborene Tochter des B. Gustav Hei mann Fritzsche. Martha Elsa Keller, T. des B Richard Ewald Keller, 6 M 26 T. alt. Die Schmiedemeistersehesrau Marte Auguste Heuschkel geb. Schwalbe, 61 I. 6 M. 2b T. alt. Handel and Gewerbe Aa«m»»»». Ar««»», 31. Januar. llpland middling loko 64 Pix. Kuytq. 31. Januar. ProdvKtenvSrs«. Wetzen Mar 210—, Juli 211,—, September 203,7b. Rogge« Mat 176,—, Juli —, September —,—. Hajer Mai 173,—, Juli 175.2b. MatS amerikan. mixed Mai —,—, Juli —. Nüböl Ja» nurr —, Mat 64,30, Oktober —. M W M Ml! Originalroman von H. Courths- Mahler. 53) «.Nachdruck verboten.) Elisa erhob sich lind ging in Ernsts Zim mer hinüber. Als sie über den Hausflur schritt, begegnete ihr Dörte. „Nur nicht bange sein, Fräulein Elisa. Un ser Herr Doktor, der macht den Herrn Bräuti gam schon wieder gesund, da können Sie ganz ruhig sein", sagte sie zutraulich, das schöne, blasse Mädchen mit zärtlicher Teilnahme betrach tend. Elisa klopfte ihr leise den Rücken. „Gute Dörte." Tante Johanna saß am Bett und häkelte an einem wollenen Tuch. Elisa küßte sie innig. „Liebe, Gute — nun gehe zum Frühstück. Und dann legst Du Dich bis zum Mittag nie der." „Ja, ja, Kind, sorg' Diw nur nicht, daß ich nicht zu meinem Quantum Schlaf komme. Ich nehme mir schon mein Recht. So — nun setz Dich her. Du bist ja doch nur ruhig und zufrieden, wenn Du an feiner Seite bist." Die alle Dame ging hinaus. Erst trat jie noch einmal in die Küche, um mit Dörte über das Mittagessen zu beraten. Dann erst suchte sie das Wohnzimmer auf. Zärtlich strich sie Ernst über die Stirn. „Gut geschlafen, Ernst?" „Ja, Mutterle — wie ein Holzhacker. Und das Frühstück hat auch geschmeckt. Du siehst, ich bin völlig im Gleichgewicht. Nun komm, jetzt bediene ich Dich. Und während Du frühstückst, liest Du den Artikel über den Selbstmord des jungen Fürsten." „Ach, Ernst — ivohl ist mir bei alledem nicht. Wenn es nur geht." „Sei ruhig, Mutterle. Schlimmstenfalls ha ben wir doch nur ein Menschenleben gerettet, ohne es an die große Glocke zu hängen." Sie lächelte. „Lege Dir das nach Belieben aus", spottete sie gutmütig. „Ich weiß ja doch, wie schwer Dir diese Unklarheit ankommt." Und dann las sie den Artikel. „Ja", sagte sie, als sie zu Ende war, „das läßt sich ja alles so glatt an, wie es sich Elisa wünscht. Nun kommt es nur noch darauf an, was er selbst dazu sagt, wenn er gesund ist." „Ja — darauf kommt es an", meinte Ernst. „Du hoffst bestimmt, ihn am Leben zu er halten?" „Wenn nicht Komplikationen dazukommen — sicher." „Ich zweifle nur, ob ihm und Elisa wirk lich ein Dienst erwiesen worden ist, wenn er ge fund wird", sagte die alte Dame seufzend. Ernst stützte den Kopf in die Hand und sah zur Mutter hinüber. „Elisa malt sich das Kommende mit dem Herzen aus. Ihr ganzes Sinnen und Denken ist darauf gerichtet, diesem schiffbrüchigen jun gen Fürsten Glück und Leben zurückzugeben. Und die Liebe eines solchen Mesens, wie Elisa ist, kann Berge versetzen und Wunder wirken, so stark und tief ist sie. Aber, auch wenn alles geht, wie sie wünscht — ein leichtes Los wird ihr kaum beschicken sein an der Seite eines sol chen Mannes. Ein fester Charakter ist er keines falls." „Nun — dies Erlebnis wird ihn: hoffentlich gefestigt haben, und Elisa hält ihn, mit ihrer Liebe und mit ihreni Willen. Mir wird etwas anderes mehr Sorge machen — der pekuniäre Standpunkt. Selbst, wenn Elisa wirklich, wie sie sich selbst vovgenommen hat, jetzt diese zwan zigtausend Rubel abheben will, die der alte Fürst sür sie deponierte, es wird wenig genug sein für zwei Menschen, zumal der junge Fürst erst lernen muß, sich einzuschränkcn." „Elisa wird auch in den bescheidensten Ver hältnissen glücklich sein können." „Aber nicht, wenn sie sieht, daß er unter Entbehrungen leidet. Für sich wird sie wunsch los sein, aber nicht für ihn." „Sie sind jung, Mutter, und können sich bei ihren eminenten Sprachkenntnissen recht gut da zu verdienen, was sie brauchen. Sorge Dich nicht mehr, als nölig ist, Diutterle. Eins wissen wir: diese beiden Menschen lieben sich so fest und treu, das; ihre Liebe sie über vieles hinwegfüh ren wird. Aber jetzt muß ich mich auf den Weg machen. Ich will nochmals nach unserem Patienten sehen. Adieu, Mutterle." „Adieu, mein Junge. Ziehe nicht den dicken Ueberrock an; es ist sehr warm heute." Sie küßten sich und nickten sich lächelnd zu. * * * Fürst Iwan Kalnoky hatte sich nicht lange von seinem Unwohlsein im Bett festhalten las sen. Als Alexanders Brief, den er im Hotel Kaiserhof geschrieten hatte, einttaf, war er be reits wieder ausgestanden. Er saß im Lehnstuhl, am Kamin, denn er fröstelte leicht und fühlte sich durchaus nicht so wohl, als er vortäuschen wollte. Maria Petrowna saß ihn; gegenüber und hatte ihm aus der Zeitung vorgelesen. Fürst Iwan Hörle freilich kein Wort davon. Seine Gedanken irrten qualvoll in der Welt umher und suchten den Sohn. Und sein Herz zuckte wieder und wieder: Die Frage: Ist es schon geschehen? — brachte ihn dem Wahnsinn nahe. Und doch sagte er sich, daß cr stark sein mußte — stark für die Frau, die ihm ahnungslos gegenübersaß. Und nun hielt er seines Sohnes Bries in den Händen und las seine letzte Botschaft. Blatz, mit geschlossenen Augen lehnte er, als er zu Ende war, den Kopf zurück. Seine Züge waren fahl und verfallen, und seine Hände zitterten heftig. Maria Petrowna sah von der Zeitung auf und erhob sich erschrocken. „Iwan — was ist Dir? Fühlst Du Dich wieder schlechter? Oder — dieser Brief — hast Du schlechte Nachricht erhalten?" , Der alte Herr schlug die Augen wieder auf chnd sah mit einem gramerfüllten Ausdruck zu seiner Gmttn auf. Er wußte, nun war die Stunde gekommen, da er reden mußte. „Maria — komm — setze Dich zu mir — hier dicht weben mich. Ich habe Dir etwas zu sage«' — etwas Schweres, Furchtbares. Setze Dich — und gib mir Deine Hand." Die Fürstin erblaßte und ließ sich erschrocken in einen Sessel neben dein seinen gleiten. „Iwan — Du hast schlechte Nachrichten von Sascha — von Tatjana — was ist geschehen?" Er atmete schwer. „Mein Leben gäbe ich willig hin, könnte ich es Dir ersparen." „Martere mich nicht! Meine Kinder — was ist mit meinen Kindern?" schrie die Fürstin auf und umklammerte seinen Arm. Ein Stöhnen kam aus des Fürsten Brust. „Maria — ein Unglück hat uns bettoffen — so 'groß, so schwer — ich zittere, es Dir zu verkünden." Maria Petrowna fuhr mit den Händen wie irr an ihren Kopf. „Sprich — Du machst mich wahnsinnig. Was ist mit meinen Kindern? Nur in meinen Kindern kann mich Furchtbares treffen. Sprich doch — sprich!" rief die Fürstin entsetzt. „Maria — wie soll ich den Mut dazu fin den, wenn ich Dich so fassungslos vor mir sehe?" Maria Petrowna zwang sich zur äußeren Ruhe. „Also — ich bin ruhig — jetzt mach ein Ende", stieß sie tonlos hervor. Ter unglückliche Vater beugte sich vor und umfing sie, als wollte er sie stützen. „Maria — es betrifft unsern Sohn — un sern Sascha — Du — Du wirst ihn nie — nie Wiedersehen", sagte er gebrochen. Sie setzte sich kerzengerade empor und starrte ihn an mit weit ausgerisseuen Augen. „Mein Sohn — was ist mit ihm?" ächzte sie. „Er ist — tot — Maria." Sie fiel wie leblos zurück und starrte ihn an wie von Sinnen. „Nein — nein — nein!" Sie schrie es hinaus in höchster Seelennot, als könnte sie mit diesem dreifachen „Nein" ge gen ein unbarmherziges. Schicksal protestieren. Und dabei sprang sie empor. Aber der Boden wankte unter ihren Füßen, die furchtbare Qual ließ ihren Herzschlag stocken. Ohne einen Laut schlug sie zu Boden in tiefer Ohnmacht. * * * Es kam nun eine furchtbare Zeit. Man hatte Maria Petrowna in ihr Zimmer getragen und den Arzt gerufen. Das Leben war nicht entflohen — aber man fürchtete fiir den Ver stand der armen Mutter. Als dann Fürst Iwan durch die Polizei die Nachricht erhielt, daß sein Sohn ertrunken sei, und als dann Saschas Sachen ankamen, lag die Fürstin im schlimmen Fieoerdelirium. Auf den angstvollen Ruf ihres Vaters kam Tatjana nach Petersburg. Nur ungern hatte sie ihr junger Gatte von sich gelaffen, aber des Va ters Telegramm hatte zu dringend gelautet. Tatjana war selbst fassungslos» erschüttert, als sie von dcni Unglück hörte, das sie bettof fen hatte. Zu sehr hatte sie ihren Bruder ge liebt. Nur die Angst und Sorge um die schwer leidende Mutter vermochte sie noch aufrecht zu erhalten. Wochenlang schwebte die Fürstin zwischen Tod und Leben. Zu derselben Zeit, da ihr totgeglaubter Sohn im Doktorhäuschen langsam ins Leben zurückgerufen wurde, rang auch sie mit dem Tode. Tatjanas nimmermüder Pflege gelang es, die Mutter endlich wieder gesund zu machen. Ader es war eine gebrochene, elende Frau, die vom Krankenlager erstand. Maria Petrownas Haar war weiß geworden. Trotzdem sie erst achtund vierzig Jahre zählte, sah sie in diesen Tagen wie eine Greisin aus. Und auf ihrem schmalen, blassen Antlitz lag ein steinerner Ausdruck, der nur zuweilen einem herzzerreißenden Lächeln Platz machte, wenn sich Tatjana liebevoll um sie abmühte. Der Fürst litt nicht weniger als seine Ge- mahlin. Nur mit Mühe vermochte er sich aus recht zu erhalten. Seine Lebenskraft war da hin. Der sonst so stattliche, aufrechte Mann ging gebückt wie ein Greis, und seine Augen blickten erloschen. Tatjana teilte ihre Sorge zwischen den El tern. Ihr einziger Trost in dieser schlimmen Zeit waren die zärtlichen Briefe Wladimirs. Und sie berichtele ihm vertrauend und ausführ lich, was auf ihrer jungen Seele lastete. Ihr hatte der Vater alles gesagt, was geschehen war. Und als die Fürstin nicht mehr gar so schwach und hinfällig schien, brachte ihr Tatjana eines Tages die Sachen, die Sascha zuletzt bei sich gehabt hatte. Zitternd starrte die Fürstin erst darauf nie der — und dann brach endlich ein wohltätiger Tränenstrom aus ihrer Brust. Es waren die ersten Tränen, tue sie nach der furchtbaren Botschaft von Saschas Tod ver goß. Und Tatjana kniete ebenfalls weinend vor ihr nieder und umschlang sie mit den Armen. Da trocknete Maria Petrowna ihre Tränen und sagte leise, über der Tochter Köpfchen strei chend: „Du sollst nicht auch noch leiden — ruse Deinen Vater, mein Kind." Und Fürst Iwan kam. Die beiden sahen sich an und erkannten er schüttert, was Gram und Leid aus ihnen ge macht hatten. Sie reichten sich stumm die Hände. Tatjana stand tief bewegt dabei, und auch aus ihren Augen flossen Tränen. Ihre schöne^ stolze Mutter, ihr herrlicher Vater — wie tief gebeugt standen sie vor ihr. Maria Petrowna suchte nun ihr schweres Geschick ruhig zu ertragen. In diesen Tagen er wachte auch der Wunsch in ihr, nach Deutschland zu reisen und an dem See, der ihres Sohnes Leiche nicht herausgeben wollte, wie an seinem Grabe zu beten. Fürst Iwan und Tatjana versprachen ihr, diesen Wunsch zu erfüllen, sobald sie kräftiger geworden sein würde. Vater und Tochter wa ren froh, daß sie überhaupt wieder ein Interesse, einen Wunsch äußerte. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)