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Hohenstein - Brnstthaler Tageblatt Amtsblatt »r. 3. Sonnabend, den t. Jamar IN3 BeUag». Lächlilcht» Hohenstein-Ernstthal, 3. Januar 1913. — Die sächsische Geistlichkeit hat dem G a st wirts-Gewerbe den Krieg erklärt wegen der Stellungnahme der Gastwirte gegenüber dem Abstinenz-Pastor Dr. Burk in Auerbach. Wegen dessen Kamp- fesweise gegen das Gastwirtsgewerbe haben die Angehörigen dieses Standes beschlossen, daß ihm das Halten von Vorträgen in den Sälen verboten sei. Hierfür drohen nun auch die Geistlichen mit dem Boykott; es heißt in einer Erklärung derselben, es wäre im Hinblick aus jene Aussperrung Dr. Burks „Ehrenpflicht der sächsischen Geistlichen, für ihren Amtsbruder ein- zutrcten und ihrerseits von der Benutzung der Gasthaussäle mit ausdrücklicher Hervorhebung des Grundes so lange abzusehen, bis jene Aus sperrung aufgehoben ist. Es kann manche Ver sammlung (Nachversammlung, Familienabend) in einer Turnhalle, einem Schulsaal oder — warum nicht? — in der Kirche abgehalten wer den; es geht auch ohne Bier und Tabak. Wenn jene Anmaßung der Saalinhader tatsächlich ein getreten ist, dann darf von unserer Seite die Gegenwirkung nicht ausbleiben. Oft ist der Mangel an Standesgesühl bei den Geistlichen schmerzlich zu beklagen gewesen, möge es hier einmal die Probe gut bestehen." — Zu dieser Erklärung nimmt nun wiederum der sächsische Saalinhaberverband mit folgender Entgegnung Stellung: „Alfo den Saalinhabern will man es verargen, wenn sie einen Mann wie Dr. Burk von ihren Sälen ausschlietzen; sic sollen sich noch weiter beschimpfen und in ihrer ge werblichen Tätigkeit schädigen lassen. Man scheut sich ferner nicht, den Saalinhabern den Boykott anzudrohen, also zu einer Wafse zu greifen, welcher sich nur die ärgsten Feinde der Kirche bedienen. Betrachten die Geistlichen es als ehrenhaft, für die Geistlichkeit Sachsens ih rem Ruse: „Boykottierung der Säle!" Folge zu leisten? Schon heute vermögen wir Herrn Pa stor Klötz, dem Verfasser der Erklärung, Zu erwidern, daß seine Aufforderung zur Schädi gung der Saalwirte recht wenig Anklang bei der übrigen Geistlichkeit finden wird, daß seine Amtsbrüder es für rätlich finden werden, mit allen Volksfchichten in Frieden zu leben. Sollte sich der Verfasser noch weiter befleißigen, das Saal- und Gastwirtsgewerbe in Mißkredit zu bringen, so dürfte ihn dasselbe Schicksal ereilen, wie feinen Amtsbruder Dr. Burk, welchem die Säle verschlossen bleiben müssen." Inzwischen ist die Aussperrung Dr. Burks in großem Um fange in Sachsen durchgeführt worden. Pastor Burk ist es jetzt völlig unmöglich gemacht, öf fentlich aufzutreten. — L i ch t e n st e i n - C., 2. Jan. Der Lichtensteiner Schutzmannschaft ist es gelungen, den Dieb zu ermitteln, der im vergangenen Sommer einem Lichtensteiner Bäckermeister eine Anzahl Frühstücksbeutel entwendet bat. Es ist dies der in Hohenstein-Er. wohnende, 21 Jahre alte Brothändler Willy Rudolf H. Dieser ist auch verdächtig, den bekannten Schwindel mit Bäckerwaren in Callnberg ausgesührt zu haben. — Waldenburg, 2. Jan. Herr Kan tor Uhlich feierte heute sein 25jähriges Amts jubiläum, aus welchem Anlasse dem geschätzten Jubilar mannigfache Ehrungen zuteil wurden; u. a. wurde er vom Vorstand des Westsächs. Sängerbundes „Canon", dessen Liedermeister er ist, beglückwünscht und ihm ein kostbares Ge schenk in Form einer Standuhr überreicht. — Zwickau, 2. Jan. Wie vorsichtig man mit den« brennenden Christbaum umgehen mutz, zeigt folgende Meldung des Polizeibe richts: Ain 30. vor. Mts. hat in einem Hause an der Annenstrahe ein Stubenbrand stattgefun- den, dem für mehrere hundert Mark Möbel- und Wäschestücke zum Opfer gefallen sind. Das Feuer ist dadurch entstanden, dah der Fenstervorhang durch einen Lustzug einem brennenden Lichte zu nahe gekommen ist. Durch einen Stratzen- passanten, der beim Vorübergehen den Brand wahrgenommen hat, ist dieser gelöscht worden. — Zwickau, 2. Jan. Hofrat Professor Dr. Stötzner vom hiesigen Gymnasium un- langjähriger Verwalter der berühmten Rats schulbibliothek, ist gestorben. — Der Regierungs rat Dr. Jani im Ministerium des Innern ist zum Amtshauptmann von Zwickau ernannt wor den. — Die durch die Wahl des Herrn Schul direktor Galster nach Hohenstein-Er. zur Erle ¬ digung kommende Schuldirektorstelle in Schede witz wird mit einem Grundeinkommen von 3600 Mark und 600 Mark Wohnungsgeld zur Neube setzung ausgeschrieben. — Werdau, 2. Jan. Im benachbarten Langenhessen brannte nachts die zum Gutsbe sitztum des Herrn Trumpoldt gehörige Scheune mit allen Erntevorräten vollständig nieder. Es wird Brandstiftung vermutet. — Netzschkau, 2. Jan. Aus dem hie sigen Bahnhof wurde gestern eine Ende der 40er Jahre stehende Frau von einem Zuge überfah ren und getötet. Die Frau, die nach Reichen bach fahren wollte, war versehentlich in Netzsch kau ausgcstiegen. Als sie den Zug, der sich be reits in Bewegung gesetzt hatte, von neuem be steigen wollte, wurde sie überfahren und ge lötet. Falkenftein, 2. Jan. Infolge des geringen Austriebes bei unseren Viehmärk ten in den letzten Jahren, deren Einnahmen in keinem Verhältnis zu den notwendigen Ausga ben stehen, haben die städtischen Kollegien be schlossen, die Viehmärkte in Falkenstein in Zu kunft auszuheben. — Cranzahl, 2. Jan. Von religiösem Wahnsinn befallen wurde ein junger Mann der hiesigen Methodistengemeinde während des Got tesdienstes. Er mutzte gewaltsam aus dem Hause entfernt werden, kehrte jedoch wieder zu rück, zertrümmerte sämtliche Fensterscheiben un- bedrohte den Prediger. Der unglückliche Mann, der sich selbst als König erklärte und in dieser Eigenschaft auch der Amtshauptmannschaft einen Besuch abstattete, wurde einer Anstalt zugeführt. — Chemnitz, 2. Jan. Am 31. De zember feierte Herr Geh. Kommerzienrat Vo gel, Ehrenbürger der Stadt Chemnitz, das fünf zigjährige Jubiläum als Bürger der Stadt. Er wurde aus diesem Anlatz durch eine Abord nung des Rates unter Ueberreichung einer Glück wunschurkunde begrüßt. — Mittweida, 2. Jan. Ein hiesiges Automobil, das von seinem Besitzer gesteuert wurde, fuhr die Deckerstratze herauf und sollte in die Rochlitzer Straße einbiegen. Angesichts eines an der Straßenecke stehenden Geschirrs mußte die Kurve kürzer genommen werden, miL hierbei überfuhr das Auto einen Schulknaben, der einen Handwagen zog und einen radfah- rerrden Techniker. Der Knabe kam mit einigen Hautabschürfungen davon, während der Tech niker einen Bruch des linken Unterarmes erlitt. Rad und Handwagen wurden zertrümmert. — Dahlen b. Oschatz, 2. Jan. Im be nachbarten Kleinböhla wollte die achtjährige Tochter des Wirtschaftsbesitzers H. Thomas die Lichter des Christbaumes anzünden. Dabei fin gen die Kleider des Kindes Feuer. Auf das Geschrei der Kinder eilte die im Stalle beschäf tigte Mutter herbei. Sie tonnte das Feuer zwar ersticken, das arme Kind hatte jedoch der artige Brandwunden davongetragen, daß es nach qualvollen Stunden seinen Geist aufgab. — Grimma, 2. Jan. Die „Nachr. f. Gr." feierten am 1. d. M., wie gestern gemeldet, ihr 100jähriges Bestehen und gaben ihrer Ju- biläumsnummer das Erstlingsblatt bei, welches folgenden eigenartigen Neujahrswunsch enthält: „Neujahrswunsch für alle Sachsen von einem Ausländer. Zuerst: Gott erhalte Euch Euren König! Und biernächst: Gott erhalte Euch Euern Charakter! Der Charakter der Sachsen ist: Industrie, Genügsamkeit, Liebe für den Regeitten, Frohsinn und Religion." Dresden, 2. Jan. Ein Wellläufer immens Karl Maglia befindet sich zurzeit in Dresden, um am 15. Februar eine Futzreise um die Welt, für die er Jahre in Aussicht genommen hat, ohne Geldmittel hier anzutre ten. Er verdient sich durch Verkauf von Post karten mit seiner eigenen Photographie das Geld, das er zu seinem Unterhalt braucht. Maglia stammt aus Mühlhausen und ist Vege- arianer und Nichtraucher. Er ist schon ver- chiedene Male bei großen Streckenläusen mit ersten Preisen ausgezeichnet worden. Der Ent- chlutz, am 15. Februar hier eine neue Reise anzutreten, ist die Folge einer holländischen Wette von 20 000 Gulden (34 000 Mark). — Nossen, 2. Jan. Am Neujahrslage, dem Tage der Beerdigung seiner Gattin, be ging der frühere Hilfsweichensteller Batzer we nige Stunden vor dem B^räbnis seiner Gat in Selbstmord durch Erhängen. Batzer war Veteran.