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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 10.01.1913
- Erscheinungsdatum
- 1913-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-191301101
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19130110
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19130110
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-01
- Tag 1913-01-10
-
Monat
1913-01
-
Jahr
1913
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 10.01.1913
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* 100000 Mark verschwunden. wieder ein enormer Rückgang mals blühenden Handweberei der ehe> zu ver Dollar geschätzt, wovon die einen Verlust von 8 Millio verminderte Frachteinnahmen det, in Aussicht genommen; eine großartige, hier menhalbschuhe stehen lassen, bei seiner Lang- noch nicht gesehene Dekoration ist hierzu in Vor- fingerei voraussichtlich also ein schlechtes Ge- bereitung, für die schönsten originellsten Kostü- schäft gemacht. Eisenbahnen allein nen Dollar durch haben. — Asch, 8. Januar. In unserer Gegend steht man jetzt auf den Feldern ackern und — säen. Im böhmischen Erzgebirge und Böhmerwald werden jetzt vielfach Kartoffeln, die im Herbste eingeschneit waren, auf den Feldern ausgegraben. zeichnen. Vor einigen Jahren waren hier noch gegen 600 Handwebstühle im Betrieb, während es jetzt kaum noch 125 sein dürften. Von letz teren dürsten aber allein mindestens die Hälfte von Webersehefrauen, deren Männer in die Fabrik gehen, bedient werden. Ein großer Teil der ehemaligen Handweber geht in die Fabrik, während ein Teil sich anderen Berufen zuge wandt hat. Den starken Rückgang der Handwe berei verspürt auch die hiesige Weberinnung, die in den letzten Jahren an Mitgliedern zurückge gangen ist. Praktische Handweblehrlinge hat die Innung schon seit einigen Jahren nicht mehr aufzudingen gehabt. Die Zeit dürfte nicht mehr fern sein, wo der Handwebstuhl zu den Selten heiten gehören dürfte. — Eine erhebliche Erleichterung der Verzollung bei der Einfuhr nach Nordamerika tritt dadurch ein, daß künf tig von einem Nachweis der Produktionskosten abgesehen wird. Durch die Angabe dieser Ko sten mußten die Fabrikanten ihre Fabrikgeheim nisse den amerikanischen Zollbehörden anver trauen. Nur in einigen besonderen Fällen bleibt der bisherige Verzollungsmodus bestehen, doch brauchen dann die Kosten erst nach erfolgter Einfuhr angegeben zu werden. stürz. In der Via del Tritone in Rom stürzte ,eine große Mauer zusammen und fiel auf das — Limbach, 9. Januar. In der Nähe des, benachbarte Haus eines Arztes, in dem sich ter dem Mädchen das Handtäschchen vom Arme ritz und damit flüchtete. — Einsiedel, 9. Januar. Gestern nach mittag ist im Gemeindeteiche an der Berbisdor- fer Straße ein neunjähriger Knabe beim Schlitt- schuhlaufen eingebrochen und unter das Eis ge- raten. Der bedauernswerte Knabe ist bis zur Stunde noch nicht geborgen. — Zwickau, 8. Januar. Hier ist der Kas- sierer der Zwickauer Zweigstelle des Verbandes der Tapezierer und verwandten Berufe Deutsch lands, der 25 Jahre alte Tapezierergehilfe Röh ner, festgenommen worden. Bei einer Revision der Kasse der genannten Zweigstelle hatte sich ein Fehlbetrag von über 200 Mark ergeben. Ferner wurde festgestellt, datz der ungetreue Kas sierer von einem Sparkassenbuchs des Verban des 150 Mk. abgehoben und für sich verbraucht hatte. — Plaue bei Flöha, 8. Januar. In den 90er Jahren verließ der damals 20jährige Sohn des Lokomotivführers Findeisen das Elternhaus, um in fremdem Lande sein Glück zu versuchen. Vor kurzem teilte der Sohn seinem Vater mit, daß er vom italienischen König die goldene Le bensrettungsmedaille 1. Klasse verliehen erhal ten habe. Findeisen befand sich vor zwei Jah ren, als die furchtbare Erdbebenkatastrophe Ita lien heimsuchte, auf einem Schiffe, das vor Messina ankerte. Das Schiff ging, wie so viele, zugrunde; Findeisen aber rettete sich und auch gleichzeitig noch 19 andere Personen. — Bischofswerda, 8. Januar. Ein neues Arbeitsfeld für den Polizeihund entdeckte ein hiesiger Geschäftsmann. Er ließ feinen Po lizeihund an einem in seinem Laden liegen ge lassenen Muff Witterung nehmen. Der Hund nahm die Spur sofort auf und ermittelte die Eigentümerin des Muffes, die über die Wie dererlangung ihrer Wärmrolle nicht wenig er freut war. — Wahnsdorf, 8. Januar Am Dien§. tag vormittag wurde von einem Manne auf der Straße zwischen Boxdorf und Wahnsdorf eine Blutlache entdeckt und unweit davon ein abge schossener Revolver, ein Spazierstock und auf der anderen Straßenseite eine Damenhandtasche auf- gesunden. Die Nachforschungen ergaben, daß ein junges Mädchen aus Boxdorf von ihrem Geliebten, einem 23jährigen Maurer aus Wahns dorf, auf dem Nachhausewege von einem Ball vergnügen aus Eifersucht angeschossen und durch Faustschläge schwer verletzt worden war. Der Täter hatte nach der Tat die Flucht ergriffen, wurde aber später erhängt aufgefunden. Amelies vom Loge. Folgenschwerer Hausein- —g. Oberlungwitz, 8. Januar. Das große früher Buchersche, jetzt Voigtsche Gut an der Gold- bachstraße, das erst vor wenigen Monaten in das Eigentum des letztgenannten Besitzers überging, ist von diesem für den Preis von 153 000 Mark an eine auswärtige Terraingesellschaft veräußert worden, welche die Absicht hat, die längs der Eisenstraße gelegenen Grundstücke der Bebauung zu erschließen. —: : Gersdorf, 9. Januar. Mit den Om nibus Gersdorf—Hohenstein-Ernstthal wurden im Monat Dezember 1912 insgesamt 2859 Personen befördert. Die Zahl der Reisegepäckstücke betrug 478. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres be trug die Besörderungszahl 2921 Personen und 485 Reisegepäckstücke. Den Nachtomnibus be nutzten 28 Personen. —- : Gersdorf, 9. Januar. Prinz Karne val, der lustige Regent, schwingt nun bald wie der sein Zepter. Auch im hiesigen Orte ist ein großer ösfentlicher Maskenball, der am 31. Ja- nuar im Gasthof „Zum blauen Stern" ftattfin- die Schachteingänge vermauern, um den Grund und Boden anderen Bebauungsmöglichkeiten zugänglich zu machen. — Die Sächsische Bank ermä ßigte den Zinsfuß für Wechsel auf 6 Proz. und den Lombardzinsfuß auf 7 Prozent. —: Im Neustädter Schützenhause hält am nächsten Montag, den 13. Januar, die Privil. Schützew-Kompagnie Neustadt ihr gut vorbereitetes Winter-Vergnügen ab, das in einem Militär-Konzert mit anschlie ßendem Ball besteht. —a. Im letzten Jahre war in unserer Stadt vier Verwundete, von denen einer schwer ver- letzt ist geborgen. Die Ausgrabungsarbeiten werden von Soldaten des 81. Jnfanterieregi- ments, Pionieren, Feuerwehrleuten, Munizipal garden und Bürgern fortgesetzt. Sehr schwierig gestaltete sich die Ausgrabung des Dienstmäd chens des Arztes, die in vertikaler Stellung ver schüttet war. Gleich nachdem man sie herausge zogen, stieß man auf einen Fuß des Doktors, dessen Leichnam, als man ihn freigelegt hatte, nur noch eine formlose Fleischmasse war. Ne ben ihm lag sein Hund. * Leichenfund. Man berichtet aus Köln: Aus dem Bahngleis bei dem Fort 11 wurde eine Frauenleiche aufgefunden. Der Kops war vom Rumpfe getrennt. Zunächst nahm man an, daß die Person vom Zuge überfahren wor den sei. Nachforschungen ergaben jedoch, daß es sich um Mord handelt. Man sand einen Re genschirm und zwei zerrissene Haarzöpse, die Erde war aufgewühlt und mit Blut durchtränkt, woraus zu schließen ist, daß zwischen dem Mör der und seinem Opfer ein heftiger Kampf statt gefunden hat. Ein Polizeihund verfolgte die Spur bis zu dem Vororte Höhenhaus in die Steinstraße hinein. Die Personalien der Er mordeten konnten noch nicht sestgestellt werden. * Christenmorde. Privatmeldungen aus Smyrna berichten, daß in einem Dorfe bei Kassaba vier christliche Familien und der Ortsgeistliche von einer Bande Mohammedaner niedergemetzelt worden seien. * Geheimnisvoller Doppel mord. Ein furchtbares Verbrechen ist nachts auf dem Gut Ringenwalde bei Batzlow in der Mark verübt worden. In einer Strohmiete lud ein Kutscher, der mit seinem Wagen aus der Richtung von Oderbruch gekommen war, die er drosselten Leichen eines Mannes und einer Frau ab, steckte dann die Miete in Brand und fuhr wieder davon. Bisher konnten weder der Kutscher noch die übrigen Täter ermittelt wer den. Auch ist es noch nicht gelungen, die Iden tität des ermordeten Paares festzustellen. * Um^ Million betrogen. Der flüchtige Notar Becker aus Hamburg schädigte 12 dortige Bank- und Börsenfirmen durch Nicht- Zahlung der Differenzen und durch Ausnutzung des Blankokredits. Diese, sowie die durch Ma nipulattonen in Grundstücken und Terrains ent standenen Schulden werden auf weit über Million geschätzt. * In 7000 Meter Höhe. Zwei Privatdozenten aus Halle erreichten in dem Ballon „Nordhausen" auf der Fahrt von Bitter feld nach Güstrow bei 36 Grad unter Null eine Höhe von über 7000 Meter. Es gelang ihnen, die Lautstärke der von der Erde ausgesandten telegraphischen Zeichen zu messen. * Vernichtete Zitronenernte. Infolge der strengen Kälte ist die Zitronenernte in Kalifornien vernichtet. Man glaubt, daß nur der 5. Teil zu retten ist. Der Schaden wird auf 20 Millionen Schule die feierliche Einweisung des Herrn Zei chenlehrers Tann sowie der Herren Vikare Wend- sche und Ranze durch Herrn Ortsschulinspek tor Direktor Pfeifer statt. Die Herren Vikare vertreten zwei erkrankte Lehrer. — t : Gersdorf, 9, Januar. Bei der hie sigen Sparkasse wurden im Monat Dezember 1912 176 Einzahlungen im Betrage von 23 931,83 Mk. geleistet, dagegen erfolgten 113 Rückzahlungen im Bettage von 23 561,49 Mk. Der Barbestand am Schluffe des Monats betrug 10 250,94 Mk. Neuausgestellt wurden 33 Bü cher, 14 Konten sind erloschen. — Wüstenbrand, 9. Januar. Morgen Frei- tag, vorm. 11 Uhr sollen hier 1 Motorvad, 2 Fahrräder, 11 Lenkstangen, 7 Radfelgen, 1 Vorderrad, 1 Waschmaschine, 1 Vertiko, 1 Otto mane und 1 Musikwerk mit 30 Platten verstei gert werden. Die Bieter versammeln sich in Pohlers Restaurant. — Kirchberg, 8. Januar. Gestern mittag gegen 1 Uhr brannte die dem Gutsbesitzer Herm. Mehlhorn gehörige Scheune bis auf die Um- sasiungsmauern vollständig nieder. Viel Futter, Stroh und noch ungedroschenes Getreide wurden ein Raub der Flammen. Bei der Windstille konnte das Wohngebäude durch das schnelle Ein greifen der Feuerwehr geschützt werden. — Langenchursdorf, 9. Januar. Im „Erbgericht" wird am 23. d. M. ein Volksmas kenball mit Prämiierung der beiden schönsten Herren- und Damenmasken abgehalten. Die Schubertsche Kapelle hat den musikalischen Teil des Abends übernommen. — St. Egidten, 8. Januar. Am 5. Ja nuar hielt der hiesige Turnverein (e. V.) seine Hauptversammlung ab. In dieser Versammlung erstattete der Vorsteher eingehenden Bericht über das Vereinsleben im vergangenen Jahre und der Turnwart über die Turntätigkeit; beiden Be richten wurde sehr lebhafter Beifall gezollt. Als Vertreter zum Gautag in Lichtenstein wurde der 2. Vorsteher Walter Wolf und der Turnwart Paul Goldschmidt gewählt. Im Anschluß an die Hauptversammlung fand im Gasthof „Zur- schönen Burg" ein sehr zahlreich besuchtes Christ- baumvergnügen statt. Durch Verlosung mehrerer Gegenstände und Versteigerung von verschiedenen Freipaketen, sowie durch geschickte Vorführung von einigen Clowns wurde der Abend wesentlich verschönt und hielt alle Teilnehmer in launiger Stimmung bis in die frühe Morgenstunde zu sammen. — Glauchau, 8. Januar. Am ersten Schul tage nach den Weihnachtsferien wurde das 25- jährige Dienstjubiläum des Leiters des hiesigen Realgymnasiums mit Realschule, des Rektors Herrn Prof. Dr. Berlet in feierlicher Weise be gangen. — Meerane, 8 Januar. In Crolenlaide ist dieser Tage ein Spitzbube in einem Kanin chenstall eingebrochen, um sich einen Festbraten zu stehlen, hat aber dabei ein Paar neue Da ¬ me sind wertvolle Preise vorgesehen. — v——r a r» r, a u a r r v e r ; a) w u n o e n. —: : Gersdorf. 9. Januar. Mit Wieder- Schützenhauses ist an einem jungen Mädchen ein mehrere Personen befanden. Das Haus wurde Auf dem Wege von Berlin nach Hamburg ist beginn des Schulunterrichts sand an unserer Raubanfall verübt worden, indem ein Unbekann- fast völlig zerstört. Bisher sind elf Tote und eine Kiste mit 100 000 Mk. geprägten Goldes M W W NW! Originalroman von H. C o u r t h s-Mahler. 34j (Nachdruck verboten). Als Alexander erwachte, glaubte er erst, al les, was er erlebt hatte, sei nur ein wüster, drückender Traum gewesen. Er fühlte sich matt und elend, als sei er nach langem Krankenlager auferstanden. Aber langsam kehrte ihm die Ex- innsrung zurück und das Grapen schüttelte ihn. Ohne einen Bissen zu sich zu nehmen, be gab er sich zu Bett. Peter sah ihn besorgt an. „Eure Durchlaucht befinden sich nicht wohl, soll ich nicht zum Arzt schicken?" fragte er, als er Alexander beim Auskleiden half. „Nein, nein, Peter, ich bin nur müde. Mor gen früh wecke mich zur Zeit, ich habe Dienst." „L>ehr wohl, Eure Durchlaucht. Ich wollte nur noch gehorsamst melden, daß Ihre Durch laucht, die Frau Fürstin, vor dem Souper her über schickten, ob Eure Durchlaucht nicht zu Tisch kämen!" „Was hast Du geantwortet?" „Daß Eure Durchlaucht in der Nacht schlecht geschlafen und sich etwas niedergelegt hätten." „Es ist gut, Peter." Dann war Alexander wieder allein, und wie der fand er lange den ersehnten Schlaf nicht. Die Last, die sein Gewissen bedruckte, wurde schwerer und schwerer. Nur mit großer Mühe vermochte er am nächsten Lage seinen Dienst zu verrichten und seinen Eltern eine ruhige Miene zu zeigen. In den nächsten Wochen ging er kaum noch aus, wenn er es nicht dienstlich tun mußte. Das ausschweifende Leben, welches er seit Elisas Abreise geführt hatte, schlug nun in das strickte Gegenteil um. Eine an Geiz grenzende Spar samkeit übte er jetzt aus, denn sein ganzes Sin nen und Denken war daraus gerichtet, so bald als möglich das Geld zu beschafsen, um die Steine zurückkausen zu können. Selbst der Ge danke an eine endliche Vereinigung mit Elisa trat davor zurück. Er fühlte sich jetzt unwert, sich der Geliebten zu nähern, trotzdem er nun imstande war, ihren Aufenthaltsort zu ermitteln. Er gelobte es sich wie eine Sühne, nicht eher wieder mit Elisa in Verbindung zu treten, bis er diese Schuld getilgt hatte. Der erste Weg, die nötige Summe zusam menzubringen, war die außergewöhnliche Spar samkeit, deren er sich befleißigte. Freilich, wenn er von feinem Wechsel allein die Summe er übrigen wollte, so mußte es sehr lange dauern, bis er sie zusammen hatte, viel zu lange für seine fieberhafte Ungeduld. Er überlegte hin und her, wie er noch auf andere Weise Geld schaffen konnte. Und heimlich verkaufte er zwei seiner wert vollen Reitpferde und begnügte sich mit einem. Auch einen besonders kostbaren Brillantring und einige andere wertvolle Schmucksachen machte er zu Gelde, alles so vorsichtig, daß seine Eltern nichts davon merkten. Auch an das Häuschen in dem kleinen Fischer dorf dachte er. Aber erstens vermochte er sich schwer von diesem Besitz zu trennen, der ihm der letzte Anhalt für eine Vereinigung mit Elisa schien, und dann war es auch nicht leicht, es zu verkaufen. So sparte er das für den schlimm sten Fall auf. Fast jeden Abend verbrachte er jetzt gemein sam mit seinen Eltern. Und sein ganzes Wesen ihnen gegenüber war so liebevoll — wie eine große, heimliche Abbitte. Fürst Iwan freute sich im Stillen sehr darüber. Er glaubte, Sascha sei endlich zur Vernunft gekommen. Nicht ohne Sorge hatte er bemerkt, daß sein Sohn in den letzten Wochen vor Tatjanas Hochzeit ein sehr unsolides Leben geführt hatte. In heimlicher Angst hatte er je den Tag in sein Gesicht geblickt, ob er ihm wohl wieder beichten würde, datz er gespielt hatte. Schon wiederholt hatte sich Fürst Iwan Vor würfe gemacht, datz er sich durch sein Ehrenwort die Hände gebunden hatte, seinem Sohn zu hel fen, falls er wieder Spielschulden machte. Was sollte daraus entstehen, wenn Sascha in seinem Liebesschmerz rückfällig wurde und spielte? Wie eine Erlösung erschien es nun dem alten Herrn, datz Sascha wieder in ruhige Bahnen lenkte. Datz Sascha noch immer bedrückt schien, machte ihm nicht allzu viel Sorge. Auch das mutzte sich mit der Zeit verlieren. Er war ja noch so jung — noch nicht einmal dreißig Jahre. Da verwindet man noch leichter. Es würde schon noch alles gut werden. Frohen und leichteren Herzens überhäuften die Eltern Sascha mit Lie besbeweisen. Ihr Groll auf Ettsa war verflogen, seit ihr Gemahl ihr geschildert hatte, wie vornehm und stolz sich die junge Deutsche in der Verhandlung mit ihm gezeigt hatte. Es war ihr lieb, ihre frühere Ansicht über Elisa wieder festhalten zu können, und daß diese ihren Sohn so sehr liebte, versöhnte sie mit dem Affront, den sie ihr an getan hatte. Zart und liebevoll suchte sie Sascha das Le- ben wieder lieb zu machen. Ihre stolzen Pläne mit der Großfürstin hatte sie längst aufgegeben, jetzt hoffte sie nur darauf, daß sich Saschas Herz recht bald einer anderen jungen Dame aus seinem Kreise zuwenden möge. Sie wußte, das sicherste Mittel gegen eine unglückliche Liebe war eine neue Neigung. Was in Saschas Herzen vorgmff, das blieb seinen Eltern verborgen. So kain das Osterfest heran, und nun end lich erhielt Sascha, mit Einwilligung seines Va ters, den Abschied. Fürst Iwan fragte eines Abends seinen Sohn, ob er nun die geplante große Reise an- zutteten wünsche. Er glaubte, nun ohne Sorge darein willigen zu können. Zu seinem großen Erstaunen verneinte Ale xander diese Frage. Er erklärte, noch einige Monate damit warten zu wollen. Einesteils freute sich Fürst Iwan darüber, denn er war nun darüber beruhigt, datz Sascha etwa noch im Geheimen geplant hatte, Elisa zu suchen. Datz Sascha durch Tatjana die Adresse von Elisas Verwandten erfahren hatte, wutzte er natürlich nicht, sonst wäre er vielleicht noch viel froher gewesen, daß Sascha nicht die- sen Reise-Urlaub benutzte, um ihr zu folgen. Andernteils hätte er ganz gern gesehen, wenn sich sein Sohn durch eine Reise zerstreut und erfrischt hätte. Er drang jedoch nicht in ihn und stellte es ihm frei, erst später abzu reisen. Einige Tage nach Ostern war es. Fürst Iwan hatte vom Fenster aus feinem Sohne nachgesehen, der sich soeben zu seinem Komman deur begab, um sich zu verabschieden. Noch ein letztes Mal trug er die glänzende Uniform im Dienst. Als Alexander seinen Augen entschwunden war, trat Fürst Iwan vom Fenster zurück und lietz sich an seinem Schreibtisch nieder, um einige Briefe zu schreiben. Lange war er damit noch nicht beschäftigt, als ihm der Schlotzverwalter von Kalnoky ge meldet wurde. Erstaunt blickte er auf. Was mochte denn den alten Selnikow mit seinem lahmen Bein nach Petersburg führen? Der Schloßverwalter Selnikow war Invalide und hatte sein Amt als eine Art Ruheposten er halten. Fürst Iwan ließ ihn eintreten. Selnikow humpelte herein und stand stramm vor seinem Herrn. In dem verwitterten, von grauem Haar und Bart umgebenen Gesicht prägte sich deutlich genug eine Erregung aus. „Hollah! Selnikow — was gibt es? Sie sehen aus, als brächten Sie eine schlimme Bot schaft!" rief ihm der Fürst zu. Selnikow drehte die Pelzmütze in seinen zitternden Händen. „Halten zu Gnaden, Eure Durchlaucht, lei der muß ich das bestätigen — eine sehr schlim me Nachricht ist es, die ich bringe — und — ich wage es kaum, Eurer Durchlaucht zu mel den, was geschehen ist." Fürst Iwan erhob sich schnell von seinem Schreibtisch. „Keine langen Vorreden, Selnikow — was ist geschehen?" fragte er unruhig. „Halten zu Gnaden, Eure Durchlaucht, ich melde untertänigst, daß ich gestern in Kalnoktt einen Diebstahl entdeckt habe." „Einen Diebstahl? Was hat man gestohlen?" „Es wird mir schwer, Eurer Durchlaucht das zu sagen", erwiderte Selnikow. „Vorwärts, vorwärts — heraus mit der Sprache", drängte der Fürst. Selnikow schluckte einige Male krampfhaft. Dann stieß er hastig hervor: „Die Edelsteine sind aus dem Rahmen des Heiligenbildes über dem Altar in der Schlotz- kirche herausgebrochen und entwendet worden." Fürst Iwan schlug mit der Faust dröhnend auf den Schreibtisch. „Das ist eine schöne Bescherung, Selnikow! Erzählen Sie — möglichst kurz und klar." Selnikow berichtete nun, daß seit der Hoch zeit der jungen Fürstin niemand in die Kapelle gekommen sei, bis zum gestrigen Tage. Gestern morgen sei er mit einigen Dienern in die Ka pelle gegangen, um eine gründliche Reinigung derselben vorzunehmen, für den Fall, daß die Herrschaft schon im Frühjahr einige Zeit in Kalnoky zu verbringen gedächte. Wie sonst, habe er die Teppiche kehren, die Polster klopfen und den Staub von den Bänken und Stühlen entfernen lassen. Alles sei vor schriftsmäßig unter seiner Leitung und Aufsicht geschehen. Die kostbare Altardecke und die Geräte aus dem Altar habe er sorgsam selbst reinigen wol len. Erst, als er begonnen habe, mit dem Staubpinsel den kostbaren Rahmen des Heiligen- biwes abzustäuben, habe er mit Entsetzen das Fehlen der Edelsteine bemerkt. Sofort habe er die Reinigung der Kapelle unterbrechen lassen, damit möglichst alles in der Umgebung des Altars unberührt bleibe, und habe sich schweren Herzens selbst auf den Weg gemacht, seinem Herrn zu melden, was ge schehen sei. (Fortsetzung folgt.)
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