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WMkiMiWer TüME Tlrntsblatt. Nr. 282. Freitag, den 5. Dezember 1913. Zweites Blatt. Mr ISS Ml. 5. Dezember 1813. MarsäMll Macdonald erhält Besuch von einem Senator, der aus Befehl Napo leons kommt, um mit ihm über die Bedürf- nisse seiner „Armee" zu reden. Mit den Trüm mern seiner Truppen stand Macdonald in die ser Zeit bei Kleve, bis er dann gegen Bülow nach Holland geschickt wurde. Dem Senator gibt er folgende Antwort: „Sie wollen eine Besichtigung meiner Armee vornehmen? Das wird nicht lange dauern. Sie besteht, was das Persönliche betrifft, aus meiner Person, die Sie schon vor Augen haben, und derjenigen meines Generalstabschefs, des Generals Grund ier, der hereinkommen wird. Was das Sach liche betrifft, so besteht sie bis jetzt aus vier Strohstühlen und einem Tisch von Tannenholz. Ich schreibe aste Tage nach Paris, daß es ein schlechter Spaß ist, das, was Sie vor Augen haben, die „Armee des Marschalls Macdonald" zu nennen. Ich verlange mit lauter Stimme eine wirkliche Armee, denn ich bin weit ent- sernr, die astgemeine Meinung zu teilen, daß der Feind nicht über den Rhein gehen werde. Ich brauche nur die Richtung seiner Truppen zu sehen, um mich zu überzeugen, daß selbst der Rhein nicht das Ziel seines Marsches ist. Wenn der Kaiser dem Feinde nur eine Armee von der Stärke der meinigen entgegenzustesten hat, so brauchen unsere Gegner nicht eher als m Paris Halt zu machen." Deutscher Neichstag. Sitzung am 3. Dezember 1913. Schon draußen auf den Straßen merkt inan, daß ani heutigen Mittwoch im Reichstag etwas los war. Eine Schar Neugieriger, die keinen Einlaß mehr erhielt, vergnügt sich damit, die Volksvertreter Spießruten laufen zzi lassen, um so wenigstens eine kleine Nase voll von der großen Sitzung zu bekommen, die in Aussicht steht. Im Hause selbst sind die Tribünen dicht überfüllt, sogar die Diplomatenloge, die sonst so selten benutzt wird, weist zahlreichen Besuch auf, darunter auch den türkischen Unterhändler Dschavid Bey, der mit staunendem Blick das ungewohnte Bild in sich aufnimmt. Auch der Bundesrat ist vollzählig vertreten. Auf der Tagesordnung stehen drei In terpellationen über die Vorfälle in Zabern. Die Begründung der Interpellatio nen wird in folgendem gegeben: Abgeordneter Röser (fortschr. Vp.) be gründete die Interpellation seiner Partei. Die Interpellation wünscht vom Reichskanzler Aus kunft über die durch die Presse bekannt gewor denen Aeußerungen eines Offiziers in Zabern und die dadurch veranlaßten weiteren Vorgänge. Die Militärbehörde habe das begangene Unrecht nicht wieder gut gemacht, die Zivilbehöroe habe ihre Ohnmacht bewiesen, da sie wegen der un vollkommenen Verassung und der Abhängigkeit von Berlin das Land vor diesen Mißgriffen nicht habe schützen können. Es sei eine mili tärische Willkürherrschaft eingerissen. Es sei astgemein bekannt, daß das vom Leutnant von Forstner gebrauchte Wort „Wackes" nur auf Vagabunden, im Sinne der Geringschätzung der einheimischen Bevölkerung, angewandt werde. Ein Regimentsbefehl im 99. Regiment verbie tet ausdrücklich den Gebrauch des Wortes „Wackes". Bei jedem Löhnungsappell wurde die ser Befehl verlesen und jedem neueintretenden Offizier bekannt gegeben. Tie Aufregung im Lande ü er diesen Vorgang sei deshalb erklär lich und hätte die Militärbehörde veränlssen sol let,, beruhigend einzugreifen. Das sei aber nicht geschehen. Die abschwächende Erklärung, daß Leutnant v. Forstner die Bedeutung des Wor tes nicht gekannt und damit nur Radaubrüder gemeint habe, kam viel zu spät. Die Aufregung der Bevölkerung sei daher begreiflich. Dann kamen die provokatorischen Spaziergänge der vier jungen Leutnants durch die Volksmenge. Von diesen Provokationen spricht .das Telegramm des Gemeinderats an den Statthalter, den Reichs kanzler, den Reichstag und den Kriegsminister. Dann kam die Demission des Obersten v. Reu- tert, die Beruhigung, in die Bevölkerung brachte, die jedoch sofort wieder schwand, als der Oberst auf Veranlassung des Generals v. Deimling wieder zurückkehrte Die Bevölkerung in Elsaß- Lothringen fühlt in ihrer überwiegenden Mehr heit deutsch. In diesen Tagen aber sind unge heure Gefühlswerte verloren gegangen. Zuletzt hat man sogar Leute verhaftet, weil sie gelacht hgben. Der Redner schildert eine Reihe Vor fälle, die sich ereignet und zu Verhaftungen ge führt haben sollen. Den Vertretern der Zivil- behörden, welche sich bereit erklärten, die Ver nehmung der Verhafteten vorzunehmen erklärte der Oberst, er habe niemanden zu fragen und handle auf höheren Befehl. Später wurden dann die Verhafteten zur Vernehmung gebracht und dann sofort sreigelassen. Das Verhalten des Militärs habe gegen die Garnisondienstord nung verstoßen, die vorschreibt, daß jede ver haftete Zivilperson sofort dein Zivilrichter vor zuführen sei. Das sei nicht geschehen. Der Red ner verlas sodann Protestkundgebungen des Ver bandes der elsaß-lothringischen Mittelstädte und der elsaß-lothringischen Vereinigung, Es müß ten schleunige Maßnahmen getroffen werden, um die Bevölkerung zu beruhigen. Sie verlange nur eine gerechte Behandlung. Es folgte die Begründung der sozialdemo kratischen Interpellation, die denselben Gegen stand zum Vorwurf hatte. Abg. Peirotes (Soz.): Zabern iist die deutsch-freundlichste Stadt in Elsaß-Lothringen. (Hört, hört!) An anderen Orten Hüfte man die Vorgänge nicht so hingenommen. Angesichts der flagranten Gesetzesverletzung tritt der Kriegs minister hierher und hält noch eine Entschuldi- gurrgsrede, die die Leute, wie v. Forstner, noch ermutigen mußte. Die elsässische Bevölkerung ist heiteren Blutes. Wenn v. Forstner Pxali- nees tauft und sich dabei von bewaffneten Sol daten begleiten läßt, so lacht die Bevölkerung, und ihm, dem im Manöver ein Malheur ist, rufen die Jungen etwas wie „Bettbeschmutzer" nach. Das ließ sich der Mann nicht gefasten, der den Soldaten sagte: Auf die französische Fahne könnt Ihr . . . usw. Tie Ruhe der Be völkerung ist bewundernswert, zumal Blut ge flossen ist. Wenn nicht das Militär Hochverrat begangen hat, so liegt wenigstens nervöser Ver- solgungswahnsinn vor. Daß Jugend keine Tugend hat, geben wir zu, solch ein Mann ge hört aber nicht ins Elsaß, wenigstens soll er dort nicht gehalten werden, der mit geladenem Revolver zu Tische geht und die Speisenkarle aufspießt, wenn er das französische Wort „Gulasch" daraus findet. (Heiterkeit) Die Elsäs ser bedanken sich für eine derartige Kultur, die vielleicht an der russischen Grenze am Platze sein mag, die Elsässer bedanken sich für diese Kul- lU/r der Junker. (Der Präsident rügt diesen Ausdruck.) Bedenklich ist, daß ausge- rechner Deimling in das Elsaß gesetzt wird (Gr. Unruhe, wiederholt Glocke des Präsiden ten.) Deimling, der auch im Reichstag einen Sturm der Entrüstung hervorrief, ist der schlimmste Vertreter der Soldateska. (Große Unruhe, Präsident Dr. Kaempf bittet den Red ner, „gemäßigter" fortzufahren. Heiterkeit!) Elsaß- Lothringen ist tatsächlich das Glacis geworden, das Milirär bedeutet alles, die Bevölkerung nichts. Wenn der Reichskanzler zugreifen wist — kann er es auch wirklich? Das ganze elsäs sische Volk ist beleidigt worden und fordert Ge nugtuung. Tas beste wäre, das Regiment zu versetzen. Auch innerhalb der deutschen Gren zen hat der Bürger ein Recht auf Schutz seiner Ehre. Dafür muß der Reichskanzler sorgen, daß die Hochverräter in gebührende Strafe genom men werden, sonst bleiben wir hinter Venezuela und Mexiko zrwück. (Große Unruhe. — Der Präsident ruft den Redner z u r Ord nung.) Abg. Hauß (Els.): Unverständlich ist uns, daß der Kriegsminister kein Wort des Be dauerns hatte für das Verhalten des Leutnants v. Forstner, der vom Oberst gehalten wird. Die Rechte vergißt, daß Zabern der langjährige Wahlkreis Dr Hoeffels war, und gegen diese Bevölkerung wird von der astdeutschen Presse scharf gemacht. (Schriftführer Abg. Rogalla von Bieberstein unterhält sich mit dem Präsidenten: darauf Rufe von den Soz.: Rogalla denunziert! So werden Ordnungsrufe gemacht. Unruhe.) v. Forstner, der Leutnant von Taverne, halt sich auch durch seine Aeußerung über die Fremden legion als unfähig zur Erziehung von Rekruten gezeigt. Zu meiner Zeit wurden die reifsten und tüchtigsten Offiziere zur Nekrutenerziehung genom'men. Damals sielen nicht derartige nied rige Redensarten. Auch der Oberst hat gesetz widrig gehandelt, als er in der Redaktion recherchieren ließ, das war Haussviedensbruch auf höheren Befett. (Hört, hört!) Aste diese Männer, gewiß gute Patrioten, gehören nicht in das Neichsland. Der damalige Oberst Deim ling versprach hier im Reichstage: „So lange ich Oberst bin, hört die Sühne nicht auf." Das ist die Sprache der Soldateska. Das ist sieben stahre her und Herr Deimling hat immer noch nichts dazu gelernt. Wenn Leutnant v. Forst ner bei seinen kleinen Einkäufen von Soldaten mit umgehängtem Gewehr begleitet wirb, wer da nicht lacht^ hat keinen Sinn mehr für Humor. Nur die armen Soldaten sind zu bedauern, die an solchen, Mummenschanz teilnehmen müssen. (Sebr richtig!) In die Begleitung des Leut nants v. Forstner gehören keine Soldaten, son dern eine Amme, die ihn schützt. (Große Hei terkeit.) Leutnant v. Forstner, der Beleidiger des Volkes, läuft noch immer frei in Zabern herum. Als ein Offizier in Oldenburg die Rekruten „Oldenbupger Ochsen" anredete, war der Offizier nach 24 Stunden jenseits der Gren zen. Weshalb ist man hier nicht auch so ver fahren? Die loyalen Bürger stehen am Trüm merfeld ihrer loyalen Arbeit. Die Folgen sind nicht zu übersehen. Plumpe Soldatenstiefel haben alles niedergetreten. Der Schaden ist ein dauernder. Die französische Presse ist auffallend ruhig gewesen Die Er'regung im Neichslande ist keine künstliche. Einheimische wie Einge wanderte protestieren einmütig Hoffentlich spricht der Reichskanzler das erlösende Wort, so daß wir wie der Müller von Sanssoufti sagen können: „Es gibt noch gerechte Richter in Ber lin." (Beifall.) Hierauf nahm Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollweg das Wort, des sen Ausführungen wir in einem besonderen Ar- rikel in, Hauptblatt wiedergeben. Nächster Redner ist der preußische Kriegs minister v. Falkenhayn; er sagt u. a.: Ich habe meinen Ausführungen von neulich nichts hinzuzufügen. Ich sollte meinen, sie ent- hielien alles. Eins freilich konnten sie nicht ent halten, die Zusicherung nämlich, daß die Mili tärbehörden den lärmenden Tumultuanten und hetzerischen Presseorganen (Große Unruhe, Lärm, Pfuirufe) — ich wiederhole dies (erneuter Lärm) nachgeben könnten. (Erneuter Lärm, Abg. Lede- bour tritt auf den Rednertisch zu und rUst dem Kriegsminister verschiedenes zu, die Worte gehen im allgemeinen Tumult verloren. Der Prä sident ruft sodann den Abg. Ledeboulr zur Ordnung, mit ihm auch noch mehrere andere Abgeordnete der äußersten Linken.) Der pringende Punkt für den ganzen Spektakel in Zabern sind die Dinge lange nicht mehr, auch der Blödeste im Lande weiß, daß die Ange legenheit in den festen Händen der Vorgesetzten ist (Lärm) und eine ordnungsmäßige Erledi gung finden wird, es handelt sich um den aus gesprochenen Versuch, durch Pvotesttreibereien die Disziplin zu lockern. (Erneuter Lärm.) Im Augenblick hftte ein Zurückweichen Wohl Ruhe geschaffen, .der Appetit kommt aber beim Essen. (Zuruf von den Soz.: Beim Militär!.) Die Tat würde tausende Nachfolger haben und es wären Zustände zu erwarten, die nicht im Interesse der Ordnung liegen. (Lärm.) Hinsichtlich der Wahrung der Volksrechte bin ich gewiß dersel ben Ansicht als Sie, aber die Armee ist doch ein Teil des Volkes und nicht der unwichtigste- Ohne die Tüchtigkeit des Heeres stände nicht ein Stein dieser stolzen Mauer hier. (Lachen.) Kein Arbeiter im Lande könnte sckm Brot ver dienen ohne die Armee, ohne die Sicherheit der Landesverteidigung. Zu den Lebensbedingun- zen der Armee gehört aber auch die Autorität der Disziplin und das Ehrgefühl. (Lachen.) Niemand, wenn er nicht vor Parteileidenschaft erblindet ist, kann glauben, daß es förderlich gewesen wäre, wenn die verantwortlichen Stel len von Treibern von außenher beeinflußt wer den könnten. (Lärm.) Was Disziplin heißt, ueiß jeder, der einmal eine scharfe Kugel hat pfei'en hören. Nur Disziplin und Ehrgefühl hält den Soldaten im Kampf. Militärische Ueberhebung darf natürlich nicht geduldet wer den. Es wäre unmöglich, wenn man fordern wollte, daß Soldaten dauernd planmäßige Be schimpfungen ertragen sollen. (Zuruf links: Die Rekruten werden ständig beschimpft.) Wenn hier immer gesagt wird, es handle sich nur um einen jungen Offizier, so scheint man nicht zu wissen, was in unserer Armee der junge Offizier und Unteroffizier bedeuten. (Lachen links.) Die Armee ist nicht dazu bestimmt, um Polizei- und Sicherheitsdienste außerhalb ihres eigenen Bereiches auszuüben. Schreitet sie aber einmal ein, so sind Härten dabei ganz unver meidlich. (Große Unruhe.) Ist es besser, wenn ein Offizier, der auf der Straße beschimpft w.rd, dem Betretenden den Degen durch den Leib stößt (Großer Lärm. Rufe: Unerhört!) oder wenn er ein paar Leute mitnimmt, die den Uebeltäter packen und zur Polizei bringen? Es ist hier von dem Typus einer übermütigen Sol dateska die Rede gewesen. Was Herr Deimling früher gemacht hat, sollte man nicht so hoch anrechnen. (Zuruf: Er ist derselbe geblieben wie früher!) Ja, das ist ja das Beste an ihm! (Allgemeine dauernde Heiterkeit.) Abg. Fehrenbach (Zentr.): Wir woll ten an unserem Teile heilend auf die Schäden wirken und hatten, was ich namens meiner Par tei erkläre, die Erwartung, daß die Reden des Reichskanzlers und des Kriegsministers uns Vor arbeiten würden. Diese Erwartung ist nicht er füllt. (Stürmische Zustimmung.) Was heute vorgetragen wurde, klingt wie aus eineü an deren Welt. (Sehr richtig!) Es wurde nichts gesagt, wie Abhilfe erfolgen soll. Hoffentlich war der Ton des Kriegsministers nicht die Re sonanz von Unterredungen, die kurz vorher statt gefunden haben, sonst wäre der heutige Tag ein Unglückstag für das Deutsche Reich. (Langan haltende große Zustimmung links und im Zen trum.) Der Behauptung des Leutnants, er habe mit dem Ausdruck „Wackes' nur gewisse streit süchtige Leute gememt, messe ich keinen Glau ben vei. Die Elsässer Haven das Recht, sich Beschimpfungen zu verbitten und eine strenge Bestrafung des Sünders zu verlangen. Wer das nicht versteht, hat leinen Blick in die Seele des Voltes getan, hat lein Gefühl für das Gefühl des Volles. (Große Zustimmung linls und im Zentrum.) Nicht notwendig ist es, an ein un gerechtfertigtes Eingreifen Deimlings zu denken. Die Begleitung des Leutnants bei den Schoko- laden-Emtäufen ist doch die reine Donquichot terie. (Stürmischer Beifall.) Den j Leutnant hätte der Oberst nur sofort auf 14 Tage auf Urlaub schicken und inzwischen die Sache zu re geln suchen sollen. (Leohafte Zustimmung.) Dann wäre ein solcher Keil nicht in die deutsche Bevölkerung Hineingetrieben worden. Jetzt macht sich Entrüstung im ganzen Reiche geltend. (Stür mischer Beifall im ganzen Hause.) Kriegsminister v. Fallenhayn (mit lebhalten Zurufen empsangen): Der Osfizier ist sehr schwer bestraft worden. (Leohafte Zuruse: Wie denn?) Ich kann darüber hier nicht spre chen. (Große Unruhe.) Im übrigen Haven die Gerichte zu entscheiden. Ich habe keine Recht fertigung für den Wassengeorauch eines Offiziers bei schweren Beleidigungen gegeven; wenn aber ein Offizier immer wieder oeleidigr wird und schließlich dann zur Setosthilse schreitet und ge zwungen wird, seine Waste zu georauchen, um sich zu wehren, so ist das zu begreifen. (Leb hafte Entrustungsrufe im Zentrum und links.) Avg. v. Caller (Natl.): In ganz Eljap- Lothringen, bei Einheimischen und Altdeutschen, herrscht Entrüstung. Die Bedeutung dieser Vor- fälle geht wett hinaus über militärische Gesichts punkte, sie ist eine Frage von höchster politischer Bedeumng. Wir wollen nichts überlreioen, aber doch die Sache beim rechten Namen nennen. Seien wir ehrlich: Die Elsasser sind nicht im mer wählerisch in ihren Ausdrucken, wenn es sich z. B. um den Ausdruck „Schwob" und seine Zu sammensetzungen handelt. Wenn die Militär verwaltung gleich erklärt hätte: Wir wissen noch nicht, wie die Ausdrücke des Leutnants gelamet haben, gegebenenfalls aber werden entfprechende Strafen eintreten, so wäre die Sache ganz an ders gekommen. Warum hat die Militärverwal tung das nicht getan? Warum diese falsche Pre stigepolitik, die glaubt, die Autorität zu gefähr den, wenn sie begangenes Unrecht eingesleht? Es freut mich, daß der Kriegsminister im zweiten Zalle selbst erklärt hat: Wir haben nicht recht gehabt und haben die Gesetze überschritten. Ich habe die feste Hoffnung, daß in Zukunft nichts geschieht, was die Freiheit des Staatsbürgers bedroht. Es ist unbegreiflich, daß die Leute in den Pandurenkeller gesperrt werden, es han delt sich doch um eine gutdeutsche Stadt, wo ein Zehntel der Bevölkerung Französisch spricht. Die Militärverwaltung steht auf einem anderen Standpunkt. Sie mutz aber erst beweisen, daß sie recht hat. Was wird nun geschehen? Wie oenkt sich der Kriegsminister nun die Zukunft von Elsatz-Lothringen? Manche halten eine Militärdiktatur für richtig, eine Glacispolitik, wonach Elsatz-Lothringen nur ein einziges Fe- ftungsgelände wäre. Damit hat man noch nie Erfolge errungen. Haben wir aber alle die Ener gie, um eine solche Regierungspolitik jahrelang durchzuführen? Wir würden bald wieder auf die alte Methode zurückkommen. Ich bitte den Kanzler dringend hier zu erklären, wie die Po litik weitergehen soll. (Zuruf links: Wenn der das wüßte!) Herr Kanzler, ergreifen Sie Maß regeln und nennen Sie sie, die eine glückliche Zukunft der Reichslande verbürgen. (Lebhafter Bei all.) Kriegsminister v. Falkenhayn: Der Vorredner hat mich gefragt, wie ich mir die Zukunft von Elsaß-Lothringen denke. (Großes Gelächtev links und im Zentrum, Ruf: Den Reichskanzler hat er gefragt!) Ich kann nur über die militärische Zukunft sprechen. Wir wer- den in der Armee schon Ordnung halten. (Bei fall rechts. Großes Gelächter links und im Zentrum.) Sorgen Sie dafür, daß der Geist, der sich jetzt in der Bevölkerung bemerkbar ge macht hat, hinausziejht! (Lachen links.) Mehr kann ich nicht sagen. (Erneutes Gelächter linls.) Präs. Dr. Kaempf: Eingegangen ist folgender Antrag Fischbeck (Vp.): Der Reichstag wolle beschließen, festzustellen, daß die Behandlung der den Gegenstand der Interpella tionen bildenden Angelegenheit durch den Reichskanzler" den Anschauungen nicht entspricht. (Beifall links und im Zentrum.) Das Haus vertagt sich. Schluß 6 Uhr. Donnerstag 1 Uhr: Weiterberatung.