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M. <07. Unterhaltungs-Beilage ms. . zum hohenstein-Ernstthaler Tageblatt Tlrntsblatt. ——— Erscheint wöchentlich zweinral. ————— Druck und Verlag von I. Auhr Nachfolger Or. Aldan Krisch, Hohenstein-Lrnstthal. Das Glück von Velmenkorlt Roman von Marie Walter. (20. Fortsetzung.) Wieder blieb er stehen, ihr fest ins Auge schauend, i „Ich war zu der Erkenntnis gelangt, daß das Verhältnis zwischen uns unhaltbar, daß das Leben, welches wir mit einander führten, unerträglich geworden war. Und so ging ich fort — in eine einsame Gegend —, um mit mir und meinem Gewissen klar zu werden. Ich wollte er gründen, ob eine Anklage gegen mich berechtigt war oder nicht. Anfangs glaubte ich das letztere, doch je länger ich nachdachte, desto mehr sah ich ein, daß du recht hattest. Ich gestehe, daß ich hart, mißtrauisch, unbillig gegen dich gewesen bin. Du hattest vollkommen Ursache, mir Vor würfe zu machen, ja mich zu hassen, denn ich war wissent lich blind — ich wollte nicht das Licht sehen, das über meinem Leben aufgegangen, das mir zum Leitstern hätte werden sollen. Es ist nun endlich doch mein Führer ge worden, denn reuevoll kehre ich zu dir zurück. In der Einsamkeit habe ich erkannt, wie tief meine Liebe zu dir ist, Marga. Ich vermag nicht ohne dich zu leben, und doch kann ich erst mit dir leben, wenn du mir verzeihst und mir deine Liebe schenkst." Wie eine Flutwelle seligsten Glückes drangen diese Worte in Margas Herz. Unbekümmert, daß sie auf offener Landstraße standen, schlang sie die Arme um ihren Gatten und flüsterte in verhaltenem Jubel: „O Egon, Geliebter, ich war ja ebenso blind wie du! Konntest du es glauben, als ich dir sagte, meine Liebe zu dir sei er loschen? Sie ist stärker als der Tod und — ich bin so glücklich, daß du wieder hier bist — daß du mich liebst!" „Mein Stern! Du mein alles!" murmelte Delmen horst, die schlanke Gestalt seines jungen Weibes fest an sich pressend. „Zu lange irrte ich fern von dir, doch nun sollst du mir allzeit leuchten als meine Sonne, als mein Glücksstern!" Und zum erstenmal begegneten sich ihre Lippen in einem heißen, liebeatmenden Kuß. 14. Kapitel. Nora von Larsfeld war nach Berlin zurückgekehrt, und als erster besuchte sie Leutnant Seebach, um Näheres über Wally von ihr zu hören. Sie befriedigte seine Wißbegier, als sie sich dann aber nach Santen erkundigte, machte er ein sehr ernstes Gesi.ht. „So viel ich erfahren", berichtete er ihr, „lebt er ganz abgeschlossen und trinkt sich zu Tode." „Er trinkt?" „Ja und zwar in besorgniserregender Weise. Seine Hauswirtin ließ Theo sagen, Santen scheine krank zu sein. ! ob er nicht nach ihm sehen wolle. Ich war gerade an- ! wesend, als er diese Botschaft erhielt. Er weigerte sich i jedoch, zu Santen zu gehen, und so entschloß ich mich dazu, obgleich ich ihm, wie du wohl weißt, nicht eben ' freundlich gesinnt bin. Aus Vorsicht nahm ich einen Arzt mit mir. Wir fanden den Patienten in einem fast be täubten Zustand, der daraus schließen ließ, daß er nicht i nur übermäßig trinkt, sondern auch stark Opium gebraucht. .' (Nachdruck oerboten.1 Der Arzt gab ihm Verordnungen, die er aber schwerlich befolgen wird." „Was verschrieb ihm der Arzt?" „Erstens Meidung aller geistigen Getränke und Be täubungsmittel und zweitens völlige Änderung der Lebensweise — womöglich einen längeren Landaufenthalt. Geschähe dies nicht, so werde er bald in Delirium tremens verfallen oder, noch schlimmer, an Gehirnerweichung zu grunde gehen." „O, wie entsetzlich!" rief Nora erschrocken aus. „Kaun nichts für ihn getan werden? Willst du nicht ver suchen, ihm zu helfen?" Seebach zuckte die Achseln. „Wie sollte ich? Wir sind nicht befreundet und ich habe keinen Einfluß auf ihn. Um seiner Frau willen tut es mir leid, aber — es ist seine eigene Schuld und obendrein ein Verbrechen, sich systematisch zu Ende zu trinken. Besitzt er einen Freund auf der Welt, so muß man es dem mitteilen, und der möge ihm dann zu helfen suchen." „Ich bin seine Freundin", erklärte Nora sich erhebend. „Die Einzige, die zu ihm hält, die Einzige, die ihn retten kann." „Du darfst aber nicht zu ihm gehen", warf Seebach ein. „Bei seinem unberechenbaren Zustand wäre es ge fährlich und außerdem —" „Weshalb sollte ich nicht?" Nora stand mit blitzenden Augen und entschlossener Miene da. „Glaubst du, ich könnte ruhig zusehen, wie er, gerade er, einem elenden Untergang entgegensteuert? Nein, gewiß nicht! Du magst mich begleiten, Max, aber nichts auf Erden wird mich ab- haiten, zu ihm zu eilen. Wenn Leben und Verstand eines Menschen auf dem Spiele steht, gibt es für mich kein Be denken, keine kleinlichen Rücksichten. Komm also mit mir, und wir wollen versuchen, ihn vor sich selbst zu schützen, einen besseren Menschen und Ehemann aus ihm zu machen." „Du wirst ihn doch nicht zu — Wally schicken wollen?" wandte Seebach mißbilligend ein. „Warum nicht?" entgegnete sie ruhig. „Sei es auch nur, damit er ihre Verzeihung erbittet und sich zu bessern verspricht." Seebach hegte eine zu große Achtung vor seiner Cousine um länger zu widersprechen. Er erklärte sich be reit, sie zu begleiten, und so begaben sie sich ohne Zeit verlust in Santens Wohnung. Hier bat Nora ihren Vetter, im Salon zu warten, da sie zuerst allein mit Santen zu reden wünsche. Als sie dessen Zimmer betrat, sah sie ihn nahe dem Ofen in einem Lehnsessel ruhen. Neben ihm stand ein Tischchen mit Gläsern, Medizin- und Kognakflaschen. Santen schien zu schlafen, denn er merkte nicht, wie Nora zu ihm trat. „Paul", redete sie ihn mit lauter Stimme an, „ich möchte dich ein paar Minuten sprechen." Er bewegte sich unruhig hin und her, dann öffnete er langsam die Augen.