Volltext Seite (XML)
I ,1— tz>L^«GdL Z sZ.^Z " >2 - L> 2 bo Z L § « L. ZTZ Geranien. Von Minna von Heide. (Nachdruck verboten.) Wir verehrten ihn als den besten edelsten Menschen. Wir kannten ihn als den gütigsten Mann. Sein Herz war das stärkste und das weichste zugleich. Aber niemand unter uns allen, die wir ihn lieb hatten, besaß den Mut, zu ihm zu gehen. Nicht einer unter uns. Schließlich gingen wir zu Dreien. Er hatte nämlich die Gefährtin seines Lebens ver loren. Den schneeweißgewordenen Mann hatte die Frau mit den klaren blauen Augen verlassen, mit der unendlich wohltuenden Stimme, welche die Klang gewordene Mütterlichkeit war. Er hatte die Frau verloren, die ihm im besten Sinne des Begriffs ein Menschenleben zu eigen gewesen war, und mit der er eine Gemeinsamkeit geführt hatte, daß kein Mensch näher an den beiden hätte vor übergehen können, ohne davon berührt zu werden. Beim Eintritt in sein Haus klammerten sich meine Hände unwillkürlich ineinander. Wir fanden ihn an der aufgebahrten Leiche. Er wollte, daß wir zu ihm treten sollten. Und als wir die zwei Menschen sahen, den lebendigen und den toten, da hat jeder von unS nur das einzige Gefühl haben können, warum nur hat es uns an Mut gefehlt! An dieser Stätte hätten wir uns jedes tröstlichen Gedankens schämen müssen. Alle-, waS an Zuverficht auf vorsehende Weisheit in einem Menschenantlid ausgeprägt sein kann, das lag in den friedlich schlummernden Zügen der Toten und blickte unS an auS der klaren, festen Schritt, die der ewige Finger noch nicht gelöscht hatte. Rings um daS weiße, schlichte Totenlager waren Blüten von hellroten und dunkelroten Geranien hin gestreut. Mit dem Stil leicht unter der schmalen Leinen spitze versteckt lag jede Blüte, als ob sie auch zur Ruhe gehen wolle. Sonst sah man weder Blumen «och nähme betrachtend. .Wenn ich Ihnen nur u helfen, etwas Mr Sie tun könnte!' „O, ich werde sofort an meinen Vater telegraphieren', rief Gustav, mit erregten Schritten auf und ab gehend, „und dann will ich mit dem Schurken, dem Sanden, ab rechnen — er soll dafür büßen!" Wally sah seinen Zorn, sah, wie ernst er es meinte und eine jähe Angst überfiel sie, daß die beiden heißblütigen, rachedürstenden jungen Leute einen Skandal Hervorrufen könnten, unter dem ihr Ruf am meisten leiden werde. Sie erhob sich daher und die Hand auf des Bruders Schulter legend, fagte sie mit fester Stimme: „Gustav, wenn du mich liebst, so wirst du dich nicht mit Paul ein- laffen. Versprich es mir — sonst gehe ich auch von dir fort." „Du wrichst wie ein unverständiges Mädchen", gab Gustav hitzig zurück. »Ich kann unmöglich ruhig zusehen, daß der Schurke dich so behandelt." „Ich bitte dich noch mals, Gustav", beharrte Wally, „mir zuliebe mische dich nicht ein. Überlaß das Papa; er wird am besten wissen, was zu tun." — „Soll ich eine Depesche Mr Sie an ihn senden?" fragte Seebach, dessen ganzes Innere sich über die der jungen Frau angetane Schmach empörte. „Ja, bitte!" nickte Wally. „Aber", fügte sie stockend hinzu, „ich möchte Ihnen erst sagen — wie alles kam. „Ich — ich habe Paul zuerst gereizt, und — er hatte zu viel Wein getrunken. Wir stritten unS, und ich sagte ihm, daß ich Briefe, die ihm gehörten, weggenommen und an jemand geschickt hatte — es war ja unrecht von mir gewesen —, und dann wurde er so wütend, daß er mich aus dem Hause jagte und mir sagte, ich dürfe mich nie wieder bei ihm blicken lassen. AIS ich fort war, reute es ihn wohl, denn er öffnete die Haustür und rief mich zurück. Ich fürchtete mich aber vor ihm und suchte mir den Weg zu dir her, Gustav. Und nun bitte, telegraphieren Sie an meinen Vater", wandte sie sich zu Seebach, ^aber in meinem Namm ganz kurz so: „Ich habe kein Heim mehr, darf ich morgen zu dir kommen? Und dann — gehen Sie ruhig nach Hause. Versprechen Sie eS mir. Ich reise morgen von hier ab, einerlei ob ich inzwischen von Hause Nachricht erhalte oder nicht." (Fortsetzung folgt.) „Nein, er hält sich jetzt hier auf; ich glaube, er be sucht eine höhere Schule. Wenn du ihn ab und zu unter deinen Schutz nehmen wolltest, Mah wär'» nur ein gutes Werk. Ich verschaffe dir seine Adresse, und du achtest viel leicht darauf, daß er nicht in schlechte Hände fällt." herzlich gern", versprach Max. Er hielt auch wirklich Wort, nur zu froh, Wallys Bruder von Nutzen sein zu können. Gustav, der seinem Vorsatz, sich zu bessern und das Vertrauen feines Vaters wiederzugewinnen, treu geblieben war, schloß sich dem neuen Freunde, dessen offenes, heiteres Wesen ihn überaus anzog, rasch an, und die beiden wurden bald — soweit eS ihre Zeit gestattete — unzer trennliche Gefährten. Seebach vergaß auch nicht, was er seiner Kusine ver sprochen hatte — er besuchte Wally nur sehr selten. Ob gleich er sich aber einredete, sie interessiere ihn einzig und allein, weil sie beide aus derselben Gegend stammten und ihr« Eltern sich kannten, so sprach doch noch ein wärmeres Gefühl mit, daS sich »war vorerst nur in ritterlicher Teil- nähme für Wallys vereinsamte Lage äußerte, allmählich jedoch sein ganzes Denken und Sinnen in Besitz nahm. Als der Sommer ins Land zog, zerstreute sich die sogenannt« Gesellschaft nach allen Richtungen, um in Bädern und Sommerfrischen neue Kräfte für die Strapazen des Winters zu sammeln. Nora von Larsfeld unternahm eine längere Reis« nach Norwegen, von der sie erst im Oktober zurückkehrte. Seebach begleitete fi«, mußte seine NorblanbSreif« aber früher unterbrechen, da er nicht so lang« Urlaub hatte. Gustav verlebt« sein« Ferien auf Schloß Delmenhorst. Als er dann wieder mit seiner Schwester zusammentraf, fand «r, daß fi« bleich und matt auSsah, obgleich sie be- hauptet«, sich ganz wohl «u fühlen. Er ging nicht ost zu ihr, well Santen immer mürrischer wurde, und sie hielt auch uicht ihr Versprechen, ihn einmal zu besuchen, ver mutlich, weil ihr Gatte es nicht erlaubte. „Ich begreif« nicht, wie Wally mit Tanten auS- komm«« kann", sagt« Gustav eines AbtndS kurz vor Weih nachten zu S««bach, den «r zu sich in sein« Wohnung ab- geholt hatte. „Er ist geradezu unleidlich. Ich wünschte, wir könnten Wally wieder daheim haben und ihm den Laufpaß geben." .Vielleicht rvä»e sie gar nicht damit einverstanden", erwiderte Max. „Das käme auf «inen Versuch an", widersprach Gustav. „Wenn ich meinen Vater bewegrn könnte, sie aufzufordern, Weihnachten mit uns zu verbringen — sh, waS war das?" unterbrach er sich, als er lauteS Stimmen geräusch vom Gang her vernahm. Er öffnete die Tür seines ZimmerS und spähte hinaus. Im Hausflur stand eine in einen Mantel gehüllte, vom Rege» völlig durchnäßte Frauengestalt, der die Wirtin, wir es schien, den Eintritt verwehren wollte. Zu seiner maßlosen Überraschung erkannte Gustav seine Schwester, die an der protestierenden Wirtin vorbei rasch auf ihn Meiste. Er »og ste mit sich inS Zimmer, und hier warf sie sich schluchzend in seine Arme. „Gustav, ich komme zu dir" stammelte sie, „denn ich weiß nicht, wohin ich gehen soll. Paul hat mich auf die Straße hinausgejagt." „WaS? Santen hat das getan?" „Ja — der Mann, um dessentwill« ich meinen Vater täuschte und euch alle verließ. O, ihr könnt nicht sagen, ich hätte nicht dafür gebüßt." Sie war ohne Hut, und «r ein leichter dunkler Mantel lag über dem ausgeschnittenen hellfarbigen Ge sellschaftskleid, das fi« trug. „Bist du zu Fuß gekommen?" fragte Gustav, sie zu einem Sessel führend, den er näher an den Ofen rückte. Wally nickte. „Ich hatte ja kein Geld, um einen Wagen M nehmen." „ES ist unerhört", rief Gustav zornig auS, „daß Santen dich bei dem Wetter in deinem dünnen Kleid auf die Straß« setzte." „Ach, das war mir einerlei," entgegnete Wally, und sich zu Seebach wendend, der vor Überraschung noch keine Worte gefunden, sagte sie mit leidenschaftlichem Ungestüm: Zch konnte nichts dafür, es war wirklich nicht meine Schuld." »Das glaube ich gern", erwiderte Max, sie voll Teil