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einen Brief «ingeworfen. W»T«? Ti« ihn mir nicht I herausgeben?" Der Beamte zuckte die Schult««. „Bedaure, daS geht nicht." Wally lieh sich jedoch nicht «»weisen. „Ich werde Ihnen den Brief zeigen, und wenn Sie mir erlauben, ihn herauszunehmen, gebe ich Ihnen eine Mark dafür." Der Mann lächelte mitleidig. „Hätte es gern getan, 's ist aber verboten. Es geht nicht, und wenn Sie mir noch so viel bieten." Er eilte mit raschen Schritten fort, während Wally ihm ratlos nachschaute. „Kann ich Ihnen dienlich sein?" fragte plötzlich eine Stimme hinter ihr, und sich umwendend, erkannte Wally Leutnant von Seebach, dessen ehrliche blaue Augen ihr solches Vertrauen einflöhten. „Ach, ich bin so froh, dah Sie es find", sagte sie leb haft. „Ich dachte, es sei —" Sie hielt inne, und er fragte sich im stillen, ob sie gefürchtet habe, ihren Gatten zu sehen. „Ich habe einen Brief in den Kasten geworfen", fuhr sie dann rascher fort, „den ich gern wieder heraus hätte. Der Postbote weigerte sich aber, ihn mir zu geben. Kann ich ihn wirklich nicht zurückerhalten?" „Ich fürchte nein", erwiderte Seebach. „Was einmal im Kasten liegt, darf nicht herausgenommen werden, außer im Postbureau. Wollen Sie dorthin?" „Nein", wehrte sie hastig ab, „ich will lieber nach Hause gehen." Seebach begleitete sie die kurze Strecke bis zu ihrem Hotel, wobei ihm ihr gedrücktes, auffallend schweigsames Wesen nicht entging. Als er sich an der Tür von ihr verabschieden wollte, bat sie ihn, mit hereinzukommen, und dieser Einladung folgte er nur zu gern. „Hat Sie der gestrige Abend nicht ermüdet?" — fragte er, sobald sie sich im Salon niedergelassen batten. „Nicht im geringsten!" versicherte sie. „Ich habe mich noch nie in meinem Leben besser unterhalten, aber jetzt werde ich niemals mehr eine Freude haben", fügte sie mit auS- brechender Leidenschaftlichkeit hinzu. „O doch, Sie werden noch manches Schöne genießen", wandte er begütigend ein. „Nein, niemals!" widersprach Wally. „Ich verdiene es auch nicht, denn ich habe meinem Vater großen Kummer bereitet. Immer hoffe ich, er werde mir verzeihen, aber er tut es nicht und das — das quält mich so sehr!" — seu sie sie mit aussteigenden Tränen. „Haben Sie von ihm gehört?" fragte Seebald teil nehmend. „Ja. Er ließ mich benachrichtigen, daß er keine schriftliche Verbindung mehr wünsche und mich auch nie Wiedersehen wolle." „Nun, nun", tröstete Seebach, „er meint das sicher nicht so ernst und wird allmählich doch nachgeben. So hartherzig kann er unmöglich sein." „Ich weiß nicht", entgegnete sie zweifelnd, „er war stets streng und unnahbar. Ich dachte nicht, daß ich etwas Schlimmes getan hätte, bis — bis Sie gestern abend so errist und überrascht aussahen, als ich es Ihnen erzählte. Seitdem habe ich es eingesehen." Ihre kindlichen Worte rührten ihn. „Könnte ich doch etwas für Sie tun!" sagte er warm. „Soll ich meinen Vater bitten, daß er ein gutes Wort für Sie spricht? Er täte es gewiß. —" Wally schüttelte den Kopf. „Das würde doch nichts nützen." „Es tut mir wirklich leid, Sie so traurig zu sehen", äußerte der junge Leutnant in herzlichem Ton. „Wenn ich Ihnen in irgendeiner Weise helfen kann, finden Sie mich jederzeit bereit." Bevor Wally ihm danken konnte, trat Santen ein. Sr musterte das Paar mit scharfem Blick, begrüßte aber Seebach in seiner lässigjorgloseu Art und lud ihn für den folgenden Tag zum Abendessen ein. Sobald Seebach sich verabschiedet hatte, wandte sich Santen zu seiner Frau, indem er sich neben sie setzte und sie an sich zog. „Na, Liebchen", sagte er ungewohnt freundlich, „schmolle nicht länger. Ich hab'S ja nicht ernst gemeint, brauchst dir also nicht- zu Herzen zu nehmen." ,O Paul", stammelte Wally, „liebst du mich doch?" »Natürlich, du kleines Närrchen!" lachte er. „Jeden falls wie ein Mann seine Frau liebt. Ich kann's nur nicht so zeigen, weil ich nicht besonders sentimental ver anlagt bin." Er küßte sie, aber sie erividerte diese Liebkosung nicht. Angst und Schuldbewußtsein schnürten ihr das Herz zu sammen. Sie durfte ihrem Gatten nicht sagen, daß sie Margas Briefe an Möller geschickt hatte, noch weniger wagte sie ihn zu fragen, ob sie daS einzige Weib sei, da» er je geliebt habe. H. Kapitel. Inzwischen nahm das Leben auf Schloß Delmenhorst wieder seinen regelmäßigen Gang. Der Freiherr schien sich betreffs seiner Tochter in da» Unabänderliche gefügt zu haben, und wenn er ihr auch di« geforderte Geldunterstützung abschlug, lautete seine Bot schaft an sie doch nicht so hart und unverzeihlich, wie sein Schwager, den er mit der Antwort betraut hatte, sie zu übermitteln für gut fand. Es gab sogar Augenblicke, wo er sich geneigt fühlte, Wally zu verzeihen, und auch Marga gegenüber zeigte er sich wieder zugänglicher. Möllers Wunde war fast geheilt, aber er hatte Gustav nicht mehr unter seiner speziellen Obhut. Delmenhorst behielt den Sohn so viel wie möglich in seiner Nähe, be sichtigte mit ihm die Felder und Ländereien oder ging mit ihm auf den Fischfang, Gustavs besondere Lieb haberei. Eines Morgens, als beide auf der Terrasse beschäftigt waren, das Angelzeug instand zu setzen, trat Marga zu ihnen. Delmenhorst nickte ihr freundlich zu, als sie ihm den Schlüssel zu dem Postbeutel reichte, den der Diener soeben überbracht hatte. (Fortsetzung folgt.) Oer gewonnene Protest. Humoreske von Max Feder. (Nachdruck verboten.) „Ja, mein lieber Herr Bauführer", sagte der Strumpf warenfabrikant Heller, als er mit dem jungen Manne am Stammtisch allein saß, „an mir ist nicht nur ein Sldvokat — das will nicht viel sagen — verloren gegangen, sondern ein genialer Advokat. Und solche sind selten. Ich würde mich nicht selbst loben, wenn ich meine Behauptungen nicht beweisen könnte. Hat nicht Rechtsanwalt Flint meine Sache gegen Schulze u. Co. hin und her geschleppt, ohne irgendeinen Erfolg zu erzielen? Und habe ich nicht dieselbe Sache in kürzester Frist beendigt und glücklich beendigt, als ich sie selbst in die Hand nahm? Und als mein Freund, der Apotheker, zum Rechtsanwalt laufen wollte, und ich ihn warnte und mich erbot, die Sache in die Hand zu nehmen, habe ich ihm da nicht seinen Prozeß glänzend gewonnen?" Bauführer Hans Sturm nickte lächelnd und erwiderte mit einer schmeichelhaften Bemerkung. Das war aber nur reine Heuchelei. Hätte er die Wahrheit sprechen wollen, so würde diese gelautet haben: „Mein lieber Herr Heller, Sie sind ein wackerer Bürger, aber in keiner Hinsicht ein Genie. Die Sache mit Schulze u. Co. hat mir mein Freund Rechtsanwalt Flint auch erzählt. Sie nahmen ihm den Prozeß aus der Hand, als er ihn schon so gut wie gewonnen hatte, und was die Angelegenheit des Apothekers betrifft, so handelt« . es sich auch um eine ganz sichere Forderung. Im übrigen interessieren mich Ihre Prozesse nicht im geringsten, und nur dann würde ich mit Freude zuhören, wenn Sie mir sagten: Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen vor einigen Wochen die Hand meiner Tochter Marie veriveigert habe. Ich habe inzwischen eingesehen, daß ich reich genug bin, um nicht darauf bestehen zu müssen, daß Sie ein solches Gehalt haben, wie Sie es voraussichtlich erst nach zehn Jahren kriegen werden." Aber weder sprach Heller den zweiten, noch der Bau führer den ersten Teil dieser Rede, und so verabschiedete sich der Fabrikant und ging mit selbstgefälligem Lächeln davon. * * * „Nun, waS führt dich her? Willst du einen Prozeß führen?" fragte Rechtsanwalt Flint, als der Bauführer in sein Bureau trat.