Volltext Seite (XML)
Nr <02. Unterhaltungs-Berlage ms. zur» Hohenstem-EmWaler Tageblatt Tlintsblcrtt. - - > Erscheint wöchentlich zroeirnal. ————— Druck und Verlag von Z. Ruhr Nachfolger vr. Alban Krisch, tzohenstein-Lrnftthal. Das Gluck von Delmenkorkt Roman von Marie Walter. (15. Fortsetzung.) „Du liebtest sie also?" kam es stockend über Wallys Lippen. Sie war bleich geworden und hatte die Hände fest zusammengekrampft. Santon lachte verächtlich. „Sie geliebt? Nein. Ich habe in meinem Leben nur ein Weib gekebt, und das war nicht Marga Rühling." „O, Paul, sage, daß ich dieses Weib bin!" rief Wally, in tragischem Affekt die Hände zu ihm erhebend. Als er nicht antwortete, fuhr sie beklommen fort: „Sage, meinst du mich? Wie oft hast du mir versichert, daß du mich liebst, und ich — ich bin dein Weib." „Leider!" stieß er leise zwischen den Zähnen hervor. Er hatte nicht gewollt, daß sie es hörte, aber an dem jähen Erzittern ihres Körpers, aus dem erschreckten Blick ihrer Augen sah er, daß sie seinen Ausruf vernommen hatte. Trotzdem bemühte er sich nicht, den schlimmen Ein druck zu verwischen. Mit lässigem Achselzucken verließ er das Zimmer. Er hatte ja doch keinen Zwang, sagte er sich, Wally länger zu täuschen. Je eher sie bemerkte, daß er nicht anders war wie die meisten Ehemänner, desto besser für sie und — ihn. Als Santen sich entfernt hatte, sank Wally wie ge brochen in einen Sessel. Ihr war, als sei plötzlich die Sonne erloschen, als sei ihr jede Lebensfreude zerstört. Der Mann, dem sie alles geopfert — ihre Familie, ihre Heimat — ja ihren Ruf —, dem sie in blindem Vertrauen gefolgt war, er — liebte sie nicht. Eine andere nahm den ersten Platz in seinem Herzen ein. Wer diese andere sein mochte, konnte sie nicht erraten. Weshalb aber hatte Santen sie denn geheiratet? Auch auf diese Frage wußte sie keine Antwort, und in ihrer Unerfahrenheit, ihrer Un kenntnis des männlichen Charakters kam sie dem Schluffe, ihr Gatte müsse sie doch lieben, sonst Hütte er nicht alles aufgeboten, sie zu gewinnen. Trotzdem aber kämpften Eifersucht und Unwillen über die erlittene Kränkung in ihr weiter. In diesem überreizten Zustand siel ihr Blick auf den nicht zu Ende gelesenen Brief ihres OnkelS. Hastig danach greifend, überflog sie nochmals die Stelle, die ihrem Herzen eine so tiefe Wunde geschlagen hatte. „Die Geschichte", hieß es da, „ist deinem Vater sehr nahe gegangen, besonders, weil deines Mannes frühere Verlobung mit deiner Stiefmutter ihm erst kürzlich bekannt wurde. Ganz außerordentlich peinlich ist ihm auch der Gedanke, daß Santen noch aus früherer Zeit Briefe von ihr besitzt. Du würdest uns einen großen Dienst er weisen, wenn du deinen Mann veranlassen könntest, sie zurückzusenden, denn dein Vater wird nicht eher ruhig sein, bis diese Briefe vernichtet worden sind. Vielleicht wird ihn das dann nachgiebiger und versöhnlicher stimmen. Indem ich hoffe, daß sich noch alles zum Guten für dich wendet, verbleibe ich dein Onkel Rudolf." Möller hatte seinen Brief in schlauer Weise abgefaßt; er wollte die Eifersucht seiner leicht erregbaren Nichte er wecken und sie womöglich dazu bringen, ihm Margas Briefe für seine Zwecke in die Hände zu spielen. (Nachdruck verboten.! Mit erhitzten Wangen und klopfenden Pulsen erhob sich Wally aus dem Sessel. So — Paul verwahrte also noch alte Liebesbriefe ihrer Stiefmutter! Dann liebte «r Marga am Ende doch noch trotz seines Leugnens. Ein übermächtiger Wunsch, diese Briefe zu lesen, stieg in ihr auf. Halb »md halb war sie sich bewußt, daß sie ein An recht beging, in die Geheimnisse ihres Gatten einzudrmge» allein jung, heißblütig und in Lieser Stunde von eifer süchtigen Regungen verfolgt, konnte sie dem Drange nicht widerstehen. Obgleich sie nicht wußte, wie in den Besitz der be treffenden Schriftstücke zu gelangen, da Santen dieselben gewiß unter sicherem Verschluß hielt, begab sie sich Loch in das Ankleidezimmer ihres Gatten. Zu ihrer Über raschung bemerkte sie seine Schlüssel auf dem Tische liegen — er mußte sie vergessen haben. Einen Moment zögerte sie, allein die Versuchung war zu stark. Sie nahm die Schlüssel, öffnete mit pochendem Herzen das Schreibpult und suchte eifrig unter den darin befindlichen Papieren. Ganz zu Unterst fand sie zwei schwarzgeränderte Blätter — Margas Briefe. Etwas enttäuscht, daß es nicht mehr waren, schob sie dieselben in die Tasche, verschloß das Pult wieder und flüchtete sich in ihr Zimmer, um die Briefe ungestört zu lesen. Der erste erschien ihr nicht von Belang, aber der zweit« — dieser Erguß eines jungen, liebenden Herzens. DaS brannte Wally in der Seele, stürzte sie in eine Hochflut von Eifersucht und raubte ihr jede ruhige Überlegung. „Wie konnte mich Paul nach all dem zur Frau be gehren!" stürmte eS in ihr. „Und fiel M't welch katzen artiger Geschmeidigkeit, mit welch heuchlerischer Miene hat sie sich bei unS eingeschlichen! Wie konnte sie behaupten, als Papa sie heiratete, sie liebe keinen anderen! Ich habe selbst gehört, wie ihre Tante Regina es Papa versicherte. O, sie ist falsch, so falsch! Ich bin schrecklich betrogen morden von Paul und von ihr. Dafür möchte ich mich an ihnen rächen!" Sie vergoß heiße Tränen, war aber schließlich doch geneigt, ihren Gatten zu entschuldigen und alle Schuld auf Marga zu werfen. In ihrem Zorn gegen diese kam sie plötzlich auf den Gedanken, Margas Briefe ihrem Onkel zu senden. „Papa hat daS Recht, sie zu verlangen", murmelte sie vor sich hin, „und wenn'S Paul nicht genehm ist, warum hat er mich so behandelt und mir das alles verschwiegen!" Ohne weiter nachzudenken, legte sie die Briefe in ein Kuvert, adressierte dies an Möller und eilte damit auf die Straße, es in den nächsten Briefkasten werfend. Kaum jedoch war das Kuvert durch den Spalt geglitten, als sie eine heiße Angst vor den Folgen ihrer Handlungsweise überkam — sie hätte viel darum gegeben, die Tat un geschehen zu machen. Noch stand sie verlegen da, als ein Postbote erschien, der die Brief« aus dem Kasten iw seinen Beutel gleiten ließ. Wally atmete erleichtert auf. „Ach, bitte", wandt« sie sich hastig an den Mann, »ich habe aus Versehen