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Nr. 7. Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, den 9. Januar 1931. Seite 6. Im Hafen von Swine n, Fnde in Grund gebohn. Der Kieler Dampfei ..Carl"', der auf der Reise von Lübeck nach Königsberg wegen des schweren Nordweststurmes Swinemünde als Nothafen angelaufen hatte, wurde, als er wieder in See gehen wollte, von dem einkammenden schwe dischen Dnmpjer „Themis* so schwer gerammt, daß er in wenigen Minuten sank. Die iu aus neun Mann bestehende Besatzung konnte durch Ueber- W springen auf ein Boot nur das 6 nackte Leben retten. Der ge- W iunkene „Carl" liegt in neun D Meter Wafsertiefe. Wie unser H Bild zeigt. ragen nur der U Schornstein und die Mastspitzen aus dem Wasser. Keuergefecht zwischen Landjäger und Gparkaffenräubern. Altona. In Steinhorst in Lauenburg konnte im letzten Augenblick ein Raubüberfall durch einen Landjägerbeamten vereitelt werden. Als ein Auto von Hamburg mit sechs Per sonen vor der Sparkasse anhielt und mehrere Insassen aus stiegen, um in die. Sparkasse einKudringen, griff der in Stein horst stationierte Landjäger ein. Während die noch im Auto befindlichen Räuber flohen, kam es zwischen dem Beamten und den übrigen Mitgliedern der Bande zu einem regelrech ten Feuergefecht. Es gelang jedoch dem Beamten, die Geg ner zu überwältigen und drei dingfest zu machen. Der LanLjägexmeister Kehler in Steinhorst bei Sandes- leben machte auf seinem Kontrollgang , durch den Ort die Be obachtung, daß eine Hamburger Autotaxe in schneller Fahrt aus Richtung Hamburg den Ort durchfuhr und vor dem Ge bäude der Sparkasse anhielt. Fünf Männer stiegen aus. Der Beamte zog nunmehr seine Dienstpistole und rief den Ban diten zu: „Hände hoch! Waffen wegwerfen!* Drei der Räuber konnten im Kraftwagen entfliehen, trotzdem der Landjäger mehrfach aus,die Fliehenden schoß, die das Feuer erwiderten. Die übrigen konnten festgenommen werden. Von den drei Festgenommenen entpuppten sich zwei als Chauffeure, die jedoch von dem Zweck der Fahrt nichts gewußt zu haben behaupteten. Die Insassen hatten angegeben, sie wollten eine Tante in Steinhorst besuchen, die dort im Sparkassengebäude wohne. Oer Kampf um die Miltionenerbschast des Gchiffskapiiäns. Breslau. Die Breslauer Staatsanwaltschaft hat die An klageschrift gegen die beiden betrügerischen 200-Millionen- Erbinnen Schneider und Hartmann sowie ihre zwölf Helfershelfer fertiggestellt. Die als gedruckter Band im Um fange von 220 Seiten erschienene Anklage liest sich wie ein ungewöhnlich spannender Kriminalroman und stellt den Auf takt zu einem der merkwürdigsten Prozesse dar, der je zur Verhandlung kam. Es ergibt sich daraus, daß die angeblich aus 7 Millionen Dollar, 3 Handelsschiffen und 2 Plantagen bestehende Erbschaft des Schiffskapitäns Bänsch Jahrhunderte hindurch in den Köpfen schlesischer Bauern gespukt hat. Diejenigen, die daran glaubten, und diejenigen, die betrogen wurden, rekrutieren sich aus allen Kreisen, vom Tagelöhner angefangen bis zum hohen Beamten und bekannten Adeligen. Was zu einem Abenteuer ¬ roman gehört, ist hier vertreten: Geheimnisvolle Goldbarren, Neger, Schlangenbisse, Giftmorde und ähnliches. Vorläufig sind 141 Personen als Zeugen benannt. Die von den Schwindlern erbeuteten Summen werden mit einer Viertel Million beziffert. Die Hauptverhandlung soll im Februar stattfinden. Marktpreise i» Kamenz am 8. Januar 1931 Am heutigen Wochenmarkte wurden gezahlt pro Zentner Weizen, eff Gew. 77 kg, neu, 12,50—12,75 Mk., Roggen eff. Gew. 72 KL, neu, 7,50—7,80 Mk., Gerste (Futter ) 8,00-9,00 Mk., (Brau 9,50-10,50 Mk, Hafer, 7,25—7,75 M'., beregnet 7,00 bis 7,25 Mk., Weizenmehl (Kaiserauszug) 28,00 Mk., Roggen « mehl (60°/.) 14,00-14,25 Mk., Weizen kiele, grob, 6,00 Mk., sein 5,50 Mk., Roggenkleie, grob 6,50 Mk., fein 5,75 Mk., Heu 2,25—2,75 Mk., Flegelstroh 2,50 Mk., Futterstroh 1,20 Mk., Streustroh 1,00 Ml., Kartoffeln, weihe 2,00 Ml. rvle 2,25 Mk., gelbe 2,50 Mk pro Zentner. Butter 1,30-1,40 Mk. das Pfund, Eier 15 Pfg das Stück. Ferkel 16-22 Mk., LSufer 50-60 Mk. d-S Stück, Gänse 0,90—I,10Mk. das Pfund. Für ausgesuchte Ware Preis über Notiz. Börse und Handes Amtliche sächsische Notierungen vom 8. Januar.' Dresden. An der Börse konnte sich eine einheitliche Hal tung nicht durchsetzen. Die vedeutensteKurssteigerung des Tages wies Schloß Chemnitz mit plus 5 Prozent auf. Sächsische Bank gewannen 3 Prozent. Einbuße erlitten Schubert u. Salzer 4 Prozent und Darmstädter Bank 3 Prozent. Je 2,5 Prozent verloren Polyphon und Dresdner Albumin-Aktien-Genuß- schcine. Augsburger Hase, Dortmunder Ritter, Kunstdruck Nie dersedlitz und Bergmann mußten je 2 Prozent hergeben. Leipzig. Die Börse hate eine schwache Tendenz. Sächsische Bank gewannen 7 Prozent, Kühltransit 3 Prozent. Schubert und Salzer verloren 5 und Polyphon 4,5 Prozent. Freiver kehr unverändert. Chemnitz. Die Börse hatte eine schwach behauptete Ten denz. Die Kursveränderungcn hielten sich auf allen Markt gebieten in engsten Grenzen. Am Maschinenmarkt waren nur wenige Rückgänge festzustellen. Die Bankaktien blieben fast un verändert. Freiverkehr weiterhin ruhig. Leipziger Schlachvieymarkt. Austrieb: 15 Ochsen, 67 Bullen, 77 Kühe, 23 Färsen, 515 Kälber, 134 Schafe, 1675 Schweine, zusammen 2506 Tiere. Preise: Ochsen und Schafe belanglos, Bullen 1. 52—55, 2. 48—51, Kühe 1. 42—45, 2. 38 bis 41, 3. 30-37, Färsen 1. 53—56, 2. 43—52, Kälber 2. 72-75, 3. 65—71, 4. 60—64, Schweine 1. 63—64, 2. 62—«3, 3. 61—62, 4. 58—60, 7. 55—58. Geschäftsgang: Rinder und Schweine langsam, Kälber mittel. Berliner Börse vom Donnerstag: Luftlos. Die Börse hatte wieder außerordentlich stilles Geschäft. Die berufsmäßige Spekulation blieb fast völlig unter sich, und die wenigen Aufträge, die von außerhalb der Börse stehenden Kreisen erteilt worden waren, stellten meist Verkäufe dar. Die Tendenz war etwas schwächer. Verstimmend wirkte der Abschluß von Bemberg. Berliner Produktenbörse: Kleines Angebot. Der Getreidemarkt zeigt« heute ruhige Haltung. Weizen vom Inland« nur sehr wenig und meist zu teuer offeriert. Roggen gleichfalls nicht viel am Markt, in den Preisen widerstandsfähig. Das Weizenmehlgeschäft ist ruhiger geworden, die Preise hierbei wie auch am Roggenmehl markt sind unverändert. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station. Mehl und Kleie brutto einschl. Sack frei Berlin. 1M ltg 8. l. 31 7. 1. 31 100 kg 8 l 31 7. I 31 Welz, märk. Somm März Mai 258.0-260.0 27850 286.50 258.0-260.0 278.5-278.0 Mehl Weizen Roggen Weizenkleie Roggenkleie 29.7-37.2 23.6-26.7 10 0-10.2 9.00 9 50 29.7-37.2 23.6-26.7 9.75-10.0 8.75-9.50 Juli 290.0-291.0 287.0-286.5 Weizenkleie- melasse — Rogg. Raps (10i 0 kg) — — märk. 156.0-159.0 156.0-159.0 Leinsaat (do) — — März 179.0-179.5 — Erbsen.Viktoria 24.0-31.0 24.0-31.0 Mai 188 0-189.0 179.00 KI.Speiseerbsen 23.0-25.0 23.0-25.0 Juli 188.5-190.0 188.75 Futtererbsen 19.0-21.0 19.0 21.0 Peluschken 20.0 21.0 20.0 21.0 Gerste Ackerbohnen 17.0-18.0 17.0-18.0 Brau 200.0-215.0 200.0-216.4 Wicken 18.0-21.0 18.0-21.0 Futt. 188.0-194.0 188.0-194.0 Lupinen, blau —. — Reue - gelb —— — Winter — —— Seradella, neue — Rapskuchen 9.00-9.50 9.00-9.50 Hafer Leinkuchen 14 9-15.1 15.0 I5.2 märk. 141.0-145.0 141.0-145.0 Trockenschnitzel 5.60-5.90 5.60- 5.90 März 158.00 — Soya-Extrakt.» Mai 168.5-168.7 158.50 Schrot 12.4-12.9 12.4 12.9 Juli 175.00 169.00 Kartoffelflocken — Die Preise für Milch, die nach Berlin zur Lieferung ge langt, betragen je Liter frei Berlin: für A-Milch für die Zeit vom 9. bis 15. Januar 17,9 Pfg., für B-Milch 11,9 Pfg. Zur Zeit beträgt der Preis für tiefgekühlte Milch 18,4 Pfg., molkerei mäßig bearbeitete Milch 19,65. Die A-Milchmenge ist für die Feit vom 9. bis 15. Januar auf 90 Prozent des A-Milchkontin- gents Ler einzelnen Lieferstelle festgesetzt. Dazu tritt Oualitäts- bewertung nach Fettgehalt und Sauberkeit entsprechend dem Ber liner Abkommen. (Ohne Gewähr.) Berliner Butterpreise. Amtliche Notierung ab Erzeu gerstation, Fracht und Gebinde gehen zu Käufers Lasten: 1. Qualität 134: 2. Qualität 124; abfallende Sorten 110. Ten denz ruhig. (Ohne Gewähr.) Preisnotierungcn für Eier. Festgestellt von der amt lichen Berliner Eiernotierungskommission. Die Preise verstehen sich in Reichspfennig je Stück ab Waggon oder Lager Berlin nach Berliner Usancen. Deutsche Eier: Trinkeier (vollfrische, ge- stempelte), über 65 Gramm 13F0--44, 60 Gramm 13, 53 Gramm 11F0, 48 Gramm 9; frische Eier, 53 Gramm 10,50; Aussor tierte kleine und Schmutzeier 8. Auslandseier: Holländer, 60 bis 62 Gramm 13; Rumänen 9F0—10; Kleine, Mittel, Schmutzeier 7,50. In- und ausländische Kiihlhauseier: Große 9F0—10F0; Normale 8,50—9M; Klein« 7,00. Kalkeier: Große 9; Normale 8—8,50. Witterung: leichter Frost. Tendenz: fveundlicher. (Ohne Gewähr.) Amtliche Berliner Kartoffelpreis-Notierung je Zentner waggonfrei märkischer Station: Weiße Kartoffeln 1,00 bis 1,20 RM; Rote Kartoffeln 1,20—1,40 RM; Odenwälder Blaue 1,20—1,40; Gelbfleischige (außer Nierenkartoffeln) IFO bis 1,80 RM. (Ohne Gewähr.) Berliner Magerviehmarkt. (Amtlicher Marktbericht vom Magerviehhof in Friedrichsfelde.) Auftrieb: 324 Rinder, darunter 306 Milchkühe, 18 Jungvieh, 137 Kälber, 338 Pferde. Verlauf: sehr ruhig; Preise unverändert. Es wurden gezahlt: Milchkühe und hochtragende Kühe, je nach Qualität 290—520 RM. Ausgesuchte Kühe und Kälber über Notiz. Tragende Färsen, je nach Qualität 270—430 RM. Ausgesuchte Färsen über Notiz. Jungvieh zur Mast, je nach Qualität 47—50 RM. — Pferde markt: Preise je nach Qualität 200—1100 RM. Schlachtpferde 30—150 RM. Verlauf: ruhiges Geschäft. (Ohne Gewähr.) Weltrekord. Lin Sportroman von Curt I. Braun. Vertrieb: Carl Duncker Vertrieb. Berlin W, 62. i 51. Fintsetzvug. Und er fühlte Lei den ersten Schritten, wie sich sein aufge regtes Herz beruhigte. Ganz richtig und taktmätzig ging es wieder. Und ebenso richtig und taktmäßig saßen seine Schritte auf dem harten Boden. Links von ihm liefen zwei Finnen und der Neger. Rechts zwei Deutsche, ein Schwede und ein Amerikaner. So ging es vorwärts. Noch hingen sie alle zusammen — keiner fiel zurück — keiner ging vor — es war, als hätten sie sich alle auf dasselbe An fangstempo geeinigt. Es blieb die erste halbe Runde über so — die zweite halbe Runde Dann lockerte sich die Gruppe. Der fliegende Schwede legte als erster los. Seine Schritte wurden weiter, mächtiger und gleichzeitig mit ihm ging der berühmte Finne vor. Es entstanden Abstände. Erste Runde Hannes kontrollierte die Zeit leichzeitig mit dem Finnen sie stimmte mit der Berechnung. Weiter. Nun sind schon einige zurückgefallen, die den mörderischen Schritt nicht mehr mitmachen können. Der Schwede und der Finne liegen fast parallel vorn, und unmittelbar hinter ihnen hängen Hannes und der Neger. Aber Hannes weiß, daß die stärkste Kraft hier neben ihm läuft — der Neger, auf den niemand achtet — und der mit spielender Leich tigkeit jede Beschleunigung des Tempos mitmacht. Sie find in der zweit«n Runde. — Jetzt liegt der Finne vor dem Schweden, der um einen Me ter zurückgefallen ist und sich scheinbar für den Endspurt schont. Noch herrscht atemloses Schweigen über den unendlichen Menschenmassen, die an den Steinwänden bis zum Himmel hin aufwachsen. Da geschieht es. Wie eine Welle gleitet die Bewegung über alles. Der Neger! Der Neger geht vor! . , Hannes wendet nur um eine Idee den Kopf, und schon sieht er es: der Neger entfaltet erst jetzt sein richtiges Tempo. Den schmalen schwarzen Schädel ein wenig vorgeschoben, die Arme eng angezogen, zieht er jetzt schnurgerade vor. Schon ist er neben dem Schweden. t Der Finne wendet überrascht den Kopf. — Zu spät! Schon liegt der Neger neben ihm — geht weiter vor — weiter — unhaltbar — wie eine Maschine. Ein Aufschrei geht über das Stadion, vieltausendstimmig, — die Totenstille zerreißt und weicht einem wilden, ungeheuren Lärm — fünfzigtausend Stimmen rufen, schreien, kreischen — die Erregung der Fünfzigtausend läßt die Luft erzittern. Der Neger liegt vorn! Da fühlt Hannes Tilden, wie ein Feuer in ihm hochwächst. Sein Schritt wird schärfer, elastischer. Kraft! ft Kraft! Er fühlt, wie er vorwärtskommt — weiter — schneller — — jetzt ist auch er schon neben dem Schweden — »eiter! weiter! — Jetzt ist er dicht hinter dem Finnen meuter! weiter! — Jetzt ist er neben ihm jetzt halb vor — meuter! — Im mer weiter! — Hannes fühlte es wie Flammen, die in ihm hochschießen. Ein nie gekanntes Gefühl. Es ist nicht mehr er, der läuft — es ist ein gvAZ anderer, Neuer. — Weiter! . Jetzt ist er dicht hinter dem Neger, der mit phantastischen Schritten vorwärts fliegt — weiter! weiter! Und an ihm hängt Hannes Tilden, zäh wie eine Klette, iläßt keinen Zenti meter ab. Er macht diesen Wahnsinn mit! Diesen ganz und gar un glaublichen Wahnsinn. Gott weiß, wo die anderen sind — weit.weit hinten — hinter der Welt — vorne liegt nur Luft und «in Neger, de« unhaltbar scheiwt. ! Und rings herum tobt die Welt, erzittert, bebt vor Lärm: und Brüllen und Schreien. Da find die Fünfzigtausend aufg«. sprungen. Da rasen di« Fünfzigtausend und winken und er füllen die Luft weithin. Denn da unten — da steht Schwarz gegen Weiß! Nichts anderes mehr. Schwarz gegen Weiß. Der Neger liegt vorn — — und immer noch — immer noch — immer noch — klebt Hannes Tilden an ihm. Schon blickt sich der Schwarze nervös und verärgert um. Er verstärkt noch einmal seinen Schritt. Noch schneller. Und immer noch klebt Hannes Tilden! Sein Inneres zer reißt. Vielleicht sind seine Lungen Fetzen. Er klebt und hält die einmal begonnene Distan» Wetter! Immer weiter! Zweitausend Meter sind vorbei — er sieht nicht nach der Uhr — Zeit ist unwichtig — Kopfsenken ist Kraftverlust! — Weiter! — Immer nur weiter mit «in Meter Abstand hinter dem fliegenden schwarzen Phänomen . . . Es geht in das letzte Drittel. Es ist als ob die Erde bebt unter dem Lärm und Getöse, das die Luft erfüllt. Achthundert Meter noch. Mit jedem Schritt wird die Luft dicker und dicker, die Famme da innen mehr brennend und schmerzend. Aber es ist, als habe der da vorn sich noch gar nicht angestrengt. Noch zweimal siebt er zurück und steht — sieht — immer noch — den weißen Schatten an sich hängen — Noch fünfhundert Meter. Da! Hannes Tilden erkennt plötzlich mit weit aufgerissenen Augen: die letzte Strecke. Gleich wird der vor ihm spurten und wird davonjagen wie auf der Trainingbahn. Dann ist es aus. Dann kann kein Gott mehr mit. (Fortsetzung folgt,)