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Pulsnitzer Tageblatt Beilage zu Nr. 7 Freitag, ». Januar 1»S1 8S. Jahrgang ruir^ci^ - spoiri 5?ici. Die deutsche Presie gegen Schmeling. Der Spruch der New-Porker Doxkommission und di« mit dieser Maßnahme eingetretenen Wirkungen haben in der deutschen Presse ein nachhaltiges Echo hervorgerufen. In überwiegendem Maße wird die Haltung Schmelings verurteilt und als ein Bekenntnis -um „öuoinesL" (Geschäft) in seiner übelsten Gestalt ausgelegt. Das „Berliner Tageblatt" schreibt u. a.: „Für Schmeling, der doch immer in unter recht glücklichen Umständen in den Besitz der Weltmeisterschaft gelangt ist, kommt es doch nun auch darauf an, daß er sich und wohl auch den Titel so teuer wie möglich verkauft." Der bekannte Sportredakteur Hans Adam Färber, Mitglied der Boxsportbehörde Deutschlands, schreibt in der „Berliner Nachtausgabe": „Wir sind — leider — durch Schmelings bösen Geist, den Alister Joe Iacobs, besten Gebaren man in U. S. A. als „smart" bewun dern mag, an vielerlei gewöhnt worden, auch daran, in Max Schmeling nicht mehr den berufenen Repräsen tanten deutscher Sportsitten im Auslande zu erblicken." Der „Angriff", das Blatt der Berliner National sozialisten, billigt ausdrücklich die Haltung der New-Dorker Box- kommijsion und findet ferner scharfe Worte gegen Schmelings Manager Iacobs. * Der Präsident der Nationalen Box-Vereinigung, John Clinnin, erklärte in Chicago, baß er für eine Gnadenfrist für Schmeling zu haben sei, wenn dieser wenigstens in diesem Sommer gegen Aoung Stribling antrete. Sonja will nicht mehr Eiölanfen. Die Weltmeisterin im Eislauf Sonja Henie erklärte, daß sie sich vom Eisläufen etwas znrückzwhen und sich mehr dem Tennissport zuwenden wolle. Sechstagerennen in Dortmund. Am Freitag abend be- um 10 Uhr das 6. Dortmunder Sechstagerennen mit 14 Mannschaften. Den 18 einheimischen stehen 10 .ausländische Fahrer gegenüber. Die Frage nach dem Sieger ist schwer zu beantworten. In erster Linie sollten Rausch-Hürtgen, Charlier- Deneef, Guerra-Linnri, Broccardo-Blanchonnet, Preuß-Resiger, van Kempen-Stübccke, Ehmer-Tietz und Pijncnburg-Schön in Be- tracht kommen. Der Brasilienflug des Balbo-Geschwaders. Bolama. Das italienische Ozeansiuggeschwader wagte am Dienstag morgen unter Führung des Generals Balbo und des Obersten Maddalena seinen Flug nach Port Natal (Brasilien). Die Strecke Bolama—Port Natal beträgt 3006 Kilometer. Der Aktionsradius der Wasserflugzeuge beträgt etwa 3500 Kilometer. Der Start der Ozeanflugzeuge erfolgte in drei Gruppen zu je vier Flugzeugen mit einer halben Minute Abstand. Am Ufer hatten sich außer den zurückbleibenden Kameraden der Ozeanflicger und der portugiesischen Berwaltungsbcamten zahlreiche Eingeborene eingcfunden. Im strahlenden Mondschein bot der Abflug der schwach erglänzenden Riesenvögel ein malerisches Bild. Im Zeitraum von knapp fünf Minuten waren sämtliche zwölf Flugzeuge den Augen der Zurückbleibenden entschwun den. Der Flug der zwölf eigens für dieses Unternehmen umgebauten Bombenwasserflugzeuge hat am 17. Dezember vorigen Jahres in Orbetello begonnen. Ohne Zwischenfalle flogen die Maschinen über Cartagena, Marokko nach Portu- giesisch-Bolama, wo sie am 25. Dezember nachmittags ein trafen. Das Geschwader führte eine Postladung von Brie fen mit, auf denen sich befoudere Gedenkmarken für den Flug befanden. General Balbo gedenkt, die Kosten des Fluges aus dem Verkauf dieser Briefe teilweise decken zu können. Außer dem Beweis für die Zuverlässigkeit ihrer Flugzeuge verspricht sich die italienische Regierung von dem Geschwader flug nach Brasilien auch eine große Propagandawirkung in Südamerika. Italiens Jubel über den Balboflug. Rom. Der italienische Luftsieg am Dreikönigstag ist in ganz Italien mit begreiflichem Jubel begrüßt worden. Seit Kriegsausgang hat das Land keine solche Nächt der Begeiste rung Ehr erlebt. Alle öffentlichen Veranstaltungen, alle Theater, Konzert säle und Kinos stellten sich in den Dienst der Luftfront, uni) als die ersten verheißungsvollen Meldungen einliefen, erkannte man wieder einmal, daß es in Italien keine Parteien Ehr gibt, sondern nur noch eine einzige Nation. Die erste Botschaft kam von Neapel. Dort stürzte kurz vor Beginn der „Tvsca"-Aufführung ein Mann auf die Bühne und verkündete mit halberstickter Stimme, daß der Schwarm der Flugzeuge sich der südamerikanischen Küste nähere. Das Publikum sprang auf wie ein Mann. Das Orchester spielte die Nationalhymne, gleich darauf die faschistische. Als nach dem ersten Akt die Ankunft der zehn Apparate ge meldet wurde, gab es kein Halten mehr. Auch in Rom wurde die Oper unterbrochen. In Mailand war der Domplatz von 50000 Menschen gefüllt, die bis in die Mor genstunden aushielten und vor patriotischem Rausch die eisige Temperatur nicht spürten. Natürlich fehlte es in den großen Städten auch nicht an Leuchtschrift. And als sich endlich die Spannung lösen konnte, requirierten die Studenten Miet autos und Privatwagen und durchrasten die Stcdt, indem sie Flugblätter auswarfen. Am Morgen erschienen die Zeitun gen wie nach einer großen siegreichen Schlacht. Ueberall dringt die Meinung durch, daß ohne die na tionale Wiedergeburt, ohne den Faschismus eine solcher Erfolg nicht möglich gewesen väre. Balbo über den Lteberseeflug. Ungeahnte Schwierigkeiten der italienischen Flieger. Tie Römer Abendblätter veröffentlichen den ersten ausführlichen Bericht Balbos über den großen Übersee flug. Balbo erklärt u. a., der Start sei im allgemeinen in folge des Nebels außerordentlich schwierig gewesen. Der Mond sei bedeckt und der Wasserspiegel nicht zu sehen ewesen. Balbo habe die Entfernung zwischen den Flug engen abkürzen lassen, damit die Wuhrer die gegeniei tigen Lichter sehen konnten. Beim Morgengrauen habe er die Flugzeuge alle angerufen, aber nur zehn hätten ge antwortet. Erst später habe er von Bolama aus die Mei oung über die beiden Unfälle erhalten. Er habe den Ver lust von drei Apparaten auf zwölf in Rechnung gestellt. Wenn jetzt auf 14 Maschinen eine verloren sei, so liege der Satz unter der vorsichtigen Vorberechnung. Die drei letzten Flugstunden seien durch starken Südwestwind be- ymoert worden. Der Ubcrsceflug habe das Geschwader vor Schwierigkeiten gestellt, die nur zum Teil voraus zusehen gewesen seien, und den vollen Einsatz der phy sischen und moralischen Kräfte erfordert hätten. Die Ge fallenen gehörten zu der Reihe der Helden, die sich opfer ten, um den Rhythmus der menschlichen Eroberungen zu beschleunigen. Fünf Todesopfer -es AilantLkgeschwa-erfluges. Rom. Erst jetzt wird von amtlicher Seite mitgeteilt, daß der italienische Geschwa-derflug Bolama—Natal doch nicht ohne Schwierigkeiten verlaufen ist, sondern daß sich beim Start in Boloma zwei Unfälle ereignet haben, die fünf Tote forderten. Das Flugzeug des Kapitäns Recagno mußte eine Notwasserung vornehmen, nachdem es bereits eine Höhe von 50 Meter erreicht hatte. Bei der Notwasserung wurde das rechte Flugboot beschädigt, in dem sich zur Zeit des Niedergehcns ein Mechaniker befand, der dabei den Tod fand. Das Flugzeug des Kapitäns Boer mußte in voller Geschwindigkeit notwassern. Bei dem Aufprall entstand ein Brand. Die Besatzung, bestehend aus Kapitän Boer, Leutnant Barbi- cinti, dem Mechaniker Sergeant Nansi und dem Funker Sergeant Imbastari, fand hierbei den Tod. Beide Unfälle sind eine Folge zu großer Belastung der Flug zeuge. Nach einem anderen Bericht sollen die beiden Flugzeuge gleich nach dem Abflug in der Luft zusammengestoßen sem, 'wobei das des Kapitäns Boer brennend abstürzte, während das andere schwer beschädigt und mit einem Toten an Bord noch Bolama zuriickkehren konnte. Bereits bei den Vor bereitungen zu dem Ozeanflug sind zwei italienische Flieger Ende November bei Orbetello abgestürzt und ihren schweren Verletzungen später erlegen, so daß das Wagnis der italienischen Luftflotte bisher sieben Todesopfer gefordert hat. Die beiden anderen Maschinen des Geschwaders, die unterwegs Unfälle erlitten haben und niedergehen mußten — es sind die für die verunglückten Flugzeuge gestarteten zwei Ersatzmaschinen —, wurden von italienischen Schiffen, von denen sie geborgen worden sind, nach Fernando da Noronha gebracht. Allem Anschein nach war die Nachricht von den Un fällen absichtlich einen halben Tag zurückgehalten worden, um den Jubel der Bevölkerung über die gelungene Leistung nicht zu trüben. Sonne und Mond. 10. Januar: S.-A, 8.08, S.-U. 16.07; M.-A. —, M.-U. 11.03. Weltrekord. Ein Sportroman von Curt I. Braun. Venrieb: Lari Duncker B-rlrieb. Berlin W. 62. -P Fott egvvg. „Weiß noch keiner etwas —", versicherte er. „Hab auch keine Posten gesehen. Glaubt wahrscheinlich niemand, daß du hier- hergekommen bist! Hab' die Iung's ausgehorcht. Hat keiner üne Ahnung. Freuen sich alle, daß du endlich da bist." Hannes begann sich umzuzichen legte sich hin und ließ sich noch einmal die Muskeln weich machen. Es war noch eine halbe Stunde Zeit. Eine halbe Siunde. in der jede Minute wie eine Ewigkeit erschien. Johnny bemühte sich, ihn abzulenken. Er erzählte viel von draußen „Ueberfüllt!" sagte er. „Wenn's nicht massiver Stein wäre, wär's schon eingebrochen. Rekordbesuch, wie er noch nie da war!" Hannes hörte kaum darauf. Plötzlich fuhr er zusammen. Es klopfte. Mit schreckensbleichem Gesicht sah er zur Tür . . . sie öffnete sich . . . Pahlen stand da, und hinter ihm war Dorrit sichtbar. Beruhigt sank Hannes zurück Pahlen grüßte heiter: „Wie geht's denn, Ausreißer? Wie stehen die Chancen?" Und Dorrit trat etwas zögernder heran Doch dann reichte sie Hannes die Hand, als ob nie etwas zwischen ihnen gewesen fei. „Grütz Gott, Hannes. Freut mich, daß man dich endlich mal steht. Hals- und Beinbruch heute!" Hannes dankte mit erzwungenem Lächeln. „Stören wir dich?" fragte Dorrit. Er schüttelte den Kopf. Im Gegenteil. Er freute sich, daß sie gekommen seien . . . Dorrit fetzte sich neben ihn und machte ein verschmitztes Ge sicht: „Also — Hannes-Bübele jetzt mutz ich dir etwas Neues erzählen. Setz' dich! Ach so, du liegst. Um so bester. Hannes- Bübele — höre und staune — — ich habe mich gestern mit jenem Herrn dort verlobt!" Hannes hob den Kopf, lieber den Ton. in dem Dorrit diese Mitteilung machte, mußte er bei aller Nervosität lachen. „Jener Herr," war Pahlen. Er nickte nur mit strahlendem Lächeln aus der Entfernung. „Tja, ja, Hannes. Wir haben uns verlobt. In vier Wochen gedenken wir zu heiraten!" „Aber Kinder!" sagte Hannes fassungslos — „ich gratuliere euch!" Wie ist das denn gekommen?" Dorrit machte ein schnippisches Mäulchen. „Gott, weiß du. Hannes — was soll ein armes Mädel, wie ich, schon anfangen? Reich heiraten ist doch die einzige Mög lichkeit! Den, den man will, kriegt man nicht . . . nu, und jener Herr don hat gesagt, er liebe mich und ich würde es bei ihm verhältnismäßig gut haben Er macht doch eigentlich einen ganz vertrauenerweckenden Eindruck, nicht wahr?" Pahlen lächelte diskret wie immer über Dorrits Stimmung. Er war durch ihren Scherz nicht im mindesten beleidigt. Und daß sie es nur scherzhaft meinte, war durch ihren Ton klar . . . Vielleicht war es ein Zufall, ein Blick von Dorrit, eine Geste, oder eine Erinnerung an irgendein früheres Gespräch, daß Hannes in diesem Moment begriff: was sie sagte, war 'ein Scherz. Es war das Geständnis einer großen, bitteren Wahr heit, das Dorrit in ihren heiteren Worten ableate. Das Ge ständnis einer Resignation, die intelligent genug war, sich selbst nicht zu belügen. Er konnte nicht sagen, daß er Dorrit bemit leidete. Sie wollte es wahrscheinlich gar nicht haben. Sie plauderte schon wieder lachend weiter. Und als Pahlen drüben mit Johnny in ein anregendes sportliches Gespräch verwickelt war. be! dem ihm Johnny sehr lärmend die Vorzüge seiner Spezial-Embrokation erklärte, beugte sich Hannes ein wenig vor, sah in Dorrits Augen und fragte leise: „Glücklich - Mädchen -?" Dorrit sah ihn ein paar Atemzüge lang ernster als sonst an. Dann erwiderte sie ebenso leise: „Weißt du, Hannes, eine kleine Hoffnung auf Glück trägt man jedes Jahr zu Grabe. Man mutz vernünftig sein, nicht wahr? Ich bin kein Kind. Ich glaube, datz ich das beste Teil gewählt habe Hannes schwieg. Und plötzlich streckte er die Hand aus: „Aber — wir werden Freunde bleiben Dorrit —?" Da leuchieicn ihre Augen aus. Sie schlug ein und sagte nm offenem Herzen: „Ich danke dir, Hannes. Ich wollte dich um dasselbe bitten Wir wollen immer gute Freunde bleiben!" Es wurde wieder an die Tür geklopft. „Hannes! Hannes! Es ist Zeit!" Johnny öffnete die Tür. Sie wechselten einen Blick. Iohnnr, trat ein paar Schritte hinaus, sah sich um — dann kam er zu rück und nickte beruhigend. Hannes Tilden ging aufrecht hinaus. Es war der Weg zum schwersten und zum letzten Kampf. Die Fülle des Stadion wirkte im ersten Moment verwir rend. Fünfzig- oder sechszigtausend Gesichter sahen auf ihn nieder. Dreihundertausend Hände winkten. Stimmen schrien. Die Musik schmetterte und brach jäh ab. Eine Fülle von Be geisterung schlug Plötzlich aus dem weiten Rund in den Himmel. Er begriff, daß sie ihm galt — ihm, der Deutschlands Far ben gegen das Aufgebot der besten Namen aus aller Welt ver teidigen sollte. Er begriff auch, daß heute alle diese Herzen an ihm hingen. Daß ihre Liebe für ihn zitterte. Daß sie jubeln würden, wenn er gewann, — daß sie vor Erwartung bebten, ob er hallen würde, was sein Name versprach . . . Hannes Tilden trat mit schwerem Herzen an den Start. Er lies noch ein paar Schritte über den grünen Rasen. — eine Vier telrunde, dann mit einer scharfen Kehrtwendung zurück . . . Drüben an der Aschenbahn waren ganze Batterien von Photokameras und Filmapparaten aufgebaut. Es gab ja be reits am Start ein Rekord! Einen Rekord von guten und be rühmten Namen. Dann ging es los. Sie standen in der Reihe, halbgebückt Hannes stand als Vierter von innen. Unzählige Linsen knipsten noch. Es wurde plötzlich still ringsum. Totenstill, drei!" Hannes schoß vor. Er fühlte sich mitten in dem -ganzen Rudel. Der Statt hatte geklappt. Jetzt ging es vorwärts. Dreitausend Meter im Oval. Dreitausend Meter.