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$, ae Buchgewerbe Buchdruck *** Buchbinderei * * *** Steindruck *** Buchhandel Eingesandte Werke finden Besprechung Nr.‘90 , Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme • 3549 Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung Berliner Typographische Gesellschaft Die Sitzung vom 31. Oktober wurde vom Vorsitzenden Herrn Könitzer um 91/. Uhr eröffnet mit der Mittheilung, dass Herr Faktor Otto Noack als Mitglied in die Gesellschaft auf- genommen sei; zur Mitgliedschaft angemeldet hatten sich die lerren Faktor Rud. Unruh (Buchdruekerei Pass & Garleb) und Max Richter (Buchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn). Sodann gedachte der Vorsitzende des kürzlich verstorbenen Verlegers Georg Reimer und des einem Lungenleiden erlegenen Erfinders der »Linotype« Ottmar Mergenthaler. Besprechung grafischer Neuheiten Ferner wurde dankend mitgetheilt, dass die Firmen Gustav Stein und Hans Wunder in Berlin, Hübel & Denk und Berthold Sigismund in Leipzig sowie die Maschinenfabrik Kempewerk in Nürnberg Abdrücke ihrer Novitäten der Gesellschaft über mittelt hätten; von der Firma R. Boll in Berlin sei ein musi kalischer Familien-Kalender tür 1900 eingegangen, der ein Preisausschreiben für ein Lied zum Lobe Gutenbergs und seiner Kunst sowie zur Komposition desselben enthalte. Die erste Nummer der von Professor Miethe herausgegebenen, bei Knapp in Halle erschienenen neuen Zeitschrift für Reproduktions technik war ausgelegt, sowie neuere Schriftprobenblätter ver schiedener Giessereien, denen Herr Könitzer eine eingehende Besprechung widmete und nachwies, dass die Giessereien neuerdings bestrebt seien, bereits vorhandene moderne Schriften umzugestalten, sie entweder magerer und schlanker oder fetter und breiter oder durch Herausschneiden des Kernes für zwei farbigen Druck brauchbar zu machen und auf diese Weise den modernen Schriftschatz zu bereichern; das sei sowohl bei den romanischen Schriften als auch bei den Schwabacher- und alt- gothischen Charakteren zu beobachten. Es sei nun fraglich, ob der eingeschlagene Weg richtig sei oder ob die Praxis andere Wünsche habe. Von den sonstigen Neuheiten- wurden die Hoffmeisterschen neuen Vignetten, die Rudhardtschen zu sammensetzbaren Jagdvignetten und die Rügerschen stilisirten Rohrkolben erwähnt. Im Anschluss hieran bemerkte Herr Kulbe, dass die gothisirende Richtung in den Schriftneuheiten ein Mittel ding zwischen Fraktur und Antiqua geschaffen habe und dass hier schon ein recht merkbarer Einfluss der modernen Be strebungen festzustellen sei; bei den im Mediaeval-Charakter geschnittenen neuen Schriften sei das weniger der Fall, diese Schriften zeigen noch eine gewisse Formen-Steifheit. Auch bei den Zierrathen seien Fortschritte zu beobachten. Die kleineren, zusammensetzbaren Ornamente seien sehr vortheilhaft zu verwerthen. Im Allgemeinen könne man sagen, dass ein be stimmtes Stilgefühl in den neuen Erscheinungen mehr und mehr zum Ausdruck komme. Herr Krüger macht darauf aufmerksam, dass in Katalogen und Accidenzen vielfach die modernen gothischen Schriften mit romanischen zusammen verwendet würden, und dass er dies nicht für zulässig halten könne, zumal, wenn eine solche Schrift sogar zur Auszeichnung im laufenden Text aus einer Schrift im Mediaeval-Charakter gebraucht werde. Schliesslich wurde die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf die leider zur Vorführung im Original nicht eingetroffenen neuen Schriftregale für Minimumkästen gelenkt, welche die Firma Gustav Stein, Elisabeth-Ufer 5/6, vertreibt; die Kästen sind so flach, dass deren 16 statt der sonst üblichen 12 in ein Regal gehen und erweisen sich für Schriftminima vollkommen ausreichend, sie sind, wie aus der Mitte der Versammlung her vorgehoben wurde, auch zu aufrechstehenden Steckschriften ihrer geringen Tiefe wegen verwend bar. Herr Könitzer schilderte hierauf einen durch Abbildung erläuterten neuen Apparat zum Durch schiessen des frischen Druckes mit Makulatur, eine Manipulation, wie sie beim Illustrationsdruck bisher in sehr umständlicher und zeitraubender Weise mit der Hand am Auslegetische bewirkt werden musste. Bei diesem Apparat wird die Makulatur, nachdem der Druckbogen von den Greifern erfasst wurde, von dem Einleger nach hinten von der Maschine aus an den am Ende des Anlegetisches befestigten Apparat gelegt und dieser führt ihn durch eine Rollen- und Bänderleitung direkt auf den Auslege - Rechen, und er wird auf diesem Wege stets zwischen die frisch gedruckten Bogen eingeschaltet, d. h. der Durchschuss bogen legt sich stets auf den auf dem Rechen befindlichen Druckbogen und wird mit diesem zusammen auf den Auslege tisch gelegt; es bleibt demnach der zuletzt gedruckte Bogen immer so lange unbedeckt zur Besichtigung offen liegen, wie dies ohne die Durchschussbogen der Fall sein würde. Der neue Apparat ist geeignet, eine erhebliche Ersparniss an Arbeitslohn wie auch an Raum zum Ein- und Ausschiessen und alle grösseren Maschinenfabriken haben die Lizenz zum Bau der Apparate erworben. Schluss der Sitzung 121/. Uhr. Tiegeldruckpressen in Buchbindereien In den Grossbuchbindereien bereitet sich ein Umschwung vor, der für die Gehilfenschaft und für manche Maschinenfabrik von tiefeinschneidender Bedeutung werden kann. Die alte Vergolde- und Prägepresse, die Jahrzehnte lang Dienste ge leistet und als einzige Hilfsmaschine zur Buchdecken-Verzierung diente, soll ihres Dienstes, soweit dieser den Farbendruck betrifft, entlassen und durch die schneller arbeitende Tiegel druckpresse ersetzt werden. Die Vergoldepresse hat der Grossbuchbinderei unschätz bare Dienste geleistet. Zuerst verwendete man die Balancier oder Spindelpresse. Diese wurde verdrängt durch die Knie hebelpresse, die sich infolge ihrer zweckmässigen Tiegelstellung besser zu buchbinderischer Massenarbeit eignete und sehr sichere, gleichmässige Golddrücke gestattete. Ebenso eignete sich die Kniehebelpresse vorzüglich zum Farbendruck, der vor etwa drei Jahrzehnten zur Buehdeeken-Verzierung ein geführt wurde und sich bald grosser Beliebtheit erfreute. Der Farbendruck auf Buchdeckel wurde anfangs in ein facher Ausführung als Schwarzdruck geübt. Bald ging man indessen zum Mehrfarbendruck über, und schon in den sieb ziger Jahren entstanden buchbinderische Farbendrucke, bei deren Herstellung bedeutende technische Kunstfertigkeit ent faltet wurde. Die Technik des Vielfarbendruckes bildete sich immer mehr aus, und heut drucken die Buchbinder förmliche Nachbildungen von Oelgemälden auf die Buchdeckel. Zu diesen Farbendrucken eignete sich die Kniehebelpresse recht gut. Die Keilstellung erlaubte schnelles und äusserst genaues Einstellen des auszuübenden Druckes, und diesen hielt die einmal gestellte Presse zu Hunderten und Tausenden von Prägungen gleichmässig ein. Ferner ist die Presse heizbar, sie gestattet daher sehr scharfes Niederprägen und Blank drucken der genarbten oder doch nicht ganz glatten Kaliko fläche. Nur Eins befriedigte an der Presse nicht, nämlich die umständliche und daher zeitraubende Art des Auftragens der Farbe und des nachfolgenden Druckes. Als man mit dem buchbinderischen Farbendruck begann, wurden die zum Drucken dienenden Gravuren oder Farben platten an die Anhängeplatte geklebt. Diese befindet sich am Heizkasten der Vergoldepresse, sie hängt dort in Prismen führungen, kann herausgezogen und wieder eingeschoben werden. Zum Zwecke des Einfärbens der Gravuren wurde die Anhängeplatte herausgezogen, umgedreht auf den Tisch gelegt, sodass die angeklebten Gravuren nach oben lagen und letztere mit Druckfarbe eingewalzt. Hierzu diente eine Handwalze aus Gummi oder Walzenmasse. Nach dem Ein walzen wurde die Anhängeplatte wieder umgedreht und in ihre Prismenführungen an den Heizkasten eingeschoben. Hier auf erfolgte der Druck. Diese Hantirung war bei der Schwere der Anhängeplatte äusserst anstrengend, dabei umständlich, zuweilen fielen auch die aufgeklebten Gravuren ab. Man strebte zunächst nach Erleichterung der Arbeit und