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Ur. 89 PAlIER-ZEITUNG 3503 Richtfest einer Zellstoff-Fabrik Bei prächtigstem Wetter — der Landregen vom Vormittag hatte wie auf Bestellung aufgehört und heiterem Sonnenschein Platz ge macht — fand am 28. v. M. das Richtfest der neuen Zellstoff-Fabrik der Firma Cellulosefabrik Memel, Akt.-Ges., auf Friedrichsrhede bei Memel statt. Äusser dem vollzählig anwesenden Aufsichtsrath, dessen Mit glieder zu einem wesentlichen Theil aus Hannover gekommen waren, und zahlreichen Aktionären, wohnten auch Vertreter der Be hörden dem festlichen Akte bei. Während auf dem Fabrikhofe vor dem Hauptgebäude die Gäste und etwa 150 Arbeiter Aufstellung ge nommen hatten, hielt von dem obersten Gerüste dieses Gebäudes aus Polier Haunschild eine poetische Richtfestrede, in deren Verlauf er ein Hoch auf den Kaiser, auf den Aufsichtsrath und die Direktion, den Schöpfer der Pläne Herrn Ingenieur Kuckuck-Hannover, Herrn Bau führer Ebert, die bauausführenden Meister Herren Architekten Ge brüder Lange-Hannover und auf alle am Bau betheiligten Gesellen und Arbeiter ausbrachte. Ein Rundgang durch sämmtliche Gebäude be endete die eigentliche Feier. Die neue Fabrik besteht aus acht selbständigen Gebäuden, der »Holz Vorbereitung«, der »Laugenbereitung«, dem »Kocherhaus«, einem »Wasserthurm«, einem »Maschinenhaus«, der sogen. »Separation«, dem »Kesselhaus« und dem »Stofffang«. Sämmtliche Gebäude liegen in doppelter zusammenhängender Reihe, in einer Front von 115 Metern, parallel dem Haff. Südlich beginnt die Reihe mit der »Laugen bereitung«, einem Raum von 25 m Länge, 21 m Tiefe und Ilm Höhe (bis zum Dach). Hieran reiht sich der »Wasserthurm« (7,8 m breit, 10 m lang und bis zur Thurmspitze 82,5 m hoch). Es folgt das »Kocherhaus« (21X21 m und 18 m hoch), die »Separation« (55X17 m und 9,5 m hoch), dahinter der »Stofffang« (10X9,5 m und 9,5 m hoch), das »Kesselhaus« (24X19 m und 5,5 m noch) mit dem dazu gehörigen 50,5 m hohen Schornstein, daneben liegen das »Maschinenhaus« (19X18,5 m und 8 m hoch) und die »Holzvorbereitung« (28 m lang, 20 m tief und 9,5 m hoch). Zur Gewinnung von Lagerplätzen für die Rohstoffe wird an der Haffseite ein Terrain von etwa zwölf Morgen durch Spundwand eingefasst und mittels Haffsands aufgefüllt Sämmtliche Gebäude bilden eine grossartige Anlage. Nach der Feier blieben die Gäste in dem zu dem Grundstück ge hörigen Sägewerk gemüthlich beisammen, und die festliche Stimmung gab sich in einer Reihe von Toasten kund. Herr Engelhardt-Hannover, der Vorsitzende des Aufsichtsraths, begrüsste die Gäste, Herr Bürger meister Altenberg trank auf das Wohl des neuen Unternehmens, Herr Bankdirektor Muttray brachte sein Glas den »Eltern« des Unter nehmens, den Herrn Loll-Memel und Engelhardt-Hannover, usw. Gesellen und Arbeiter wurden am Abend im Lindengarten festlich bewirthet. fMcmeler Dampfboot) Wechselvordrucke mit der Jahreszahl 189 . Nach dem Wechselrecht ist jeder Wechsel als ungiltig zu betrachten, der in einem wesentlichen Theile seines Inhalts eine Aenderung enthält, und das Ausstellungsdatum ist wohl als wesentlicher Theil des Inhalts zu betrachten. Auf eine Anfrage bei der Reichsbank ertheilte diese den Bescheid, dass ein Wechsel, bei welchem die auf den bisherigen Formu laren enthaltene Jahreszahl 189 . ausgestrichen und die neue Jahreszahl von 1900 ab darüber, darunter oder daneben ge schrieben sei, als geändert zurückgewiesen werden müsste. Auch Rechtskundige, die darüber befragt wurden, sind der Ansicht, dass dies Durchstreichen der Zahl 189 . vom Richter als eine Aenderung aufgefasst werden müsse. Derartig ge änderte Wechsel könne man weder bei der Reichsbank dis- kontiren noch wechselrechtlich einklagen. Die jetzt noch im Gebrauch befindlichen Formulare mit der Zahl 189 . sind also vom 1. Januar ab nicht mehr verwendbar. (Berl. Tageblatt.) Kartellirung österreichisch - ungarischer Papierfabriken. Am 28. v. Mts. fanden auf der Wiener und Budapester Börse Ge rüchte Verbreitung, wonach die von der Oesterreichischen Kreditanstalt gestützte Vereinigung sämmtlicher österreichischer und ungarischer Papierfabriken zu zwei gleichartig organisirten grossen Gesellschaften nunmehr vollzogen wäre. Diese Aus streuungen bestätigten sich jedoch nicht. Wie Pester Lloyd vernimmt, sind vielmehr gerade während der letzten Tage bei den Verhandlungen mit den Papierfabriken ernstliche Meinungs verschiedenheiten entstanden. Die ungarischen Firmen haben sich bereits von den österreichischen Fabriken vollständig los gesagt und gehen ihren eigenen Weg. Sie streben vorläufig lediglich eine Vereinbarung über die Erzeugungs-Mengen an, die angesichts der in der ungarischen Papier-Industrie herrschen den ungünstigen Verhältnisse auch zu Stande kommen dürfte. Die Schätzung der einzelnen österreichischen Papierfabriken, die bereits im Hochsommer hätte stattfinden sollen, hat noch nicht begonnen, weil die Mehrzahl der Fabrikanten dem Plane, dass die der Vereinigung beitretenden Firmen den Werth ihrer Anlagen gegenseitig abschätzen, nicht beistimmen wollte. Kampf der Hausbesitzer gegen die Tapeten-Händler. Der Ver band der Tapetenfabrikanten boykottirt bekanntlich alle Tapeten händler, die billiger als zum festgesetzten Preise verkaufen oder von ausserhalb des Verbandes stehenden Fabriken kaufen. Die Hausbesitzer kämpfen gegen die dadurch bewirkte Ver- theuerung der Tapeten, und folgende Nachricht aus dem Berliner Lokal-Anzeiger zeigt, wie der Kampf geführt wird: Der Vorsitzende des Hausbesitzervereins »Süden«, Hermann Schulz, sprach im »Hausbesitzerverein im Norden von Berlin« vor einer zahlreichen Versammlung, wozu auch verschiedene Tapeten fabrikanten und Händler erschienen waren, über den »Tapetenring«. An den mit grossem Beifall aufgenommenen Vortrag schloss sich eine lebhafte Debatte, an der sich Herr Langhammer aus Chemnitz, Vor sitzender des Vereins Deutscher Tapetenfabrikanten, Rechtsanwalt Steinschneider, Stadtverordneter Frick u. A. betheiligten. Folgende Resolution wurde einstimmig angenommen: »Das Vorgehen des Vereins der deutschen Tapetenfabrikanten gegen solche Fabrikanten und Händler, welche nicht zu diesem Vereine gehören, findet nicht die Billigung des Vereins, und kann derselbe den auf die Händler ausgedrückten Zwang, so ausserordentlich hohe Aufschläge auf die Fabrikationspreise zu machen, nicht als gerechtfertigt anerkennen. Aufgabe unserer Vereinsmitglieder muss es daher sein, nur mit Geschäften in Verbindung zu treten, welche nicht durch ihre Zugehörigkeit zum Verein Deutscher Tapetenfabrikanten im freien Handel behindert sind.« Postkarten mit rahmenförmig ausgeschnittenem Umschlag. Im Postverkehr sind neuerer Bestimmung zufolge Briefsendungen, deren Umschläge mit einem Ausschnitt versehen sind, durch welchen die auf der Einlage (Brief, Drucksache oder dergl.) befestigte Freimarke sichtbar ist, von Beförderung durch die Post auszuschliessen. Diese Bestimmung wird vor Allem die Riesen-Ansichtspostkarten treffen, die seit einiger Zeit in den Verkehr gebracht werden, denn diese Karten, deren Format ihre Beförderung als Postkarte ausschloss, die aber doch, wenn sie für den Sammler Werth haben sollten, eine abgestempelte Freimarke tragen mussten, wurden häufig in der Form ver sendet, gegen die sich die Verfügung des Reichspostamts wendet. Beschlagnahmte Ansichtspostkarten. In dem der Frau Amalia Herz gehörigen Bazar in Wesel wurde am 24. Oktober auf An ordnung der Staatsanwaltschaft eine grosse Menge Ansichts- Postkarten mit Beschlag belegt, welche eine Nachbildung des im Eigenthum der Militärverlagsanstalt in Berlin befindlichen Heringschen Bildes »Der Tod der Schillschen Offiziere« enthalten, g. Wasserrecht in Sachsen Das Kgl. sächsische Ministerium überwies vor einigen Wochen den Entwurf einer Wasserrechts-Vorlage der Dresdner Handelskammer, damit diese mit den Interessenten die Vorlage berathe. Bei der grossen Wichtigkeit des Gegenstandes wurden gegen 60 Betheiligte und zwar Schifffahrttreibende, Inhaber von Mahl- und Schneidemühlen, Strohstoff-, Holzstoff- und Papierfabriken, Färbereien, Bleichereien, Gerberei- und Bergbau treibende um ihre Meinung über die Vorlage befragt. Diese Meinungen und Anschauungen fasste die Kämmer in einem längeren Gutachten zusammen und liess dasselbe den Kammer mitgliedern zugehen. Danach besteht für eine gesetzliche Reglung der wasserrechtlichen Verhältnisse im Königreich Sachsen ein dringendes Bedürfniss. Die Handelskammer be antragt mehrere Aenderungen des Entwurfs. Nach dem Ent wurf soll in Fällen »dringender Gefahr« der Ortspolizei das Recht zustehen, über das im Privateigenthum oder im Be nutzungsrecht Dritter stehende Wasser zum gemeinen Besten vorübergehend zu verfügen. Der Verbesserungsvorschlag der Kammer geht dahin, dass dieses Recht in den Fällen »gemeiner Gefahr« gewährt werde. Der Begriff der gemeinen Gefahr ist bereits im Reichs-Strafgesetzbuch (§ 312 ff.) verwerthet und von der Rechtswissenschaft bestimmt umgrenzt worden. Ferner schlägt die Kammer aus Billigkeitsrücksichten vor, die Entschädigung zu erweitern und zwar auf den vollen Er satz des gesummten Schadens, welcher durch die behördliche Verfügung dem Wasserberechtigten verursacht wird. Ge gebenenfalls wird durch eine solche behördliche Maassnahme ein grosses Unglück verhütet, ohne dass davon gerade der Einzelne, in dessen Recht eingegriffen wird, betroffen worden wäre; nun soll er allein Schaden haben, während die Anderen davor bewahrt worden sind. Es kann auch durch eine solche