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Buchgewerbe Buchdruck * * * *** Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung Buchbinderei * * * * * Buchhandel Br. 83 Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung Berliner Typographische Gesellschaft Die nächste Arbeits-Sitzung findet ausnahmsweise Donnerstag, 19. Oktober, in den unteren Räumen des Architektenhauses, Wilhelmstrasse 92/93, statt. Die geehrten Mitglieder werden gebeten, diese Abweichung vom Vereinskalender beachten und zahlreich erscheinen zu wollen. Der Vorstand Tages-Ordnung: 1. Vereinsangelegenheiten — Stiftungsfest — Lese-Abende. 2. Zur Reform des Giesszettels. Referent Herr H. Smalian. 3. Technische Neuheiten: a) Schriften und Zierrath b) Maschinen und Geräthe. 4. Rundschau über die Fachpresse. 5. Diskussion über die Ergebnisse von Preisausschreiben. se Gäste willkommen! 0a Von 8 Uhr ab liegen die neuesten Fachschriften im Vereins-Lokale zur Benutzung aus. Ansichten eines Steindruckereibesitzers Hannover, im Oktober 1899 I. Arbeitgeber-Organisation Welcher Jubel müsste nach landläufiger Vorstellung jedes Unter nehmerherz erfüllen in dem Gedanken, dass wiederum ein von langer Hand geplanter und nachdrücklichst geführter Streich der Arbeiter massen gegen die besitzende Klasse vor wenigen Wochen in so glänzender Weise abgewiesen worden ist! Handelte es sich diesmal doch um mehr als 80.000 Arbeiter verschiedener Gewerke, denen in dem kleinen Dänemark drei Monate lang die Arbeit vollständig gesperrt worden war; die Leute wurden also einfach ausgehungert. Diese Bewegung, an der für die Winzigkeit des Landes eine un geheure Zahl von Arbeitern betheiligt war, musste in der ganzen Welt die Aufmerksamkeit derjenigen Kreise auf sich ziehen, die ernstlich bemüht gewesen sind, in der Hebung der Wohlfahrt der unteren Bevölkerungsklassen aller kultivirten Länder eine erstrebens- werthe und an sich gewiss mögliche Milderung und Ausgleichung der sozialen Gegensätze zu finden. Wie in England bei dem letzten grossen Streik, handelte es sich auch hier bei diesem aussergewöhnlichen Lohnkampf um das un antastbare Recht des Arbeitgebers, in seinem eigenen Betriebe auch Herr und Leiter zu sein und zwar entgegen den von berufsmässigen Hetzern in die Irre geführten Meinungen und Absichten der Arbeit nehmer, welche auch in gewerblichen Angelegenheiten die von ihnen in selbstbewusster Weise für gut befundenen, oft ganz willkürlichen Maassnahmen zur Durchführung bringen wollten. In der That scheint die Mehrzahl der Arbeitnehmer der grund falschen Ansicht zu sein, dass ihrer Arbeitsleistung nur der Werth des Kapitalbesitzes gegenüber steht. Die Leute wissen eben nicht, oder wollen es wider besseres Wissen nicht glauben, dass oft die geistige Kraft des Unternehmers allein sowohl dem Kapital wie der fysischen Kraftleistung erst zur wirthschaftlichen Bedeutung verhilft. Die auf irrigen Voraussetzungen begründete Kraftprobe der dänischen Arbeiter ist zu ihrem Unheil ausgeschlagen. Viele Tausende von Familien haben ihr ganzes Hab und Gut verloren und sind dem Elend verfallen. Wer solchen Vorgängen des gewerblichen Lebens aufmerksamen Blickes folgt und sie einer objektiven Beurtheilung unterzieht, wird mit mir zu dem Schluss kommen, dass in jetziger Zeit wie die mili tärischen Kriege so auch die Kämpfe auf sozialem Gebiete für beide Theile immer verhängnissvoller werden und unverhältnissmässig grosse Opfer erfordern. Die dänischen Arbeitgeber waren sich klar bewusst, dass die Grundlage ihrer Existenz thatsächlich bedroht sei. Und das brachte auch die indifferentesten und egoistischsten Naturen unter ihnen endlich zu der Erkenntniss, in einer festgeschlossenen Organisation Abwendung der drohenden Gefahr zu suchen. Diese Organisation war in Dänemark zwar bis zur Einführung des Gewerbegesetzes vom Jahre 1867 in Form von Zünften und Innungen vorhanden. Seit dieser langen Zeit ist jedoch so gut wie nichts geschehen, um den eingetretenen neuen Verhältnissen, welche die mächtig erstarkende Grossindustrie mit sich brachte, irgendwie in gerechter Weise Rechnung zu tragen. Es zeigte sich aber bald nach der energischen Aufraffung der Arbeitgeber, dass die Arbeiter in dem von ihnen heraufbeschworenen Kampfe unterliegen mussten, da die beigetriebenen Hilfsmittel rasch dahinschwanden, und die geradezu kläglich ausgefallenen Unter stützungen der ausländischen Arbeiter keinen weiteren Rückhalt ge währen konnten. Die dänischen Arbeitgeber haben daher gesiegt, wie ihre Berufs- und Standesgenossen der ganzen Welt in solchen Streitfällen stets siegen müssen, wenn sie die in ihrem Besitz befindlichen Machtmittel richtig anzuwenden verstehen. Dieser für die jetzt bestehenden Arbeitsverhältnisse aller Kultur länder ausserordentlich wichtige und unbedingt nothwendige Erfolg der dänischen Unternehmer kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die in dem nunmehr beendeten Erwerbskampfe gebrachten Opfer volkswirthschaftlich dem daran betheiligten Unternehmerthum und dem davon betroffenen Staatsverbande fast unheilbare Wunden ge schlagen haben. Zu spät war die Organisation der Arbeitgeber erfolgt, denen durch ihre höhere Bildung und durch ihren Besitz an Geld und Gut zweifellos die sittliche Verpflichtung oblag, rechtzeitig Mittel und Wege zu finden, um die zum Theil berechtigten Wünsche und Forderungen der Arbeiterschaft zum Besten der allgemeinen Wohl fahrt zu befriedigen und nicht die Ursache zu werden, dass die volks- wirthschaftlichen Kräfte der Nation zersplittert oder gar zerstört werden könnten. * * # II. Lithografen als Führer der Arbeitnehmer-Organisation Deutsche Unternehmer, welche von den unglückseligen gewerb lichen Kämpfen im benachbarten Dänemark eingehender Kenntniss genommen haben, werden die beherzigenswerthe Lehre daraus ziehen, die deutlich sichtbaren Zeichen der Zeit zu beachten und thatkräftigst zu verhüten, dass ähnliche Fälle die Wohlfahrt von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in unserem Vaterlande untergraben. In den Kinderwindeln befindet sich bei uns trotz mehrfacher An läufe leider immer noch die schon seit Jahr und Tag beabsichtigte Organisation der Steindruckerei-Besitzer. Aber wie bisher wird von den Herren Kollegen die Vogel-Strauss-Politik weiter fortgesetzt, die dem Egoismus jedes Einzelnen den freiesten Spielraum lässt. Es dürfte daher wohl angebracht sein, auf meinen darauf bezüg lichen Artikel vom 19. Januar d. J. in Nr. 6 der Papier-Zeitung hin zuweisen, dessen Inhalt auch jetzt noch zutreffend ist. Die seit jener Zeit in unserm Lager vollbrachten Thaten sind gleich Null zu bewerthen. Dagegen haben, wie dies bereits früher ausgeführt wurde, die nur recht mangelhaft organisirten Lithografen und Steindrucker Deutschlands ihre zeitgemässen und ganz berechtigten Forderungen auf eine 8 stündige Arbeitszeit für Lithografen und auf eine 9 stündige für Steindrucker, sowie Bezahlung der gesetzlichen Feiertage, dazu 25 pCt. Lohnaufschlag für Ueberarbeit und 50 pCt. Lohnaufschlag für Sonntagsarbeit, in einer Reihe grösserer Städte schlank durchgesetzt. Bislang krankte die Arbeiter-Organisation des grafischen Gewerbes an der offenen, noch mehr aber an der im Stillen geführten Oppo sition der Lithografen. Und das ist eine ganz besondere Art von Leuten, die richtig angefasst und verstanden sein will! Die nicht nur in ihren technischen Leistungen, sondern auch ihrem Bildungsgrade nach weit höher als die Steindrucker zu be messenden Lithografen haben jedoch bis auf den heutigen Tag die ihnen in ihrer Organisation gebührende Stellung nicht erlangt. Die Erklärung dieser Thatsache ist für die Kenner der Verhältnisse leicht zu geben. Der Lithograf strebt nach »Höherem«, er fühlt sich berechtigter oder unberechtigter Weise eher als Künstler und wird oft genug in seinem Inneren gewiss auf das Peinlichste berührt worden sein, den noch in dieser Welt nur als ein einfacher Arbeitnehmer gelten zu müssen. Die in seiner Familie genossene bessere Erziehung und die in sehr vielen Fällen unter Mühsalen und Selbstverleugnung auto didaktisch erworbene, zuweilen weit über sein Fach hinausreichende allgemeine Bildung zogen begreiflicherweise eine Scheidewand zwischen ihm und seinen übrigen Arbeitsgenossen. Hatte der Lithograf als jüngerer Mann wohl auch eine gewisse Begeisterung für die ihm als erstrebenswerth geltenden Ziele der Arbeiter-Organisation, so überzeugte ihn doch sehr bald die ganze Handhabung der Geschäfte, dass für maassvoll denkende und dem gemäss handelnde Leute da kein Platz vorhanden sei, wo zumeist der fanatische Politiker sich in unlogisch gedrechselten Fräsen erging und das grosse Wort führte. So konnte man im Laufe der Jahre beobachten, dass sich die Mehrzahl der Lithografen von der Mitarbeit an ihrer Organisation resignirt abgewandt und es den »Andern« einfach überlassen hat, von den Arbeitgebern gelegentlich für sie mit herauszuholen, was möglich war. Jetzt wird das anders werden!