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Nr. 104 PAPIER-ZEITUNG 4111 Diplome für treue Mitarbeit Nach 10jähriger Thätigkeit bei der Firma X. wurde für mich Mitte März 1899 der Firma ein Diplom vom Papier-Industrie-Verein für 10jährige Thätigkeit gesandt, und ich bitte Sie mir mitzutheilen, ob ich Anspruch darauf habe, dasselbe zu verlangen, oder ob die Firma dasselbe behalten kann. Ich war noch bis 15. Juni 1899 bei der Firma in Stellung und bin freiwillig ausgetreten. B., Werkführer Der Papier-Industrie-Verein verleiht, wie der Aufdruck sagt, dem Friedrich Schulze »für die seinem Mitglied X. . . Jahre lang geleistete treue Mitarbeit« das Diplom. Das Mitglied zahlt jährlichen Beitrag, und nur auf seinen Antrag werden Diplome verliehen und ihm zugesandt. Daraus ent steht kein Rechtsanspruch für den Mitarbeiter, auf dessen Namen das Diplom ausgestellt ist, das Vereins-Mitglied behält vielmehr das Verfügungsrecht. Es kann z. B. vorkommen, dass nach Ausfertigung eines Diploms, aber ehe es dem Mit arbeiter übergeben ist, dieser eine That verübt, die ihn einer solchen Auszeichnung unwürdig macht. Wenn ein Zerwürfniss eintritt, muss der Arbeitgeber erwägen, ob er dennoch den Angestellten auszeichnen will. Falls gegen Letzteren nichts vorliegt, sollte ihm billiger Weise das Diplom ausgeliefert werden, wenn er auch austritt — darüber hat aber, wie gesagt, der Arbeitgeber allein zu entscheiden. Technische Erziehung in England Von W. von Knoblauch England, das sich mit Stolz die Werkstatt der Welt nennt und seit langer Zeit gewohnt ist die Welt mit seinen Erzeug nissen zu überschwemmen, Sieht sich neuerdings arg bedrängt. Zu seinen gefürchtetsten Nebenbuhlern gehören Deutschland und die Vereinigten Staaten Amerikas. Die weltbekannte Merchandise Marks Act von 1887 ist ursprünglich ein Kampfmittel, um aus ländische Erzeugnisse in den Vereinigten Königreichen (Gross britannien ünd Irland) unmöglich zu machen. Dieses Gesetz hat sich als ein zweischneidiges Schwert erwiesen, und England hat durch das zwangsmässige Be kanntgeben des Ursprungslandes nicht nur einen grossen Theil des Zwischenhandels, sondern auch eine grosse Menge ausländischer und kolonialer Kunden verloren. Die über seeischen Käufer wenden sich jetzt direkt nach Deutschland oder nach den Vereinigten Staaten. Das Gesetz ist zwar der vielen Interessenten halber nicht Widerrufen, aber doch schon erheblich abgeschwächt worden ünd wird jetzt in Grossbritannien als ein Seitenstück zu dem deutschen Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb betrachtet. In neuerer Zeit haben nun die englischen Zollämter den Kampf gegen die ausländischen Erzeugnisse aufgenommen. Besonders macht sich das Zollamt Harwich durch seinen blinden Eifer bemerkbar. Der Papierhandel weiss ein Liedchen davon Zu singen. Druckpapier-Ballen wurden unter dem Vorwande, dass Tabak darin verborgen sein könne, mit einem Degen durchstochen und so für Druckmaschinen unbrauchbar gemacht. In Deutschland hergestellte Weihnachtskarten sind bis nach dem Feste zurückbehalten und dann mit einer nichtssagenden Entschuldigung freigegeben worden. Der Vorwand war hier, dass den Vorschriften der Merchandise-Act nicht genügt sei. Man zertrümmerte Garderoben- und Wäscheschränke, um den Inhalt zu erforschen, denn Schlüssel behufs ordnungsmässiger Oeffnung zu verlangen, hält das hochlöbliche Zollamt nicht der Mühe werth. Kisten mit Hausgeräth wurden durchwühlt und das Porzellan zerbrochen, Leinen durch lange Nägel zerrissen. (Dies dürfte doch nur in sehr vereinzelten Fällen geschehen sein, wo die Versender die Vorschriften nicht beachteten. Red.) Allmälig aber ist es klar geworden, dass das Pochen auf die Vorzüglichkeit der englischen Fabrikate, die Merchandise-Act und die Zoll-Schikanen nichts nützen. Hierüber giebt das neueste Buch Steffen’s »England als Weltmacht und Kultur- Staat« gründlichen Aufschluss. Die Welt will auf dem besten und billigsten Markte kaufen. Die schöngefärbten, nicht gerade von Fachkenntniss zeugenden Berichte der englischen Konsuln in fremden Ländern, in denen sie versicherten, dass die Welt lieber von England kaufe, auch wenn die Waare theurer wäre, falls die englischen Fabrikanten nur ein wenig in Preisen, Maass, Gewicht, Geschmack und Landesmünze ihren Kunden entgegen kämen, sind nicht mehr so siegesgewiss. Sie konstatiren jetzt ziemlich oft, dass deutsches und amerikanisches Erzeugniss besser als das englische und dazu billiger ist. .. Die Schuld wird jetzt der vernachlässigten technischen Erziehung gegeben. Mit britischer Gründlichkeit und prak tischem Verständniss werden jetzt in allen kaufmännischen und industriellen Orten technische Fachschulen und Armenklassen errichtet. Es bestehen deren zur Zeit etwa 6000 in Grossbrilannien. Von diesen dürfte für die Leser der Papier-Zeitung die »Hoch schule für Drucker« in St. Brides Street die interessanteste sein. Zur Eröffnung des Winter-Semesters hielt Lord Rosebery eine Rede, in der er betonte, dass die aufgestellten Apparate und Maschinen alle im Ausland angefertigt seien, und dass es die Pflicht der Lehrer und Schüler sei, die ausländischen Leistungen zu übertreffen. Die South Kensington School of Science and Arts veranstaltet eine jährliche Ausstellung von Schülerarbeiten auf allen technischen Gebieten. Mehr als 1000 Schulen be theiligen sich dieses Jahr. Ungefähr 100000 Gegenstände waren ausgestellt: Malereien, Zeichnungen, Schreinerarbeiten, Buch binder-Arbeiten, Buchstaben in Druck und Zierformen usw. Chambers Magazine in seiner Oktober-Nummer sagt: »Der Einfluss dieser Schulen auf den künstlerischen Geschmack der Nation ist nicht zu verkennen. Vor etwa 25 Jahren mussten die britischen Fachleute ihre Entwürfe aus dem Auslande holen, jetzt können sie solche ohne Mühe im Lande selbst finden, und es wird nicht mehr lange währen, bis die aus ländischen Fabrikanten sich ihre Entwürfe aus England holen müssen.« Neue ausländische Erfindungen werden jetzt möglichst schnell in London zur Schau gestellt, um dem ausländischen Wett- bewerb womöglich zuvor zu kommen. So war vor einiger Zeit in Shaftesbury, Avenue Nr. 119 die von Ivan Orloff erfundene Vielfarben-Druckmaschine zu sehen. Jetzt wieder ist die Arts and Crafts Exhibition eröffnet. Hier sind die Erzeugnisse der Kelmscott-Press und die anderen Arbeiten von William Morris auf dem Gebiete der Glasmalerei, Tapeten-Entwürfe, Weberei, Papier-Fabrikation usw. ausgestellt. Äusser London giebt es noch andere Mittelpunkte der technischen Erziehung; unter ihnen sind die Grossstädte Bir mingham, Manchester mit einer gut besuchten Papiermacher- Fachschule, Glasgow, Dundee und Belfast hervorzuheben. Jede dieser Städte hat eine für ihre eigene Industrie passende Fachschule eingerichtet. Edinburg zeichnet sich rühmlichst durch seine Druckerschule aus. Wie man sieht, werden fast übermenschliche Anstrengungen gemacht, um die bedrohte englische Industrie wieder zur ersten der Welt zu machen. Das Bemerkenswerthe hierbei ist, dass der Staat selbst nicht organisirend eingreift. Gewisse Summen werden von der Regierung den Gemeinden und Körperschaften bewilligt. Der Staat selbst übt durch die von der Regierung angestellten Examinatoren nur eine Art Ober-Vormundschaft aus. Alles Uebrige ist den Anstrengungen privater Personen, Fachgenossenschaften und Gemeinden überlassen. Die Ent wicklung dieser Bewegung ist daher nicht einheitlich und die Losung lautet: »Selbsthilfe«. Jedenfalls dürfen die An strengungen, die in dieser Hinsicht in Grossbritannien gemacht werden, von den ausländischen Fabrikanten nicht unterschätzt werden. Die deutsche Industrie hat in gewissen Fächern einen Vorsprung gewonnen, und sie muss Alles aufbieten, um bei diesem Wettbewerb an der Spitze zu bleiben. Die Papier-Einfuhr nach Argentinien hatte im ersten Halb jahr 1899 einen Werth von 1472026 Gold-Pesos gegen 1426158 in der gleichen Zeit des Vorjahres, hat also um 45868 Gold- Pesos zugenommen. (1 Gold-Peso = 3 M. 88 Pf.) Probenschau Briefpapier - Ausstattungen' von Schaller & 'Co., Commandit- Gesellschaft, Berliner Papierwaarenfabrik in Berlin S. In Nr. 94 wurde unter »Berliner [Papier-Neuheiten« das Californian Oak Paper dieser Firma erwähnt. Papier und Schachtel-Ueberzug sind hell gelblichgrau gemasert und sehen genau so aus wie ein Längsschnitt der kalifornischen Eiche. Die Ränder der Briefbogen und Umschlag-Klappen sind roth. Eine ähnliche, ebenfalls geschützte Neuheit der Firma ist Florida-Ceder-Papier. Die Maserung des von den Bleistiften und Zigarren-Kisten her allgemein bekannten schönen Holzes ist prächtig nachgeahmt, und die Schreibfähigkeit des Papiers hat durch den Farbstrich’ nicht im Mindesten gelitten. Proben mit weissem und farbigem Monogramm bedruckter Zeder- und Eichenpapiere beweisen, dass Monogrammprägungen auf beiden Farben wirkungsvoll zur Geltung kommen. Die Firma sendet an ihre Kunden zweck mässige Reklameständer für das Schaufenster.