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Alonzo Philippe Orlanduro Tuteras y Magnaio di / Fuerta entstammte einem uralten spanischen Adels- geschlechte, war ein Sprößling jener hochfeudalen Granden, die einst zur Zeit der Eroberung und Unterwerfung Südamerikas mit in den vordersten Reihen der „Conquista- doren-Heere" gefochten, das Reich der Inkas zerstört, ihr Herr- fchertum gestürzt, Städte und Tempel verwüstet, Gold und Edelstem« geraubt und die „weiße Kultur" mit einem Meere von Blut und Tränen in jene Gegenden getragen, Und wie einst Pizarro Cortez und die anderen Führer der spanischen Armeen Holz unnahbar kühl bei allem hitzigen südlichen Blute gewesen just ebenso war Don Alonzo — Schon geraume Zeu hindurch Hutt« ich selbst diesen ele ganten. schlanken dunklen jungen Mann mit den wunder baren fast finsteren Glutaugen staunend und mit einem leisen Gemisch von Neid und Scheu beobachtet. Wer doch auch so weltmännisch überlegen kalt und abweisend dabei überall bewundert und angeschwärmt wäre wie er! Aber der Don schien meine Blicke ja. meine Existenz nicht einmal zu bemerken: und meine stille Hoffnung, diesen in jeder Be> ziehung außergewöhnlichen Menschen kennenzulernen er schien mir selbst von Tag zu Lag vermessener Wie sollte auch ich. der Deuljchs der Fremdläufer, der nur geduldet« Gast auf der Universität zu Barcelona, diesen stadtbekannten schwerreichen jungen Granden kennenlernenl An der Hoch schule — wo auch der Gras juristischen Studien mit aller dings nur geringem Eifer oblag — hatte er leinen Ehren platz dicht neben dem Katheder der Vortragenden Herren Professoren an einem Tischchen während ich, gleich den an- deren gewöhnlichen Studierenden hoch im Ring« der am- phitheatralisch angeordneten Rundreihen meinen Sitz sand Schon diese weite Distanz zwischen uns in den Hörsälen war charakteristisch für den Abstand den das Leben ,wischen uns legt« Eines Abends, ich hatte noch lang« Stunden m der weltberühmten Bibliothek der Universität lesend und in sei- tenen Werken studierend zugebracht, ging ich durch den wun derbaren, linden Frühlingsduft des Parkes unter stern- besätem Himmel grübelnd genießend und träumerisch den weiten Weg nach meinem bescheidenen heim welcher in einer ziemlich ärmlichen Borstadt gelegen war Da lieh mich ein merkwürdiges Geräusch auffahren, es klang, als ob zwei Menschen keuchend in ringender Um schlingung miteinander um ihr Leben kämpften. Ein leiser, scharfer Fluch macht« mich plötzlich stutzen. Dies« Stimm« kannte ich, hatte ich gelegentlich schon vernommen. . . . Mastig eilte ich herzu, bog die Büsche des Gesträuche» zur Seite, lugt« vorsichtig auf das Rondell und erblickt« Don Alonzo, der sich verzweifelt gegen zwei abgerissene Individuen -»'neidigen suchte, di« u-n umklammc. kielten. Einem weniger geschmeidigen Körper wär« es ein« Unmöglichkeit gewesen, der wild«n Angriff« der größeren und breitschultrigen Strolche sich so lange zu erwehren Doch Don Alonzo entwischte immer wieder dem wütenden Eindringen und keuchend, — aber ohn« einen Hilferuf zu tun — luchte er, sich di« beiden vom Leibe zu halten. Nun zögerte ich nicht länger; in dieser Lag« würde der stolze Spanier mir die Einmischung wohl kaum verübeln können. Au» dem Busch« springend hieb ich dem «inen der Buben di« Faust von der Seit« her mit aller Kraft unter das Kinn, daß die Zähne krachten und «r wie ein Sack zu Boden schlug. Der andere fubr bei diesem Zutreten eines Dritten zurück, «in Umstand, den der Graf seinerseits ausnutzle. den überraschten Kerl mit einem Jiu-Jitsu-Griffe zu erledigen Laut rief ich setzt nach der Polizei, die auch im Laufschritt er- schien, und — erschrocken, den bekannten hohen Adligen In dieser Situation zu finden — unter zahllosen, wortreichen Entschuldigungen in melodischem katalanischen Dialekt« der Stadt die beiden Uebeltäter dingfest mochte. — — „Verzeihen uns nur, Exellenra. wir waren eben erst al» Ablösung auf dem Wege in den Park!" .... Don Alonzo lacht« ein wenig oeräckUich. ,Ln d«r Kneip« habt Ihr gesessen, anstatt den nächtlich unsicheren Park zu revidieren. Wenn ich das meinem ,»r«und« Sennor Dauto dem Herrn Polizeipräsidenten, arteigen würde, säßet Ihr beiden Tüchtigen morgen auf der Straße. Bedankt Euch hier bei dem Sennor Alemagno, daß mir nicht» passiert ist, «» war nahe daran. Und nun weg mit den Lumpen. E» sind Raubmörder, also reif für den Strick!" Mit Kolbenstößen trieben die zwei Gendarmen ihr« Opfer von dannen, ihr« Schritt« verhallten im Dunkel. Don Alonzo und ich standen im dämmernden Mondlicht unter den balsamisch duftenden Blütenbüschen einander schweigend gegenüber. Ich wußte nicht, wie ich mich zu verhalten hätte, zog den Hut, murmelte in meinem mangelhaften Spanisch eine leis« Entschuldigung über ein« vielleicht nicht erwünschte E' '.Mischung, sagt«, daß ich unt«r allen Umständen reinen Mu-d über dieses Ereignis und Zusammentreffen bewahren würde mich und wollte gehen. Da legte sich di« Hand d«r jungen Manne» auf meinen Arm Er hielt mich leise zurück, lächelt« gewinnend und lprach: Ihr leid ein wirklicher Edelmann, Ihr seid mein Freund! Ich heiße für Euch nur Alonzo, Ihr seid mein Bruder; wollt Ihr es so!?" Ich stand sprachlos, drückte die hingereicht« fein« Hand de» jungen Mannes und schritt schweigend an seiner Seite den Weg entlang, den er führt« Nicht nach meiner Be hausung gingen wir. sondern nach dem kleinen Palais, das er mit «einer Dienerschaft in der Nähe de« königlichen Stadt schlosses bewohnte. Ein Märchenschloß tat sich'vor mir auf, und der neue Bruder sagte zu der herbeigeeilten zahlreichen Dienerschaft ganz einfach und halblaut: „Dies Ist mein Bruder aus Deutschland, er hat mir da» Leben gerettet. Sein Wunsch ist Euch allen Befehl, wie der mein« sonst und der von Donna Maria allein, ruft sie einmal her, wenn sie noch nicht zur Ruhe gegangen, Sorgt für ein reiche» Essen und holt di« Sachen meines Bruder» au» seiner alten Wohnung her. noch in dieser Nacht!" Tief neigten sich die Diener vor un», diskret übersah Alonzo mein Staunen. m«in« Verlegenheit. Aber ich sollte noch mehr staunen — Ein wunderbar«» Mädchen trat zögernd In da» Empsangsgemach, ein zarte», junge» Geschöpf von «delst«m Wuchs Iw sprang auf und verbeugte mich. Meine Gattin, Donna Maria!", sagt« der Graf leise lächelnd. „Meine Gattin, di« Frau Gräfin, — derentwegen Ihr mir soeben da» Leben gerettet —. Ihr werdet sogleich alles erfahren!" ., Und nun vernahm ich eine Geschichte, di« so phantastisch, so buntl«ucht«nd in tropischen, glühenden Farben sich vor mir emporschwang, daß ich si« so berichten möchte, wie Don Alonzo sie erzählt«, als wir zusammen bei einem späten festlichen Mahle bi» in den strahlenden Lenz- morgen hinein beisammensaßen „Geboren bin ich selbst in Peru, wo mein« Elt«rn un geheure Ländereien. Besitzungen. Plantagen, Urwälder, Dörfer, Seen — kurz, was Ihr immer wollt — besaßen. Dort verlebt« ich die erst« Iug«nd, Dann starben rasch hintereinander mein« lieben Eltern, ich trat den weiten Besitz als Alleinherr an. Nun begab e» sich, daß «ine Forjchungsexpedition zu mir kam, di« e» sich zur Aufgabe gestellt, di« alten im un durchdringlichen Urwald« gelegenen Trümmerftätten d«r Städte und Temvel au» der Inkazeit — an deren Ver wüstung meine Ahnherren auch «inen Anteil zweifelsohne gehabt haben, — auszugraben und zu untersuchen. Ich spottete «in wenig über diese anstrengenden und müßigen Versuch«, di« dank des Klimas, der feindseligen Einge borenen, — der Indios, Mischlinasabkömmlinge der einst mals dort mächtig herrschenden Geschlechter —, und auch der Giftschlangen, Moskitos und anderen ekelen Ungeziefers nicht ungefährlich sind. Doch wußten mich die kühnen Pi- onier« der Wissenschaft dergestalt für ihr« Pläne zu be geistern, daß ich kurzentschlossen mit in die geheimnisvolle Sphäre einer versunkenen Kulturepoche zog. In der Tal gelang es auf Grund vorher sorgfältig festgeleater Pläne ein völlig unberührtes Tempelgebiet, misten in der grüne«. Wildni» zu entdecken; früher wohl Zentrum eines hohen Götterkultes, nun überwuchertes und zersprengtes Trüm mer- und Gemäuerfeld aus gleißendem Marmor und glitzerndem Granit, wo Schlangen Eidechsen und Skorpione ihr Wesen trieben. Und «in paar eiende Hütten waren ringe imher oerstre n darinnen Nachkömmling« der alten vor nehmen Prie^ergelMletstte»- in st>n«r Zurückgezogenheit da hindämmen« Ein Mädchen aber leo.e von uno genoß königliche Ver ehrung ein wunderbar liebliches Wesen, in welches ich mich bestimmt verlieb! hätte wenn es eb«n nicht nur eine „Indio^ gewesen wäre Ich versuchte, mich ihr immerhin zu nähern, erfuhr aber bald heftige Warnungen seitens der erfahrenen Forscher denn ich setzte mein Leben aufs Spiel. Dieses Mädchen war von kaiserlichem Geblüt«, war de« letzte Sproß vom einst grünenden Baum der peruanischen Dynastie, hatte uralte Dokumente und heilig- Schmuckst,Icke in Besitz. — wi« man mir sagte —, und gerckß neben fast überirdischer Der- ehruna den Schutz des ganzen männlichen Stamme» jener Mischlinge, die Gifte, Messer und geheime Kräfte zx führen wissen. Da schlug in mir die gewaltsam ni«sergekämpfte Neigung zu der angeblich „Unebenbürtigen" — der Inta- tochrer, — in lichten Flammen empor. Ich wagte si« anzu schauen, versucht« si« anzureden, stolz wies st« mich mit königlicher Würde davon. Schließlich jedoch kam ich ihr etwas näher. Und, als Ich ihr Vertrauen ein wenig ge wonnen, zeigte sie mir zu nächtlicher Stunde ganz Insge heim in den verfallenen Tempelruinen Schätz«, die selbst bck Expedition verborgen bleiben mußten. Ja, si» gab mir «in« uralte köstlich« Spange zum Andenken, wofür ich unver brüchliche» Schweigen über alle» Geschaut« geloben mußte. Lu» Unvorsichtigkeit jedoch kam diese» Gastgeschenk vor die Augen der Wissenschaftler, di« in mich drangen zu sagen wo ich die» golden« Wunder erhalten. Ich jagt« nichts, doch di« Forscher fingen nun an, dt« «ingeborenen Mannen de» Indiostamme» auszuforschen; und dies« Abkömmlinge alter Priester hatten sich rasch genug den Sachverhalt und Derrai heiligster Geheimnisse zusammengereimt. Kurz, eine» Nacht» kam da» Mädchen heimlich zu mir und gestand, daß jetzt sie selbst und vor allem ich meines Leden» nicht mehr sicher seien. Ick» nahm sie ivion unter meinen Schutz, alarmiert« die ganze Expedition, — aber keinen Augenblick zu früh —. denn es zeigte sich, daß wir umstellt und umlagert war«n von allen Seiten Die Gift pfeil« zischt«n au» dem Hinterhalt« und, — so ichm«rzlich -s für di« Männer der Wissenschaft war, die Waffen zu er greifen — es mußte zur Machtprobe geschritten werden, bei welcher unsere Büchsen und Revolver natürlich die Oberhand behielten. Kein Mann, kein Weib des kleinen Stammes blieb verschont, nur das Mädchen in meinem Zelte und zwei Priester, die verschwunden waren, als das Blutbad sein Ende fand, jenes Blutbad, das nur den traurigen Abschluß der einstigen Schlächtereien der Conquistadoren gegen die Eingeborenen ohn« unseren Willen geworden war. Nun hielt uns nichts mehr m der öden Gegend. Wir holten für d'« Museen heraus, was sich wegschaffen ließ, und kehrten heim. Nur warnt« man mich immer wieder vor der blut gierigen Rache der beiden entwischten Männer: besonders glaubte das junge feinnervige Kind zu spüren, daß si« UN- entwegt unser«n Spur«n folgten, um den Verrat zu sühnen an ihr und an mir besonders. So eilte ich denn mit dem Mädchen so rasch als möglich nach Spanien zurück. Ich verkaufte durch einen zuverlässigen Anwalt meine gesamten peruanischen Besitzungen an die dortigen Regierung und gab mich den juristischen Studien hin." „Und das junye Mädchen?", so fragte ich schließlich; „lmd haben Sie wieder einmal etwa» von den Verfolgern gehört, Don Alonzo?" Der Graf lächelte mich an und hob sein Glas mit fun kelndem Wein« dem meinen entgegen. „Da» junge Mädchen ging mit mir, wurde Ehristin und heißt heute Donna Mario! Und was die beiden Inkapriester anlangt, nun, lieber deutfcher Bruder, wenn Ihr nicht glück licherweise dazwischengetreten wäret, so würde die Rache doch noch gegluckt sein, fetzt, nach drei Jahren! Hört Ihr das Sterbeglöcklein am Turm nicht? Man macht hier kurzen Prozeß mit ertappten Mordbuben!" Untere Altvordern hatten bekanntlich vor allen un- ewöhnlichen Himmelserscheinungen große Furcht. Das Er- i scheinen eines Kometen, Sonnen- oder Mondfinsternisse er weckten selbst bei der. Gebildeten Angst und Aberglauben. So ist es auch k«in Wunder, daß die regierenden Häupter aus Besvrgnis für ihre Untertanen oft Verordnungen er ließen, die Verhaltungsmaßregeln und Befehle enthielten und von der Bevölkerung streng befolgt werden mußten. Ein Edikt de» Landgrafen Friedrich ll. .nm Homburg — auch der Landgraf mit dem silbernen B«in genannt — lautet: „Demnach Er. Hochfürstlichcn Durchlaucht berichte: worden, daß am neostkünftigen Mittwochen wird sein 2Z Sep'emder Umb 10 Uhr ein« gar gefährlicku stnsnrnuß sein soll, allß haben br. Hochf Durch! alß ein rechter Landesvatter auch für ihr; vn»erthar. n hbn'n und Ihnen andeuten losten mallen, daß tzr Ihr Dieb drn tag zu Bor. und östliche tag hernach zu Hous« halten, und deßsull» da» nötig Futter antzyaffen, und der stützen tyük i »d senster wohl schließen, die Brunnen wohl bedecken di« .stelle» und korndohdeen wohl versorgen sollen, damit umh die Zeit die böß Lust nit einlvgler« und «In« tzäß inte >' N !Nj,.>.ffste. weil solch groß« sinsternift und aspetien tz'std"ster., chw-i-n flüsten, jähen fällen grassierende -festig« Fieber, > pesff- lentzffcku Seuchen und ganh unbekannt« trau "Hetzen und der gleichen trotzt. Wornoch sich dem» etn foder wird zu richten wißen krch hat. Homburg, den 7ien S-niemher '