Volltext Seite (XML)
-Nr. 253. Amtsblatt Sonntag, den 30. Oktober 1910. 2. Vellage. TächsisthsS. 29 Oktowr. — Reformationsfest! Die Tat Mar tin Luthers vom 31. Oktober 1517 hat weltge schichtliche Bedeutung. Allerdings ist schon tausend mal darauf hingewiesen worden, daß der Witten berger Augustinermönch mit jenen 95 Thesen, die er an der Tür der Schloßkirche heftete, zunächst nur eine akademische Disputation über den Ablaß in die Wege leiten wollte. Und sicherlich ist sich Luther damals, am Vorabend zu Allerheiligen, über die eigentliche Tragweite seines Vorgehens noch keineswegs im klaren gewesen. Das ändert aber nichts an dem grundsätzlichen und bleibenden Werte dieser Streitsätze. Erschienen sie doch schon den sofort begierig aufhorchenden Zeitgenossen wie wichtige Posaunenstöße gegen das mittelalterliche Nom. Man muß nicht nur überlegen, was in ei ner Zeit, wo die römische Gewissensbindung sozu sagen der Grund von der offiziellen Frömmigkeit war, Erklärungen wie diese bedeuteten: „Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: tut Buße, so hat er gewollt, daß des Christen ganzes L-oen eine fortwährende Buße sei", oder: „Die, welche glauben, daß sie durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß sind, werden mitsamt ihren Lehrern zum Teufel fahren", oder: „Der wahre Schatz der Kirche ist das Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes". Solche und ähnliche Thesen Hanen eine neue Zeit eingeläutet, und es hat darum seine "ef- innerliche Berechtigung, wenn wir des 31. Ottobrrs 1517 als des Beginns der deutschen Reformation gedenken. Ihre Segnungen alle im einzelnen auf- zähle», das hieße dicke Bücher schreiben. Oberan muß jedenfalls die große Hauptsache gestellt wer den, daß Luthers Werk einen vornehmlich religiösen Charakter hat. Aus den Tiefen eines nach Gottes srieden ringenden Menschengewissens ist es geboren und gewachsen. Deswegen haben auch die Luthe raner aller Zeiten so fest an der Rechtfertigungs lehre gehangen und immer wieder deren beide Brenn punkte betont, die Gnade und den Glauben. Auch das äußere Kirchenwesen ist umgestaltet worden, oder richtiger, man hat es versucht, im evangelisch- lutherischen Geiste eigene Gemeinschaften mit eigener Verfassung und eigenem Kultus zu gründen; frei lich, der Traum einer deutschen evangelischen Reichs- kirche hat sich nicht erfüllt. Und die allgemeine Kul- lurerhöhung durch die Reformation? Sie ist schier unübersehbar vielseitig. Nur zwei Hauptpunkte sei en genannt: der moderne Staatsgedanke und die Freiheit der Wissenschaft. — Ja den Lunoer « S r r s s - und KorrektionSan st alten Sachsen« nwrev am Lade deS ve flch-nen deinen Bert j ih er in«. Gesamt 3886 Personen inte »ieit. E« ist da« gegen len Bestand am 1. Juli d. I. eine Abnahme der Gefangenen, da deren Zrhl damals 4015 betrug. Die Gefangenen verteilen sich wie folgt: 1153 männliche und 113 weibliche im Zuchthause zu Waldheim; 1900 männliche und 199 weibliche n den vier Besä ignitstrafanstalten Zwickau, Hohen eck, Bantzen (einschließlich der Jugendlichen). In en kr»t Korieki onSar.stolien Hohnstein, Sachsenburg ( inlchll ßuch der Jugendlicher ) und Glüahoin (ein schl eßlich der Jugendlicher) w rren zusammen 469 ännliche und 52 wstbUche Personen untergebracht — Limbach, 28. Okt. Aus dem bei Lim- bach gelegenen Schafteiche wurde Frau Buchdruck rei. Asitzec Lina Schüßler als Leiche gezogen. Die all- umein Bedauerte, welche in letzter Zeit schon einige Selbstmordversuche gemacht hatte, lebte getrennt von ihrem Manne. — Einem älteren Einwohner von hier ist jüngst sein Sparkassenbuch mit 800 Mark gestohlen worden. Dar GKd war in einer aus uärtigen Sparkasse angelegt. Der Dieb, welcher l70 Mark abgehob-n hat, ist in der Person einet dem Bestohlenen vrwandten 19 jährigen Trikot-u- iLneid«» von hier ermittelt worden. — Am 2. No vember vollenden sich 30 Jahre, daß der Senior der Ambacher Lehrerschaft, Herr Emil Liebscher, in dem Dienst der Gemeinde Limbach steht. — Neukirchen be: Chemnitz, 28. Okiober. Herr RAchSiagtabgeordneter Dr Stresemann fuhr ostern von Eibenstock in einem MietSautomobil >cch Chemnitz, um den Eilzug nach Dresden zu erreichen. Im hiesigen Orte fuhr der Kraftwagen m t einem anderen Automobil so heftig zusammen, aß beide arg beschädigt wurden und die Weile fahrt instillen mußten. Herr Stresemann sowohl, alt mch die übiigen Insassen deS AutoS sind mit dem Schreck davongekommen. Nur eine leichte Verätzung an der Hand hat H rr Stresemann erlitten. Er mußte nach einem unfreiwilligen Aufenthalt non Neukirchen mitt-lst Geschirr noch Chemnitz fahren. — Leipzig, 28 Oki. Beim Spielen töLich verunglückt ist der >m 10. Jahre stehende Sohn panL det Oberpoliasststenten Tierbach. Der Knabe stürzte von dec Schaukel und zog sich einen schweren Schädelbruch zu, an drssen Folgen der arme Junge nach zwei Stunden verstarb. — Di« Hinrichtung der Brüter KoppiuS ist aufgeschoben woiden, weil st- noch in einer Sache als Zeugen oernonmen werden sollen, die mit th en Verbrechen Im Zusam menhang steht. Auch hat die Mutter der Verurteil ten ein Gnadengesuch eingereicht. — Dresden, 28. Okt D r Prinz und die Frau Prinzessin Johann Georg, sowie die Prinzessin Mathilde nebst T-folge sind auf ihrer Orientrelse wohlbehalten in Jerusalem angekommen. An den folgenden Tagen werden von da auS Ritte und Wagenfahrten nach Mar-Saba, Ain-Karin, Hebron, Jericho, nach dem Toten Meer, nach dem Jordan usw. unternommen. Am 8. November verlassen die Herrschaften Jerusalem und begrben sich zu Wagen «ach NabluS. Am 11. November wird von hier die Resse zu Pferde nach Jenin fortgesetzt; am anderen Tage wird eine Wagenfahrt durch die JeSreel unter- nommen, wobei auch Megiddo besichtigt wird, woran sich die Fahrt nach Tiberm« arsschleßt, wo die Herr- ichrstcn am 13. November eintrefsen. LagS darauf findet eine Bootsfahrt nach Tabieha statt. Am 15 Noo mber wird Liber aS wieder verlassen und mit d m Boot nach Samath gefahren. Von hier wird die Reise auf dem Eisendahnwege nach Damaskus fortgesetzt, wo die Ankunft am Abend der 15. No vember erfolgt. In Damaskus on weilen die prinz lichen Herrschaften bis zum 19 November. — D r e S d e n, 29. Okt. D-r Rittmeister a. D. Rudolph o. S ydkw tz, der älteste im Ruhestand lebende Offizier der sächsischen Armee, feiert heute, Sonnabend, seinen SO. Geburtstag. Er diente von 1841 — 50 bei dem damaligen ersten leichten Reiter regiment in Marienberg und Freiberg. Später be wirtschaftete er dar Rittergut Braunsdorf bei Tha- randt. Einige Jahre hindurch war er auch Mitglied der Zweiten Kammer der Siändeversammlung. o. S.ydewitz, der zurzeit bei einem Schwiegersöhne in Bayreuth lkbt, ist der Onkel deS früheren Kultus- Minister- o. S'yiewitz und de« zukünftigen Finanz- m nifter« o. Seydewitz. — Heute früh in der 4. Stunde ist im Grundstück AugustuSstroße 2 ein dreister Einbruch verübt worden. Ein jüngerer Mensch zer» rümmerte die starke Scheibe eines ZiganengeschäftS, drang durch die entstandene O ffnung in den Laden i» und stahl 1000 Stück Ziga eiten. Dann entfernte er sich auf demselben Wege, w irt» aber festgenom- men und der Polizeiwache zugeführt. — Nach Ber- untreuung von c>. 100 000 Mk zum Nachteile einer hiesigen Firma ist seit Montag der Kaufmann F-Kd- rich Ma; Wallbiener, geb. cm 2. Drzembtr 1871 zu Nossen, flüchtig geworden. D-r Flüchtige war del der geschädigten Firma Prokurist und verwaltete di« Geschästtgelder. Als gestern mehrere fällig« Wechsel präsentiert wurden, stellte «S sich heraus, daß sie gefälscht waren. M't W. ist eine früher bei derselben Firma bsschäftigte Kontoristin verschwunden, ein 22jährigeS Mädchen namens Ullmann, das zuletzt in Niedersedl tz in Stellung mar. Der Defraudant ist verheiratet, stand aber bereits seit Johreu mildem Mädchen in engen Beziehungen, Neuestes vo« Tage * K o n k-u r s A u g u st Thyssen j u n. lieber das Vermögen des Rittergutsbesitzers Au gust Thyssen jun. ist vvr dem Amtsgericht Berlin- Mitte der Konkurs eröffnet worden. Damit tritt der exzeptivnelle Fall ein, daß über das Vermögen des Anwärters aus ein nach Hunderten von Milli-1 oneu zählendes Erbe der Konkurs eröffnet wird. Die Konkpsseröffnung Irfolgt auf Antrag der Deutschen Treuhand-Gesellschaft m. b. H. unter der Voraussetzung einer Vorschußzahlung von 10 000 Mark. Dieser Vorschuß ist gezahlt worden und ei« erheblicher Teil davon von der Niederdeutschen Bank, die sich unter den Hauptgläubigern befindet. * Brand einer Dampfmllhle. M« Dampfmühle in Mrotschen bei Bromberg ist bis auf die Umfassungsmauern niedergebrannt. Der Schaden beträgt eine halbe Million Mark und ist durch Versicherung gedeckt Unter anderem sind 600 Tonnen Roggen verbrannt. Die Entstehungs- Ursache des Feuers unbekannt. * Eine Verhaftung unter tragi schen U m st ände n. Aus Krems meldet man folgendes: Auf Requisition der Staatsanwaltschaft wurde der Arzt Dr. August Jörg, ein Mann von 28 Jahren, unter dein Verdacht des Betruges ver hafte, und in das Krcisgericht eingeliefert. Die Verhaftung erfolgte in der Wohnung des Arztes. Als die Gendarmen in das Zimmer traten und den Haftbefehl vorwiesen, stürzte sich °die junge Gattin des Arztes zum Nachttischchen, entnahm ihm ein Giflfläschchen und verschluckte mit dem Aus rufe: „Das überlebe ich nicht!" den größten Teil des Giftes. In bedenklichem Zustande wurde die junge Frau nach dem städtischen Krankenhause ge bracht; sie dürfte kaum mit dem Leben davonkom men. * „Entschuldigen Sie, mein Na - m e i st Has e." lieber einen blinden Passagier im Parsevalballou meldet man aus Berlin: Als am Donnerstag nachmittag das Luftschiff „P. 6" eine Passagierfahrt ausführte, an der 25 Personen teilnahmcn, und man bereits in etwa hundert Me ter Höhe gelangt war, bemerkte der Führer, Ober leutnant Stelling, daß sich die Leinewand, die über den Benzintank gespannt ist, auffällig hin und her bewegte. Ehe man noch die Ursache des merkwür digen Vorganges seftstellen konnte, kroch plötzlich ein Mann mit blauer Schürze hinter dem Benzin behälter vor und stellte sich dem Führer des Luft schiffes mit den Worten vor: „Entschuldigen Sie man, niein Name is Hase! Nehmen Sie det «ich weiter iebel! Aber rausschmeißen kennen Sie mir im »ich mehr!" Der Führer des „P. 6" war der selben selben Ansicht wie Hase, der nun die Fahrt zusammen mit den übrigen Passagieren u« zu Ende genoß. Allerdings >twas billiger. Nach der Landung wurde festg<st»yt, bas; Hase ein Arbeiter ist, der gelegentlich aus de , Flugplätze beschädigt war. Die Sehnsueyt, e »mal eine Balloniahrt mit zumachen, hatte ihn i nn gelrieben, sich in die Gondel einzuschmugge'u. Das Hans Ser Barer. Eta Roman «uS Hannovers jüngster Vergangenheit von Annv Wölbe. 68) Nachdruck verböte». Eine tiefe Bewegung malte sich in den Zü gen des Majors. Die buschigen Augenbrauen zuck ten und in die blauen Augen stieg ein heißes Flim mern. Einem plötzlichen Impulse folgend streckte er dem Rittmeister beide Hände entgegen und sagte gequält: „Ich danke Ihnen für Ihre Freundschaft, die eine Wohltat ist für niein altes Herz. Lassen wir alles das unerörtcrt, was wir heute nicht entschei den können und kommen Sie mit mir auf mein Zimmer, da will ich Ihnen näheren Aufschluß ge ben. Ich erwarte auch meinen ältesten Sohn, uni mit ihm die nötigen Schritte zu besprechen. Kom men Sie und lassen Sie mich sagen, daß ich jetzt, wo wir Sie verlieren, erst weiß, wie wert Sie uns geworden sind." „Was wollen Sie tun, Herr Major?" forschte Lünnges, den die finstere Entschlossenheit in dem alten Gesicht erschreckte. „Meine Pflicht", entgegnete der Major. „Wenn sich das Schreckliche bewahrheitet, und nach dem, Da beugte Jrmenlrude ihr Haupt auf seine Hand und küßte sie leise und demütig. .,Jch danke Dir", rief sie innig, dann aber fügte sie weich hinzu: „Komm', Anne-Lies, und danke auch Du ihm für seine Treue." Anne-Lies sah unsicher zu Lünnges auf. Der aber breitete ih: wortlos die Arnie entgegen und sie schmiegte sich zärtlich an seine breite Brust. Keiner sprach ein Wort, aber doch war ihr stummer Blick ein Treuschwur fürs Leben. Wie es auch kommen würde, sie waren eins! lieber Jrmentrudes bleiche Wangen flossen stille Tränen. Sic hatte die Hände gefaltet und lauschte mit verklärtem Lächeln aus den Reim, den da unten die Kinder am Marktbrunnen sangen: „Wir winden dir den Jungfernkranz mit veilchen blauer Seide." Die Glücklichen, die sich soeben, wenn auch im herbsten Leid, gesunden, hörten cs nicht. „Schöner grüner Jungfernkranz", sangen die Kinder. Da küßte Lünnges zum erstenmal Anne-Lies' zitternde Lippen, und Jrmenlrude sah es und lächelte noch immer. Sic hatte das Höchste und Schön'te im Leben getan, sich selbst bezwungen, sie konnte lächeln, wenn auch ihre Seele tausend Und als Freund erscheine uns der Tod. Dein, Herr, ist das Reich der Macht und Stärke Ewig währe deine Herrlichkeit. Alle Himmel rühmen deine Werte, Und dein Tenipel ist die Ewigkeit." * Zur selben Stunde, da seine Schwestern be tend die Hände für ihn erhoben, küßte Jobst Cor- dia Lahrisch. Er hätte gewiß laut gelacht über die törichten Kinder, hätte er darum gewußt. lieber dem alten „HauS der Väter" an der Lungenlaube zogen sich dunkle Wolken zusammen. Das erste .jLcnzgewtttcr" zog herauf, finster und drohend. Schwarz und dunkel lag das Hans, und day irrte noch das vergehende Souucugold durch die Straßen der Stadt, aber kein Strahl traf mehr das alte Haus. Es lag ganz im Schatten. Soviel Mühe sich auch Dietrich v. Hcllburg an diesem Tage gab, Jobsts habhaft zu werden, es war ihm bisher nicht gelungen, den Bruder zu treffen. Lünnges halte, als er Jobst während der Reit übungen in der Reitbahn traf, Jobst verständig:, daß sein Vater ihn noch heute zu sprechen wünsche und stundenlang tMle er mil dem alten Soldaten , und Dietrich zusammengesessen und überlegt, was zu tun sei. „Bevor wir nicht Jobst zur Stelle haben, Pa pa", hatte Dietrich gemeint, „können wir keine Ent scheidung treffen. Wenn dch Verhältnisse so lie gen, wie Du aus den Andeutungen des alten Schmiedelein zu ersehen glaubst, muß Jobst sofort natürlich seinen Abschied nehmen. Ich bin nicht dafür, deni Vorgesetzten Meldung zu machen, wie jDu vorhast, damit er seinen Abschied erhält, Wil mas wegen müssen wir doch Rücksicht nehmen." Der Major richtete sich stramm in die Höhe. „Das ist alles nur für den einen Fall, Dietrich", sagte er fest, „wenn aber, wie ich fürchte, daS Schlimmste sich bestätigt —" Er brach ab. Eine eisenie Entschlossenheit sprach aus seinem runzel- vollen Gesicht. t „Ich glaube es nicht, Vater, ehe wir nicht di« Veweise haben, können wir nicht urteilen." „Beweise", fuhr der Major auf. „Ich brauche keine Beweise mehr. Hier", er drückte die Hand auf die Brust, „sagt mir eine Stimme, daß jede Hoffnung vernichtet ist." „Wenn es wirklich so ist, wie Du vermutest, Papa, muß Jobst fort, sogleich." Ivas mir Jrmcntrudc im Vertrauen darauf, daß sie sich getäuscht, gebeichtet, hege ich kaum noch ei nen Zweifel, so werde ich sofort dem Komman deur Meldung von dem Vorfall machen und die Untersuchung beantragen." „Papa", bat FrmentrUde niit einem herzzer reißenden Lächeln, „Du wirst doch den eigenen Sohn nicht anklagen, ich bitte Dich." „Ich werde tun, was meine Pflicht ist", gab der alte Mann, sich straff anfrichtend, zurück. „Ich habe keinen Sohn, der ehrlos ist! Kommen Sie, Herr Rittmeister!" Er streichelte liebkosend Jrmentrudes Haupt, nickte Anne-Lies ernst, aber gütig zu und schritt daun dem Rittmeister voraus aus dem Zimmer. „Wie wird es Mama ertragen", schluchzte Jr- mentrude auf. „Still, still", beruhigte Lünnges, ihre kleine' schmale Hand in seine nehmend. „Vielleicht steht Dein Vater zu schwarz, Kind. Was aber auch ge schehen mag, ich steh« zu Euch." ^Schmerzen lilt und iiese Schatten über dem Haus der Väter hingen, die das blendende Sonnenlicht da draußen verdunkelten und all dcn prangenden Frühlingsschein. Lünnges war gegangen. Anne-Lies aber lag an dem Lager Jrmentrudes auf den Knien und küßte schluchzend der Schwester Hände. „Du Gute, Du Heilige", stammelte sie. „Was ist alles Leid, das uns treffen mag gegen die Wei he dieser Stunde, die uns allen so viel gegeben, so viel sie uns auch nahm. Laß uns beten. Jr- mentrude, wie einst, als wir klein waren, laß uns beten für unseren armen Bruder." Und sie schlangen die Hände ineinander, wie einst in ihren Kindertagen, und sie sprachen die Worte nach, die sie einst mit Jobst so oft gemein sam gebetet, ehe ihnen der Sandmann seine Kör ner in die Hellen Angen streute: „Herr, erlöse uns von allem Bösen, Das den Geist und unser Herz bedroht, Bessernd sei für uns des Lebens Leiden und sprechen müsse, aber Jobst hatte nur gleich mütig die Achseln gezuckt und bemerkt, d iß er ümte keine Zeit mehr habe. Der Rittmeister hatte Jobst cindringnw ver warnt und von dem furchtbaren Ernst seiner Lrge gesprochen und ihm angelegentlich geraten, den Va ter nicht zu reizen. Jobst hatte aber dazu gelacht und bemerkt, er sähe Gespenster und der Alte wäre ein Topfgucker, der überall seine Nase hiueinstecke. Im übrigen hätte er schon seinem Vater mitgeteill, daß er morgen früh bei ihm erscheinen werde. Es Passe ihm natürlich gar nicht, da morgen der erste Renntag sei und er selbst das Jagdrennen mitrei ten werde und noch dazu mit seinem neuesten Ren ner „Lazur", aber er hatte cs nun mal seinem Va ter versprochen und er würde cs auch möglich zu machen suchen. Da könnte er ja dann das ganze Sündenregister aufrollen, es wäre ihm ganz egal. Ein Kamerad war dazu gekommen und Lünn ges lwtle zurücktreten müssen. Ties verstimmt hatte er den Major wieder ausgesucht, uni zu berichtens Der Major blickte finster vor sich hin. „Nein", sagte er unheimlich ernst, „ich selbst werde ihn richten." „Vater", bat Dietrich, „sei nicht allzu hart mit ihm. Das Leben hat den Jungen verwöhnt und verhätschelt. Vielleicht kann er da drüben in der anderen Welt noch ein neues Leben beginnen." Der Major lachte bitter auf. „Laß das", wehrte er ab. „Ich kenne genau den Weg, den er gehen wird und muß. Jetzt aber lab mich allein, Dietrich, und Sie, lieber Lünnges, gehen Sie zu den Mädchen und zu meiner Frau und Helsen Sie ihnen über die trüben Stunden hinweg. Meine Frau ahnt nicht, welch' schrecklichen Verdacht ich gegen ihren Liebling hege, und sie soll es vorläuf ig auch nicht wissen. Gehen Sie mrd haben Sie Dank." Die Männer reichten sich die Hände. (Sortsetzuxg folg,.)