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Nr. 9 u. 10 DER HANDELSGÄRTNER, Jiandeiszeitung für den deutschen Gartenbau 35 weder gar nicht ausreift und einem Frühfrost zum Opfer fällt, oder infolge der Nässe dem Befall durch Schimmel und Pilze aniheimfällt, oder daß ein nicht unbedeutender Pro zentsatz der Samen durch das Aufquellen infolge der Feuchtigkeit verloren geht. Dann kommt aber auch in Be tracht, daß der Gewinn an Nahrungswerten durch das Aus reifenlassen der Bohnen wirklich nicht so bedeutend ist, wie es im ersten Augenblick aussieht. Allerdings ist die Menge der Wärmeeinheiten, wonach man wissenschaftlich die Nahrungsmittel wertet, bei den reifen Bohnensamen (ohne Hülsen natürlich!) ungefähr 7%mal so groß wie bei der gleichen Gewichtsmenge grüner Bohnen, also grüner Hülsen mit halberwachsenen Kernen. Aber in demselben Verhältnis stehen auch die Erntemengen an reifen Bohnen und grünen Hülsen auf dieselbe Flächeneinheit berechnet. Reife Samen erntet man nämlich von Buschbohnen auf V Hektar durchschnittlich 7% Ztr., also 750 Pfund grüne Hülsen durchschnittlich 55 Ztr. Die Erträge sind zwar je nach der Witterung sehr schwankend (5 bis 10 Ztr. bei den reifen, 30 bis 80 Zentner bei den grünen), aber das Ver hältnis zwischen beiden bleibt doch das gleiche. Es wird daher an Wärmeeinheiten, d. h. Nährwerten, in der Tat nichts gewonnen; eher kann, wie schon bemerkt, durch das Hängenlassen der Bohnen zum Ausreifen noch ein großer Verlust an Nährwerten entstehen, wenn die Witterungs verhältnisse, welche im Sommer reichen Anhang begüns tigten, sich später verschlechtern. Durch das Bestreben, reife Bohnen zu erzielen, wird also unter Umständen eine sichere Ernte und damit ein wertvoller Gewinn an un ersetzlichen Nahrungsmitteln, welcher durch das Grün pflücken zu erzielen gewesen wäre, gefährdet. Fürwahr, ein schlechter Dienst, den man auf diese Weise unserer Volksernährung erweisen würde! Ueberhaupt sind, als Nahrungsmittel betrachtet, die grünen Bohnen hinsichtlich ihrer praktischen Nutzbarkeit sicher nicht geringer einzüschätzen, als die reifen. Frisch oder als Salzbohne, oder gedörrt, oder in Gläsern ein gemacht und als Gemüse zubereitet, sind sie jedenfalls ein wohlschmeckendes, den Magen füllendes und das Hunger gefühl stillendes Gemüse. Sicher kommt eine Hausfrau mit einem Zentner grüner Bohnen weiter, als mit dem 7%ten Teil, also mit 13% Pfund, reifer Bohnen. Als Salat zube reitet oder in Essig eingelegt, sind sie außerdem eine sehr angenehme Zukost, die in gar vielen Familien in dieser Zeit häufig als Belag des trockenen Brotes gedient hat. Jeden falls würde die grüne Bohne sehr schwer zu entbehren sein, wenn etwa durch einen Eingriff der Behörden, der von man chen Leuten befürwortet wird, bestimmt werden sollte, daß wenigstens alle Bohnensorten mit weißen oder hellfarbi gen Samen nicht unreif gepflückt werden dürfen. Auch das ist noch zu berücksichtigen, daß ein Morgen Buschbohnen grün gepflückt bei 55 Zentner Durchschnitts ertrag und bei einem Durchschnittspreis von 12 M. für den Zentner, mit dem man in diesem Jahre wohl rechnen kann, nach Abzug der Pflückkosten, mit 2 M. für den Zentner an genommen, 550 M. bringt. Dagegen bringen 7% Zentner reife Speisebohnen, die wir als Durchschnittsertrag von einem Morgen angenommen hatten, nur 450 M, wovon noch die Kosten für die Ernte und Gewinnung der Samen ab gehen. Ich habe dabei mit einem Erzeugerhöchstpreis von 60 M. für den Zentner gerechnet. Auch hat das grüne Kraut der unreif gepflückten Buschbohnen, sogleich unter gegraben, noch einen gewissen Wert als Gründüngung, und schließlich ist es möglich, hinter den grünen Bohnen noch Kohlrabi als Nachfrucht zu pflanzen, die bis Mitte Novem ber noch eine ganz nette Ernte geben. Gewiß kann man auch nach den reif geernteten Bohnen Ende September oder Anfang Oktober noch Spinat säen. Dieser kann aber erst im nächsten Frühjahr geerntet werden. Da es sich leider nicht sagen läßt, ob wir nicht noch einen weiteren Kriegs- 1 winter durchhalten müssen, so ist es durchaus nicht un wichtig, ob man von der gleichen Fläche in derselben Vege tationsperiode eine oder zwei Ernten erzielt Sogar drei wären möglich, wenn man etwa jetzt mit einer Spätaussaat von Spinat besetztes Land, welches bis Mitte Mai ab geerntet ist, mit Buschbohnen bestellen und nach diesen mit rechtzeitig gesäten Kohlrabipflanzen aus zweiter Saat bepflanzen würde. So wünschenswert und notwendig es also an sich auch ist, unsere Nahrungsmittel zu vermehren und hierzu auch den Anbau der Hülsenfrüchte heranzuziehen, so wenig scheint es empfehlenswert, wenn nun etwa die Gemüse gärtnereien samt und sonders von ihrer bisherigen Ge wohnheit abweichen würden, grüne Bohnen auf den Markt zu bringen. Der hierdurch entstehende Ausfall an einem wichtigen Volksnahrungsmittel ist nicht so leicht auszu- gleichen. Wohl aber ist es vielleicht möglich, daß die Landwirtschaft größere Mengen von Bohnen feldmäßig an baut, um die reifen Samen zu gewinnen. Noch ein letztes Wort zur Kartoffel Vermehrung durch Stecklinge. Wir lasen in der „Deutschen Tageszeitung" wie folgt: „Im Frühjahr 1916 würde die Aussaat von nur 8 Zent nern für den Morgen bei Kartoffeln anbefohlen. Ich habe sofort in allen Zeitungen davor gewarnt und vorausgesagt, daß wir dann auch trotz günstiger Witterung nicht mehr als eine halbe Kartoffelernte machen würden, weil unsere Kartoffeln bereits 1915 sehr von Kräuselkrankheit befallen waren. Dann kämen fast nur die kleinen Kartoffeln von kräusel,kranken Stauden zur Aussaat und diese müßten un ter allen Umständen eine Mißernte ergeben. Diese Vor aussage ist durchaus eingetroffen. Heute will keine Be hörde jene Verordnung erlassen haben, man behauptet jetzt, nur „Ratschläge" erteilt zu haben! Ich habe 1916 auf einer Breite von 60 Morgen bei 18 Zentnern Aussaat für den Morgen — Absaat von Auswahl bester gesunder Stau den und Knollen von Woltmannkartoffeln — 172 Zentner auf den Morgen geerntet und habe 1916 die beste meiner Kartoffelernten seit 20 Jahren gemacht. Man sollte niemals eine Saatkartoffel unter Hühnereigröße legen, dann würde es auch bei verständigem Saatgutwechsel keine Kräusel krankheit mehr geben. Um neugezüchtete Sorten, die gute Erträge ver sprechen, möglichst schnell zu vermehren, bin ich häufig zum Auslegen von Stecklingen geschritten. Man muß hier zu die ganz großen Mutterknollen im warmen Keller an keimen, die 2 Zoll langen Keime abbrechen, diese dann im Treibhause in Töpfen antreiben und die angewachsenen Stauden dann mit Ballen aus den Töpfen ins Land verpflan zen. Das geht aber nur, wenn man hierzu besten, humo- sen, hochkultivierten Gartenboden zur Verfügung hat, der bei Trockenperioden immer gesprengt werden kann. Solche Stecklingsstauden geben unter diesen günstigen Verhält nissen auch nur 1 bis 3 brauchbare Kartoffeln auf die Staude. Im feldmäßigen Betriebe ist diese Vermehrungs art durch Stecklinge ganz ausgeschlossen, man würde diese ungeheuere Arbeit gar nicht durchführen und im aller- günstigsten Falle höchstens nur 20 Zentner auf den Mor gen ernten können, in 90 Prozent aller Fälle aber gar nichts ernten. Die Saatknolle ist der Nährboden und das Wasser reservoir der jungen Staude das ganze Jahr hindurch. Zu- Zuerst entnimmt die junge Staude aus der Mutterknolle alle vorhandenen Nährstoffe und diese ergänzt sie wieder zur Abgabe an die junge Pflanze, außerdem dient sie dieser als Wasserreservoir bei geringen Niederschlägen. Dieses fällt bei der Stecklingspflanze völlig fort, der Steckling muß sich selbst ernähren. Findet dieser nicht im aller besten Gartenboden alle Nährstoffe vor und wird dieser nicht ständig feucht gehalten, so stirbt die Stecklings pflanze sehr bald ab. Es wäre traurig, wenn zu einem solchen Kunststück Arbeitskräfte und kultiviertes Land vergeudet würden. G. Neuhaus, Rittergutsbesitzer, Selchow, Kreis Teltow.“