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2b Nr. 7 u. 8 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung, für den deutschen Gartenbau Es wäre nun sehr interessant und wichtig, wenn durch gewissenhafte Versuche festgestellt würde, ob und inwie weit ähnliche Sortenunterschiede auch bei anderen für die Trocknung in Betracht kommenden Gemüsen bestehen, ; also bei Bohnen, Erbsen, Karotten, Kohlrabi, Spinat usw. | M. L. in W. Zur Vermehrung der Kartoffeln durch Stecklinge. Wer hätte jemals gedacht, daß man allen Ernstes je- । mals die Vermehrung der biederen Knollenfrucht durch ■ Stecklinge zur allgemeinen Anwendung empfehlen würde, wie es jetzt allenthalben geschieht. An sich ist ja freilich von der Sache weiter kein Aufhebens zu machen, denn sie ist kein gärtnerisches Kunststück und macht daher auch keine technischen Schwierigkeiten. Die Frage ist nur, ob sich der Aufwand an Arbeit lohnt und ob die Erwartungen, welche besonders von den Laien, aber auch von manchen Fachleuten gehegt werden, Aussicht auf Erfüllung haben. Nach unserer Ansicht wird die Bedeutung der Angelegen heit für die Volksernährung überschätzt. Nicht deshalb, weil es zu bestreiten wäre, daß in der Tat sich durch die Stecklingsvermehrung große Ersparnisse an Saatgut er zielen lassen und daß hierdurch große Massen von Kartof feln als menschliches Nahrungsmittel verfügbar gemacht werden könnten. Sendern vor allem deshalb, weil es nur einen Tropfen auf einen heißen Stein bedeutet, wenn selbst sämtliche im Deutschen Reiche vorhandenen Mistbeet- | fenster und Gewächshäuser in den Dienst dieser Sache ge stellt werden würden. Aber auch noch aus anderen schwerwiegenden : Gründen. Dazu ein paar Zahlen: Die Gesamtgröße der Kartoffelanbaufläche in Deutsch land beträgt 3% Millionen Hektar. In einem Durchschnitts mistbeetfenster von 1% Quadratmeter Fläche bringt man in 10-Zentimetertöpfen 170 Kartoffelpflanzen unter. Bei 50 X 50 cm Pflanzweite braucht man auf einen Hektar Kar toffelfeld 40 000 Pflanzen, bei 60 X 50 cm weiter Pflanzung 33 333 Stück. Also sind zur Anzucht der Stecklingspflan zen für einen Hektar Kartoffelfeld 235 oder bei 60 X 50 cm Pflanzweite immerhin noch 196 Mistbeetfenster notwendig. Selbst wenn man etwas kleinere Töpfe wählen würde, also nur solche von 8 cm Durchmesser, und die Pflanzweite auf 60 X 50 cm bemessen würde, so wären immerhin noch rund 139 Mistbeetfenster für den Pflanzenbedarf eines Hektars erforderlich. Der Gedanke, nun weiter auszurechnen, wie viele Mistbeetfenster notwendig sein würden, um auch nur den hundertsten Teil der deutschen Kartoffelanbaufläche mit Stecklingsmaterial zu besetzen, ist zwar sehr ver- ! führerisch, ich will aber darauf verzichten. Jeder Leser, ' der etwas rechnen kann, mag sich selbst damit beschäfti gen. Eine müßige Spielerei ist diese Berechnung insofern nicht, weil ja eben als Zweck der Stecklingsvermehrung von den Verfechtern dieser Methode die bedeutenden Erspar nisse an Saatgut und damit ein beträchtlicher Gewinn an Nahrungsmitteln ins Feld geführt werden. Einigermaßen nennenswert sind aber diese Ersparnisse und Gewinne nur ! dann, wenn eben möglichst große Flächen mit Stecklings pflanzen besetzt werden würden. Man bedenke den Aufwand an Dung zur Erwärmung der Mistbeete, Arbeit und Material, welchen die Ver wirklichung des Gedankens für nur einen einzigen Hektar bedeutet, zumal beiden Preisen, welche für alle Leistungen und Materialien jetzt angelegt werden müssen! Damit I kommen wir zur zweiten Hauptfrage, zum Kostenpunkt! Angenommen, es wäre möglich, die zum Auspflanzen fertige Kartoffelpflanze für 5 Pfennig zu ziehen, so würde j das für einen Hektar Kartoffelfeld einen Aufwand von [ 2000 M. bei 50 X 50 cm Pflanzweite, von rund 1666 M, bei 50 X 60 cm Pflanzweite, mindestens aber von 1500 M. bei noch weiterer Pflanzung bedeuten, Man soll zur Er zeugung der Stecklinge für einen Hektar Kartoffelfeld an geblich nur den zwanzigsten Teil der Kartoffeln ver brauchen, welche notwendig sein würden, um die gleiche Fläche mit Pflanzkartoffeln in der üblichen Weise zu be setzen. Es würden also auf einen Hektar 38 Zentner er spart werden, bei Berechnung von 10 Zentner Pflanzkartof felbedarf auf % Hektar (einen preußischen Morgen). Ein Landwirt, dem die Saatkartoffeln aus eigener Wirtschaft oder durch Saatgutaustausch zur Verfügung stehen, könnte also den Erlös für diese ersparten Saatkartoffeln von den Unkosten für die Stecklingsbeschaffung abziehen. Wie teuer ist aber ein Zentner dieser Sparkartoffeln? Da nun 40 Zentner Saatkartoffeln 400 M. kosten, durch die Anschaffung von Stecklingen für einen Hektar Fläche aber je nach der Pflanzweite 1500, 1666 oder 2000 M. aus gegeben werden müßten, so entstehen also für den Hektar Mehrkosten je nach der Pflanzweite: 1100, 1266 oder gar 1600 M. Auf der Gewinnseite stehen 38 Zentner erspartes Saatgut, welches nun zum Verspeisen Verwendung finden könnte. Der Zentner dieser ersparten Kartoffeln würde da her 1100, 1266 oder 1600 M. : 38 = 29, 33,30 oder 42 M. kosten. Wer nicht glücklicher Besitzer von selbstgebauten Saatkartoffeln ist, muß die gesamten Unkosten für die Be schaffung der Stecklingspflanzen zu Lasten der einen Ernte verbuchen. Rechnen wir mit einem mittleren Ertrag von 100 Zentnern auf % Hektar, also von 400 Zentnern für den Hektar, so würden bei Beibehaltung der diesjährigen Höchst- preise durch den Ertrag durchschnittlich gerade die Kosten der Setzpflanzen gedeckt und Düngung und Lohn für die Bodenbearbeitung usw. müßten zugegeben werden. Als einziger Gewinn bliebe das Bewußtsein, durch das persön liche Opfer einige Nahrungsmittel für die Mitmenschen mehr erzeugt zu haben, als es sonst möglich gewesen wäre, oder eine gewisse Menge erspartes Saatgut für ander weitige Verwendung verfügbar gemacht zu haben. Daß man bei einem großen Prozentsatz von Staats bürgern diesen Opfersinn finden werde, erscheint wohl ziemlich ungewiß. Man hat nun geraten, die Handelsgärtnereien möchten die Erzeugung von Stecklingspflanzen in die Hand nehmen, die sie an die zahlreichen kleinen Leute, die unter die Kriegsgärtner gegangen sind, zu verkaufen. Das ist natür lich sehr wohl möglich. Aber die Kostenfrage bleibt natür lich auch hier als wundester Punkt bestehen. Es würden das sehr teure Eigenbaukartoffeln für die Schrebergärtner werden. Mir scheint, der einzige gangbare Weg zur An wendung der Methode wäre der gewesen, daß der Staat die Sache in die Hand genommen und die von Gärtnern angekauften Stecklingsflanzen (oder auch in eigener Regie gezogenen) für eigene Rechnung zum Nutzen der Allgemeinheit angepflanzt hätte. Da zu ist es aber jetzt viel zu spät. Denn Derartiges läßt sich nicht von heute auf morgen so im Handumdrehen in großzügiger Weise organisieren. Dem Staat als Unter nehmer müßte und könnte es allein gleichgültig sein, ob sich die Sache rechnerisch lohnt oder nicht. Die Haupt sache wäre eben für ihn der Gewinn an Nahrungsmitteln durch Saatgutersparnis. Auch für den wohlhabenden Pri vatmann, der für ein Pfund Gänsefleisch gern bis zu 10 M. bezahlt, ist die Sache natürlich ausführbar, und es soll keineswegs bestritten werden, daß an sich jeder erzielte kleine Vorteil begrüßenswert wäre. Aber es ist verkehrt, die Bedenken, welche der Ange legenheit entgegenstehen, einfach totzuschweigen und über schwängliche Hoffnungen zu erwecken. Ich habe keineswegs die Sachlage etwa mit Absicht besonders ungünstig dargestellt, sondern lediglich so, wie sie wirklich ist. Manchen anderen Umstand, der sich außerdem noch nachteilig und verteuernd bemerklich machen wird, habe ich nicht einmal erwähnt. So z. B. die für die Anpflanzung von Stecklingspflanzen unbedingt not wendige bessere Bodenbearbeitung, das verteuernde An-