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86 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Nr. 21 u. ?2 10 Rechtspflege — 1 , - ■■ Welche Steuern haben die Hilfsdienst- pflichtigen zu leisten? Es ist vielfach auch von amtlicher Seite betont wor den, daß der vaterländische Hilfsdienst dem Heeresdienst gleich zu achten sei und die Hilfsdienstpflichtigen wie An gehörige des aktiven Heeres betrachtet werden müßten. Sie leisteten Kriegsdienst in der Heimat wie Militär personen. Nun haben aber die letzteren ein Steuerprivileg. In §46 des Reichsmilitärgesetzes heißt es: „Die Verpflichtung der Militärpersonen zur Entrichtung der Staatssteuer regelt sich nach den Landesgesetzen, unter Berücksichti gung des Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteue- Hing vom 13. Mai 1870. Jedoch ist das Militär einkommen der Personen des Unteroffi zier- und Gemeinenstandes sowie für den Fall einer Mobilmachung dasMilitärein- kommen aller Angehörigen des aktiven Heeres bei der Veranlagung bzw. Erhe bung von Staatssteuern außer Betracht zu lasse n.“ Im Anschluß daran haben nun die Einkommen steuergesetze der Bundesstaaten die Bestimmung aufge nommen, daß Unteroffiziere, Mannschaften und die ihnen im Range gleichstehenden Militärpersonen in der aktiven Armee, der Reserve, Landwehr und Ersatzreserve hin sichtlich ihres Militärdiensteinkommens, desgleichen Offi ziere, Aerzte und Beamte des Heeres und der Marine für die Zeit, während welcher sie mobil gemacht sind oder zur immobilen Fußartillerie, zu Ersatzabteilungen mobiler Truppen .oder zu Besatzungen im Kriegszustände befind licher Festungen gehören, von der Einkommensteuer be freit sind. Das ist in § 6 des Sächsischen Einkommen steuergesetzes, in § 5, Ziff. 3 des Preußischen Einkommen steuergesetzes, Art. 8 des Bayrischen Einkommensteuer gesetzes, Art. 8, Ziff. 5 und 6, des Württembergischen Ein kommensteuergesetzes usw. ausgesprochen. Gilt dieses Vorzugsrecht nun auch für diejenigen, die zum vaterländischen Hilfsdienst übergehen? Es sind schon verschiedene Anfragen deshalb an uns gelangt, aus denen wir ersahen, daß man der Meinung ist, die Bezüge der Hilfsdienstpflichtigen müßten ebenso be handelt werden, wie die der Heerespflichtigen. Das ist aber ein Irrtum. Wir haben drei Arten von Hilfsdienstpflichtigen: a) Solche, die nach § 2 des Gesetzes über den vaterlän dischen Hilfsdienst schon bei Stellen beschäftigt sind, die als kriegswirtschaftliche Einrichtungen anerkannt werden, weil sie für die Zwecke der Kriegführung oder der geistigen und leiblichen Volksversorgung Deutschlands tätig sind. b) Solche, die sich freiwillig zum Hilfsdienst gemeldet haben. c) Solche, die zur Hilfsdienstpflicht durch den Einberu fungsausschuß herangezogen werden. Die zur ersten Gruppe gehörigen Hilfsdienstleistenden bleiben in ihrem bisherigen bürgerlichen Beruf und es än dert sich infolgedessen auch an ihrer Besteuerung nichts. Sie haben nicht als Militärpersonen zu gelten und sind mit ihrem Einkommen der Steuer unterworfen wie bisher, selbst wenn sie es von der Militär- oder Marineverwaltung beziehen. Aber auch die Angehörigen der zweiten und dritten Gruppe, die ihren Gehalt oder Lohn nach dem ab geschlossenen Dienstvertrag oder in Höhe des ortsüblichen Tagelohnes erhalten, sind nach der herrschenden Meinung nicht den Militärpersonen gleich zu erachten, wenn auch amtlich ihnen gegenüber von einer „Kriegsleistungs pflicht“ wie von einer Wehrpflicht gesprochen wird. Auch । sie haben also neben ihrem sonstigen Einkommen das Ein kommen aus der Ableistung der vaterländischen Hilfs dienstpflicht zu versteuern, und zwar sowohl als Staats ais auch als Gemeindesteuer. Es gelten also dieselben Steuervorschriften wie bei jedem Staatsbürger. Auch hinsichtlich der Frage, ob eine Einwirkung des Einkommens aus der Hilfsdienstpflicht auf die bisherige Veranlagung stattfindet, ist dies der Fall. Eine Vermehrung oder Verminderung des Einkommens durch die Einstellung in den Hilfsdienst während des Jah res, für welches die Veranlagung erfolgt ist, ändert dem nach an der einmal veranlagten Steuer nichts, es sei denn, daß die Verminderung einen ganz erheblichen Teil (in Sachsen mehr als den vierten, in Preußen mehr als den fünften Teil usw.) des bisherigen Einkommens darstellte. Fortbildungsschulzwang und Ernährungsfrage. Der Handelsgärtner J. St. in R. bei B. hatte im Dezember 1916 seine Lehrlinge wiederholt nicht zur Fortbildungsschule ge schickt und sich dadurch einer Uebertretung des Orts statuts der Gemeinde vom Jahre 1912 schuldig gemacht. Im ganzen handelte es sich diesmal um 16 Fälle. In gleicher Weise hatte sich St. auch schon im Oktober v. J. fünfmal strafbar gemacht, wofür ihm eine Buße von 10 M. auferlegt wurde. Diesmal aber beantragte er die gerichtliche Ent scheidung, so daß am 24. Februar das Schöffengericht in B. zu urteilen hatte. Hier führte der Beschuldigte zu seiner Entlastung aus, daß er bei dem gegenwärtigen Leutemangel gar nicht in der Lage wäre, seine Lehrlinge abends in die Schule zu schicken. Vor dem Kriege habe er in seinem großen Betriebe 15 Leute beschäftigt; im Dezember haben | ihm noch sechs Mann zur Seite gestanden, und gegenwärtig | bestehe seine Hilfsmannschaft eigentlich nur noch aus den | drei Lehrlingen. Gerade in den Abendstunden aber wer- ; den diese im Betriebe eingerichteten jungen Leute am [ nötigsten gebraucht, und zwar zur Anfeuerung und zur I Unterhaltung und Beobachtung der Kessel in den Ge wächshäusern, wo falsche Heizung den größten Schaden anrichten könnte. Dies und auch noch andere Gründe haben I ihn nun bewogen, seine Lehrlinge vom Fortbildungsschul unterrichte im Winter fernzuhalten. Er habe damit sogar ein vaterländisches Interesse verfolgt; allenthalben würde gegenwärtig die Ernährungsfrage der Bevölkerung in den Vordergrund gerückt. Es müsse doch zweifellos wichtig erscheinen, daß das Gemüse in seinen Häusern gedeihe; viel wichtiger, als wenn die Pflänzchen verkümmerten und die Lehrlinge dafür vielleicht etwas schreiben und lesen lernen. Großstädte haben sich der strengen Kälte wegen, bzw. um Kohlen zu sparen, sogar zur Schließung der Schulen entschlossen, und da könne man es ihm doch nicht verargen, wenn er, dem Zwange gehorchend, seine Lehr linge nicht zur Fortbildungsschule schicke. — Das Gericht erkannte die Notlage des Beklagten an, bedauerte aber, von der Bestrafung nicht absehen zu können, weil das die Fortbildungsschule betreffende Ortsstatut der Gemeinde R. noch zu Recht bestehe und also innegehalten werden müsse. Die Gesamtstrafe wurde auf 16 M. bemessen. Nachsatz der Schriftleitung: Zweifellos hat der Fortbildungsschulunterricht der Gärtnerlehrlinge an sich auch durch den Krieg keineswegs an Bedeutung und Wichtigkeit für den gärtnerischen Nachwuchs selbst und für die Gesamtheit des Berufs verloren. Aber immerhin verdienen die von dem angeklagten Gärtnereibesitzer ins | Feld geführten Tatsachen doch volle Würdigung und Be- i achtung. Es wäre allerdings wohl das Richtigste gewesen, j wenn der Beklagte unter Darlegung der Verhältnisse die ■ Schulbehörde um Beurlaubung seiner Lehrlinge ersucht ' hätte. Natürlich hätte das rechtzeitig geschehen müssen. Die Schulbehörde hätte so schwerwiegende Argumente wohl kaum unberücksichtigt lassen können.