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Nr. 19 u. 20 75 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Kilogramm und einer dritten 15 Kilogramm. So müßten wir bei der zweiten den doppelten, bei der dritten den drei fachen Mehrertrag feststellen können, wie bei der ersten V ersuchsparzelle. Ein zweites Beispiel: Es sei ein trockener Sommer. Der Boden unserer Versuchsparzellen sei ein trockener, leicht lehmiger Sand. Der bodenkundliche Wachstums- faktor Wasser sei daher im Minimum. Mittels einer Be regnungsvorrichtung seien wir in der Lage, einer ersten Versuchsparzelle 1000 Liter Wasser zuzuführen, einer zweiten 2000, einer dritten 3000 Liter. Dann müßte durch die Ernte nachzuweisen sein, daß auf der zweiten und dritten Versuchsparzelle die doppelte bzw. dreifache Er tragsvermehrung wie bei der ersten Versuchsparzelle stattgefunden habe im Vergleich mit einer gleichgroßen nicht künstlich beregneten Parzelle. Um die Richtigkeit dieses Gedankenganges zu prü fen, wurden nun von Professor Dr. A. Mitscherlich in Königsberg interessante Versuche angestellt, über welche er in einer Festrede, die er anläßlich des Kaisergeburts tages 1917 hielt, ausführliche Mitteilungen machte. Der Gelehrte kam dabei zu anderen Ergebnissen als wir sie soeben dargelegt haben und wie man sie bisher als richtig angenommen hat. Wir berichten darüber nach stehend kurz nach dem Stück 11 der Mitteilungen der Deut schen Landwirtschaftsgesellschaft, wo diese Festrede abge druckt ist, Die Ergebnisse der Versuche sind besonders in Anbetracht der durch den Krieg bedingten Knappheit an Düngemitteln wichtig genug und verdienen auch die Beachtung aller Gartenbautreibenden. In dem Bericht heißt es wie folgt: „Es hat sich pflanzenphysiologisch der Beweis er bringen lassen, daß die Höhe des Pflanzenertrages nicht von dem verhältnismäßig am meisten im Minimum befind-, liehen Wachstumsfaktor, sondern von sämtlichen Wachstumsfaktoren bedingt wird, vorausgesetzt, daß von jedem derselben eine geringe Menge vorhanden ist, was in der Natur stets der Fall sein dürfte.“ Professor Mitscherlich ist der Meinung, daß dies „ein direkter Widerspruch zur Liebigschen Lehre“ sei und daß „das Gesetz von Minimum von Liebig nicht zu Recht besteht“. Um festzustellen, in welcher Weise eine Steigerung des Pflanzenertrages durch die Verbesserung eines Wachs tumsfaktors bewirkt werde, ging Professor Mitscherlich folgenden Weg. Er düngte eine Anzahl von Kulturgefäßen, die mit gleicher Erde gefüllt waren, mit gleichen Mengen von Stickstoff, Kali und Kalk, besäte sie zur selben Zeit, stellte sie nebeneinander auf und bewässerte und pflegte sie alle in gleicher Weise. Nur in einem Punkte waren Unterschiede vorhanden, nämlich bezüglich der Versor gung der Gefäße mit dem Wachstumsfaktor Phosphor säure, welcher der Erde der verschiedenen Kulturgefäße in systematisch abgestuften Mengen beigebracht worden war. Die Unterschiede der Ernteergebnisse waren also lediglich die Folge der abgestuften Phosphorsäuregabe. Es ergab sich aus diesem Versuche, daß die doppelte oder dreifache Menge eines Nährstoffes keineswegs auch eine gleichhohe Vermehrung der Erntemasse zur Folge hatte. Vielmehr stellte es sich heraus, daß ein verhält nismäßig um so größerer Aufwand des betreffenden Pflan zennährstoffes nötig war, je mehr der Ertrag eines Kul turgefäßes sich der überhaupt möglichen Höchstgrenze näherte. Bezeichnet man die Erntevermehrung, welche sich durch eine sehr starke Gabe eines Wachstumsfaktors (Pflanzennährstoffes) im besten Fall erreichen läßt, mit 100, so erforderte auf einer bestimmten Kulturfläche das erste Viertel, also 25 Teile der 100 Teile, dieser Erntevermeh rung eine Gabe von einem halben Doppelzentner des Wachstumsfaktors. Das zweite Viertel der Wachstums steigerung, also weitere 25 Teile über die ersten 25 hinaus, ließ sich aber nicht durch eine Verdoppe lung der Gabe des betreffenden Wachstumsfaktors er zielen, sondern indem 1,2 Doppelzentner des betreffen den Wachstumsfaktors (Pflanzennährstoffes) aufgewen det wurden. Das zweite Viertel kam also um 0,2 Doppelzentner des Wachstumsfaktors teurer zu stehen als das erste. Um aber drei Viertel der überhaupt mög lichen Erntevermehrung von 100 Teilen, also 75 Teile, zu erreichen, war es notwendig 2,4 Doppelzentner des Wachstumsfaktors aufzuwenden. Die dritten 25 Teile verbrauchten also die gleiche Menge des Wachstumsfak tors, wie die ersten 50 Teile Mehrertrag, oder fast fünf mal (genauer 4,8 mal so viel wie für die Erzielung der ersten 25 Teile der Erntevermehrung erforderlich war. Eine Aufwendung von 5 Doppelzentnern des Wachstums faktors brachte den Ertrag erst auf 94,4 Teile der über haupt möglichen 100 Teile Ertragssteigerung. Mit dem Mehraufwand von 2,6 Doppelzentnern des Wachstums faktors wurden also nur 19,4 Teile Mehrertrag erzielt. Um aber den Ertrag noch um weitere 4,5 Teile, auf 99,0 Teile zu steigern, also dem Höchstmaß der erreichbaren Ertragssteigerung möglichst nahe zu kommen, mußten weitere 7 Doppelzentner des Wachstumsfaktors aufge wendet werden, im ganzen für die Ertragssteigerung von 99 Teilen 12 Doppelzentner, davon für die letzten 4,5 Teile allein 7 Doppelzentner. Mit anderen Worten: Der erste verbrauchte Doppel zentner des Wachstumsfaktors erbrachte eine Steigerung von 43,7 Prozent, der zweite von 24,7, der dritte von 13,8, der vierte von 7,8, der fünfte von 4,4, der sechste von 2,5, der siebente von 1,3, der achte von 0,8 Prozent der über haupt möglichen 100 Teile Ertragssteigerung. Wir wollen dahingestellt sein lassen, ob damit das Liebigsche Gesetz vom Minimum in der Tat widerlegt ist; auf alle Fälle ist es aber ein für die Praxis wichtiges Ergebnis. Es zeigt uns nämlich, daß es unter Umständen gleich bedeutend mit einer Verschwendung wertvoller Dung- stoffe ist, wenn man sich darauf versteift, um jeden Preis von einer Kultur unter Aufwand größter Dungmassen Höchsterträge zu erzielen. Denn das angeführte Beispiel sagt deutlich, daß die letzte Gabe eines Wachstumsfaktors nur noch eine sehr geringe Steigerung des Ertrages zur Folge hat. Da der erste Doppelzentner 43,7 Teile, der achte aber nur 0,8 Teile Ertragssteigerung brachte, so war mithin die Wirkung des ersten Doppelzentners 54,4 mal größer als die Wirkung des achten. Es wäre daher wohl wirtschaftlicher, den achten und auch schon den vierten, fünften, sechsten und siebenten Doppelzentner des betreffenden Dungstoffes nicht zur Erzwingung von Höchsterträgen zu benutzen, sondern lieber eine um fünfviertelmal größere Fläche mit dem vierten bis achten Zentner zu düngen und auf diese Weise von letzterer Fläche eine Ertragssteigerung von 43,7 + 24,7 + 13,8 — 82,2 Teilen zuzüglich einem Viertel von 82,2 = 20,5 Teilen zu erzielen, anstatt mittels des selben Dungaufwandes auf der um fünf Viertel kleineren Fläche von dieser nur 7,8 + 4,4 + 2,5 + 1,3 + 0,8 = 16,8 Teile mehr zu ernten: Die gesamte Erntesteigerung hätte bei Verteilung der acht Doppelzentner des Wachs tumsfaktors Phosphorsäure auf die größere Fläche 2 X 82,2 = 164,4 + 20,5 = 184,9 Teile betragen, bei Ver wendung auf der kleineren Fläche aber betrug sie nur 43,7 + 24,7 + 13,8 + 7,8 + 4,4 + 2,5 + 1,3 + 0,8, zusam men 99 Teile. Die praktische Lehre, die aus diesem Ergebnis zu zie hen wäre, ist diese: Fehlt es uns an Dünger, so sollen wir mit der vorhandenen Menge nicht etwa einer kleineren Fläche eine Volldüngung verabreichen, sondern wir sollen der ganzen vorhandenen zu düngenden Fläche eine ent- j sprechende schwächere Düngung zuteil werden lassen. Haben wir etwa nur ein Drittel des Düngers zur Ver fügung, den wir sonst zu geben gewohnt waren und der ' eigentlich erforderlich ist, so düngen wir nicht etwa nur