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| Nr. 41 I—223 24. Mal 1906 | Unlauterer Vertrieb von Glückwunschkarten Der Reisende Otto Blumenthal aus Hannover, welcher für die Luxuspapierfabrik seines Bruders Richard Blumenthal zu Hannover reiste, war des Betrugs beschuldigt, weil er Anfang Dezember 1904 in Gliesmarode beim Verkauf von Glückwunsch- und Ansichtskarten einer Frau, die für 5 höchstens bis 8 M. Karten bestellt und dabei betont hatte, daß sie ohne Einwilligung ihres Ehemannes Bestellungen nicht machen dürfe, für 69 M. 40 Pf. Karten übersandte. Des weiteren hatte er der Frau versprochen, daß sie den Alleinverkauf dieser Karten für Gliesmarode haben solle. Auch an 2 anderen Stellen in Gliesmarode hatte es der Angeklagte ebenso gemacht. In einem Falle wurde bei ihm eine Bestellung im Betrage von 12 M. gemacht, worauf er für 99 M. 4 Pf. Ware sandte. Im anderen Falle, wo die Bestellung 10 M. nicht überschreiten sollte, wurden für 96 M. Karten geliefert. Dem Angeklagten legte man zur Last, daß er die ungewandten und geschäftsunkundigen Frauen getäuscht habe, um die Provi sion zu verdienen. Auf die von einer Seite erfolgte Anzeige er kannte das Schöffengericht Riddagshausen gegen B. wegen Be trugs auf eine Geldstrafe von 40 M. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein, der sich der Amtsanwalt anschloß. Die Erste Strafkammer des Landgerichts Braunschweig erkannte am 10. Januar 1906 auf 2 Wochen Gefängnis. Gegen dieses Ur teil beantragte der Beschuldigte die Revision und hatte den Er folg, daß das Oberlandesgericht das Strafkammerurteil aufhob und die Sache zur nochmaligen Verhandlung an die Vorinstanz zurückwies. In der Verhandlung am 27. April bestritt der An geklagte, der Ehefrau L. mehr geliefert zu haben, als sie be stellt; er habe ihr die Karten nach »Mille« verkauft, wenn sie das nicht verstand, so sei es nicht seine Schuld. Ein Ver sprechen, daß sie den »Alleinverkauf« haben solle, habe er ihr nicht gemacht. Es wird dann festgestellt, daß der Bestellzettel sehr flüchtig und undeutlich geschrieben ist; dies veranlaßt den Vorsitzenden zu der Bemerkung, daß dies wohl seinen guten Grund haben möge. Nach der umfangreichen Beweisaufnahme sagte der Staatsanwalt, das Vorgehen des Angeklagten sei sehr schwindelhaft gewesen, er müsse sein Treiben als gefährlich bezeichnen, da es auf die Ausnutzung unerfahrener Frauen ge richtet gewesen sei. Wenn das Oberlandesgericht in diesem Tun keinen Betrug erblicken könne, so liege doch ein Betrugs versuch vor, und er beantrage, den Angeklagten zu einer Geld strafe von 100 M. zu verurteilen. Der Verteidiger trat für Frei sprechung ein. Von einem Betrugsversuche könne deshalb keine Rede sein, weil die gelieferten Waren nicht bezahlt, sondern dem Geschäft zur Verfügung gestellt worden seien, ein Ver mögensschaden sei demnach nicht erwachsen. Das Urteil lautet auf Freisprechung, weil die Frau, an welche die Waren verkauft seien, nicht die Bevollmächtigte ihres Mannes gewesen sei, dieser demnach nicht gebunden war, zu bezahlen, also kein Vermögensschaden entstanden sei. (Braunschweiger Neueste Nachrichten) Handel mit Postkarten in Gastwirtschaften Ist Ihnen bekannt, ob und welche Entscheidungen vom höchsten Gericht getroffen sind über den Handel mit Postkarten in Lokalen abends nach Geschäftsschluß und Sonntags? Ich möchte namentlich erfahren, ob dieser Handel nach Geschäftsschluß ganz gestattet ist, oder ob nur Karten mit Ansichten der Gastwirtschaft feilgeboten werden dürfen. Ist nur dies gestattet, so beab sichtige ich, dem unerlaubten Handel entgegenzutreten. Papierhändler Die Rechtsprechung hierüber ist nicht einheitlich, und da der Wert des Streitgegenstandes die für Reichsgerichts fälle nötige Höhe meist nicht erreicht, dürfte die Ungleich heit in den Richtersprüchen so bald nicht aufhören. Das Oberlandesgericht in München hat vor etwa zwei Jahren entschieden, daß in Gastwirtschaften an Sonntagen und sonst während der Ladenschlußzeit nur Karten mit Ansichten der Gastwirtschaft verkauft werden dürfen. Trotzdem hat etwa ein Jahr später ein Münchener Amts richter während einer von ihm geleiteten Gerichtsver handlung als stadtbekannt anerkannt, daß in fast allen Münchener Gastwirtschaften auch an Sonntagen Postkarten aller Art verkauft werden, s. Nr. 97 von 1905 S. 3718. Andere Gerichte, z, B. das in Solingen, (vergl. Nr. 14 von 1906 S. 502), gehen von der Ansicht aus, daß der Ver trieb von Ansichtskarten aller Art zum Gastwirtschafts betrieb gehöre und verbieten an Sonntagen nur den Ver kauf von Ansichtskarten usw. außerhalb der Gastwirtschaft, z. B. an einem Stand daneben. Unzüchtige Ansichtskarten Reichsgerichts-Entscheidung. Nachdruck verboten Vom Landgericht Frankfurt a. M. wurde der Kaufmann Ignatz Jandorf am 28. Oktober 1905 wegen Herstellung zweier unzüchtiger Postkarten zu 200 M. Geldstrafe verurteilt. Es heißt in dem Urteile, daß er im Jahre 1905 Ansichtspostkarten hat her stellen lassen, die »besonders dem bayrischen Geschmack ent sprechen« sollten. Von den 5000 hergestellten Karten, die sich als unzüchtig erwiesen und die Unzüchtigkeit besonders grotesk hervortreten ließen, wurden noch 3680 Stück beschlagnahmt. Das Gericht hat ausdrücklich festgestellt, daß den Karten jeder künstlerische Wert abgeht. Die von dem Angeklagten ein gelegte Revision wurde am 10. Mai vom Reichsgericht ver worfen. Amerikanische Schreibwaren Federhalter mit Einrichtung zur Sicherung einer richtigen Fingerhaltung von William A. Whitehouse in Somerville, Massachusetts. ) Amerik. Patent Nr. 794 329, Bild 1 zeigt den Federhalter von der Seite, Bild 2 von oben, Bild 3 von vorn nach Entfernung der Schreibfeder. Ueber den Halterstiel 2 ist eine Hülse 1 aus Gummi oder ähnlichem Stoff geschoben, welche besondere Auflageflächen für den Daumen, Zeige- und Mittelfinger enthält, damit diese sich von vornherein (der Halter ist in erster Linie für Kinder bestimmt, die das Schreiben erlernen), an eine richtige Lage zum Federhalter gewöhnen. Die Auflage fläche 6 für den Zeigefinger liegt am weitesten nach vorn und genau oben, etwas zurück und rechts seitlich die Fläche 7 für den Mittelfinger (siehe Bilder 2 und 3) und am weitesten zurück an der linken Seite die Auflagefläche 8 für den Daumen. Diese Flächen sind der Fingerform ent sprechend ausgehöhlt. Tinte für Urkunden. Der VI. internationale Kongreß für angewandte Chemie in Rom nahm folgenden Vorschlag seiner Abteilung IVB an: »Die Abteilung ersucht den Kongreß, sich über die Zweck mäßigkeit oder Notwendigkeit äußern zu wollen, durch ein Ge setz die Anwendung unveränderlicher Tinten für alle notariellen und kommerziellen Akten, Register usw. vorzuschreiben«.