Volltext Seite (XML)
DAPIERVERARBEITUNG ä Bu CH GEWERBE (EU Berliner Buchgewerbesaal Anderweiter Benützung wegen bleibt der Buchgewerbesaal am Sonntag, 27. Mai, geschlossen. Silhouetten-Ausstellung in Berlin »Warum stehen Sie davor? Ist nicht Türe da und Tor? Kämen Sie getrost herein, würden wohl empfangen sein.« Dieser Goethesche Vers, mit welchem uns die Werck- meistersche Kunsthandlung in der Leipzigerstraße zum Eintritt ladet, hat besonders während der Silhouettenaus stellung große Zugkraft bewiesen. Goethe selbst wartete auf. Wir sehen ihn als Knaben, Porträtkopf mit Empire rahmen, aber auch in ganzer Figur als jugendlichen Geheim rat, mit dem Degen schreitend. Die folgenden Bildchen: Goethe als Lehrer des Fritz von Stein, dem er die Auf gaben überhört, Goethe vor einer weiblichen Büste stehend, und Goethe im Witthums Palais, sind von dem Bildhauer Klauer geschnitten, der diese Art des Porträtierens zu hoher Vollendung brachte. Schiller als Knabe und als Hofrat, Frau von Stein mit Fritzens Büste, gehören derselben Silhouettenfolge aus dem Goethekreise an. Goethe selbst, der dem Lavater’schen Grundsätze anhing, daß das Studium der Umrißlinie es ermögliche, Charakter und Eigenschaften eines Menschen zu erkennen, übte die Schwarzkunst mit Hilfe eines Lichtschirms. Wir verdanken ihm hauptsächlich die Darstellung weiblicher Schönheiten aus jener Zeit, die das Weimarer Goethehaus aufbewahrt, aber auch eine Samm lung von 28 Originalsilhouetten verschiedener Künstler, die uns die Hauptpersonen der Weimarischen Hofgesellschaft vorführen, und die uns hier gezeigt werden. Aus einer späteren Zeit stammen zwei vortreffliche Silhouetten; Goethe reitet nach seinem Gütchen und Karl August zu Pferde mit seinen Spitzen; beide sind hier in der Würde älterer Herren dargestellt. Die Silhouette wird aus den Hofkreisen verdrängt und flüchtet sich in bürgerliche Kreise, wo sie die Wände mit Familienbildnissen und Studentenbildern schmückt; beide sind in großer Zahl hier vertreten. Die Photographie ver treibt die Schwarzkunst auch von hier, sie wird nur noch von einigen Künstlern geübt. Der Bildhauer Fritz Schulze schildert uns das deutsche Rom der sechziger und siebziger Jahre. Wir sehen die Gelehrten und Künstler im Palazzo Caffarelli aus- und ein gehen: Mommsen, Curtius, Preller, Anselm Feuerbach, Liszt usw. Auch das römische Straßenleben und die römische Campagna werden uns in anziehenden Bildern gezeigt. Konewka, der Meister der Schwarzkunst, nimmt einen Ehrenplatz in der Ausstellung ein mit eigenen Werken und Vervielfältigungen. Sein »Spaziergang aus dem Faust« prangt als Verzierung auf einem grünen Lampenschirm. Wir bewundern seine »Zwölf Blätter zum Faust«, die Illustrationen zu den Falstaffdramen, zum Sommernachts- träum; wir freuen uns an seinen Kinderbüchern und deutschen Bilderbogen. Seine größeren Werke sind nicht mit der Schere geschnitten, die Umrisse sind gezeichnet und schwarz ausgetuscht. Der vielen Buchdruckern Berlins wohlbekannte Karl Fröhlicht , Berlin, ist durch 75 Original silhouetten vertreten. Wilhelm Müller , Düsseldorf, zeigt uns in 50 Originalen, welche Vollendung die Technik in der Schwarzkunst erreichen kann. Robert Erbe f, Dresden, widmet sich der Darstellung der Tier- und Pflanzenwelt, wird jedoch bei weitem von zwei Künstlern übertroffen: Otto Fikentscher und Nanna Eicke, die sich durch feine Beobachtungsgabe und scharfe Charakteristik des Tier lebens auszeichnen. Gertrud Schubring leistet Vortreffliches in der Illu stration von Volksliedern, Johanne Beckmann ist unüber troffen in der Wiedergabe zarter Pflanzengebilde, die sie, zusammen mit Wichtelmännchen und andern Gestalten, bis weilen zu märchenhaften Darstellungen vereinigt. Ccile Leo aus Göttingen sucht durch feine, sinnige Kompositionen Stim mungen und Empfindungen zu verkörpern, welche poetische Schöpfungen von Fechner, Goethe, Novalis, Eichendorff usw. in uns auslösen. Ihre Blätter gehören wohl zu dem Besten, was die Ausstellung bietet. Der Wiener Dr. Otto Böhler liefert uns eine Fülle von Musikersilhouetten, einzeln, zu Gruppen oder größern Dar stellungen verbunden. Wir sehen Beethoven, Schubert auf dem Spaziergange; Wagner, Liszt dirigierend, oder letzteren am Klavier, während Wagner zuhört. Ein größerer Ent wurf feiert Anton Bruckners Himmelfahrt, den Empfang des großen Symphonienmeisters durch Wagner und Liszt, die vor ihm dort oben angekommen sind. Eine zweite große Tafel zeigt uns Johann Strauß im Himmel. Seine ver führerischen Tanzweisen üben auch hier ihre Wirkung, die Wolken dienen als Parkett, und alle Bewohner des Musiker himmels drehen sich im Tanz. Neu ist bei Böhler die Ein führung farbiger Papiere, die zur Darstellung von Hinter gründen, Himmel, Mond und Wolken benutzt werden. Während wir bei den bisher genannten Künstlern den Weg verfolgen können, den die Entwicklung ihrer Gaben genommen, lernen wir in Eckert einen Künstler kennen, der sein erstaunliches Können nur der eigenen Begabung und der Belehrung verdankte, die ihm die Natur bot. Eckert war ein armer Sandmann, der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte und zum Dank für eine Tasse Kaffee oder einen Teller Suppe den Leuten Silhouetten ausschnitt: Straßenszenen, Kinder und Tiere im Spiel oder im Kampf, Bilder aus dem Landleben, und das alles mit einer tech nischen Vollendung und einem feinen Kunst- und Natur gefühl, daß wir wie vor einem Wunder stehen. Wir dürfen ein Album nicht unerwähnt lassen, das aus dem Jahre 1653 stammt und Bilder enthält, die von einem unbekannten Künstler aus weißem Papier geschnitten sind. Das Jahr der Entstehung beweist uns, daß dieser Kunst zweig nicht erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgekommen ist, wie allgemein angenommen wurde. Den Kopf des Finanzministers Silhouette, dem das Schattenriß-Porträt wohl seinen Namen, aber nicht seine Entstehung verdankt, zeigt uns ein Bildnis in Medaillonform, schwarz auf Gold. A. L. Kasein Bei der immer mehr um sich greifenden Verwendung von . Kasein, nicht nur in der Chromopapier- und Kunstdruck-Fabri kation, sondern auch in vielen andern Industrien, ist es für den Verbraucher von wesentlicher Bedeutung, angesichts der vielen Anpreisungen dieser Ware, den wirklichen Wert des Kaseins zu beurteilen. Wissentlich oder unwissentlich wird z. B. seitens Kasein-Verkäufer behauptet, daß nordamerikanisches Kasein besser sei als italienisches und französisches, oder daß die letzt genannten beiden Sorten besser seien als argentinisches Kasein. Dies ist ein Irrtum, wie jeder weiß, der sich mit der Frage wissenschaftlich und praktisch abgegeben hat. Kasein ist der Käsestoff der Milch, und vom chemischen Standpunkt aus betrachtet ist das Kasein aller Milch gleich, mag die Milch oder das Kasein daraus in welchem Lande immer erzeugt sein. Die Güte von Kasein hängt einzig von der bei der Fabrikation verwandten Sorgfalt ab. Gutes Kasein soll möglichst frei von Fett sein, auch von Salzen und von Säure, was durch sorgfältiges Auswaschen erzielt wird, und darum ist die Sorg fältigkeit der Fabrikationsweise für die Güte und Brauchbarkeit des Kaseins maßgebend. In bezug auf Bindekraft ist ein Kasein von Haus aus so gut wie das andere, gleichviel aus welchem Lande es kommt. Dies ist nicht nur durch chemische und physikalische Versuche er wiesen, sondern hat sich auch in Streichpapierfabriken, die jährlich hunderte von Tonnen Kasein gebrauchen, bewahrheitet, da solche Fabriken Kasein aus jedem der genannten Länder in großen Mengen verarbeiteten und dabei zu dem mitgeteilten Er gebnis gekommen sind. Es ist allerdings richtig, daß ein Kasein etwas anders ausfallen kann wie das andere, und man muß daher die Verarbeitung, besonders die Lösung, dem Kasein anpassen, wenn man guten Erfolg erzielen soll. L.