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Nr. 36 PAPIER-ZEITUNG 1481 den Preise bewirken, daß sie nichts verdient, soJmüssen bei gleichen Preisen die andern Fabriken Geld zusetzen? Hauptziffern der Bilanz. Aktiva: Fabrikanlagen 27,6 Mill. Pesetas, Grund und Boden 0,3 Mill. P., nicht ausgegebene Obli gationen 2,1 Mill. P., Bargeld und Bankguthaben 0,4 Mill. P., Wertpapiere 0,4 Mill. P., Schuldner 0,6 Mill. P., Vorräte an Roh- und Halbstoffen, halbfertigem und fertigem Papier 8,6 Mill. P., Verschiedenes 0,4 Mill. P. Passiva: Aktienkapital 20 Mill. P., Hypothekenschulden 14,2 Mill. P., Reservefonds 0,4 Mill. P., fällige Hypothekenzinsen und Amortisation 0,5 Mill. P., Forderung des Bankhauses Ur- quijo y Co. 1,3 Mill. P., Konto-Korrent-Forderungen 3,3 Mill. P., Ertrag der Fabriken in 1905 0,6 Mill. P. Förderung der Industrie in Ungarn Seitdem das Ministerium Wekerle die Regierung des Landes übernommen hat, macht sich in der Bevölkerung eine starke Strömung zum Schutz der heimischen Industrie geltend. Es hat sich ein Verein gebildet, dessen Mitglieder sich verpflichten, möglichst nur Erzeugnisse heimischer Herkunft zu kaufen. Die Mitglieder dieses Vereins, die nach vielen Tausenden zählen, tragen eine aus Metall ge fertigte kleine rote Tulpe. Die heimischen Fabrikanten wollen nun ihre Waren oder deren Umhüllungen mit der Tulpe als Warenzeichen versenden. Um zu verhindern, daß mit diesem Zeichen versehene ausländische Waren nach Ungarn gebracht werden, beantragt der Verein ein Gesetz, wonach die Tulpe nur an inländischen Waren als Zeichen angebracht werden darf. Wie »Pester Lloyd« meldet, beginnt man in den ungari schen Klubs, welche sehr gute Abnehmer für Spielkarten sind, Spielkarten aus Oesterreich zu boykottieren und will nur einheimische Spielkarten benutzen. Wohlfahrts-Einrichtungen Der Festschrift zum 50jährigen Bestehen der Firma Kübler & Niethammer in Kriebstein entnehmen wir folgende Beschreibung der Wohlfahrts-Einrichtungen, welche die Firma für ihre Mitarbeiter geschaffen hat: Daß gute Wohnungen eine der wichtigsten Grundbedingungen für Gesundheit und Wohlbefinden sind, wird allgemein aner kannt. Die Firma hat deshalb, wenn sich Gelegenheit bot, vor handene bäuerliche Häuser der Nachbarschaft angekauft und für Arbeiterwohnungen hergerichtet, auch neue Häuser in großer Anzahl gebaut. Für letztere ist bei aller Verschiedenheit der Grundrisse an dem Grundsatz festgehalten worden, daß jede Familie vollständig abgeschlossen von der andern wohnt. Die Häuser sind regelmäßig von dazu gehörigen Gärten umgeben. Die Mieten für diese Wohnungen schwanken zwischen 90 und 130 M. aufs Jahr und geben eine Verzinsung des Anlagewertes von 2 bis 21/2 v. H. Für unverheiratete Arbeiter ist ein Burschenhaus errichtet worden. Dasselbe faßt 30 unverheiratete Arbeiter, von denen je 16 ein Zimmer allein, 14 zu zweit ein Zimmer bewohnen. Sie zahlen für Wohnung, Heizung und Beleuchtung, Bettwäsche samt Nachthemden und Handtüchern, Frühstück und Mittagessen wöchentlich 4 M. Dem 1873 gegründeten Konsumverein, dem außer Arbeitern auch andere Dorfbewohner angehören, hat die Firma die erfor derlichen Räume in Kriebethal unentgeltlich zur Verfügung ge stellt. Er hat in völlig selbständiger Bewirtschaftung in den Jahren 1874 bis 4902 durchschnittlich 17,9 v. H. Dividende mit einer Gesamtsumme von 105088 M. verteilt. Der 1879 errichtete Kindergarten steht unter Leitung einer Fröbelschen Kindergärtnerin und bietet 54 Arbeiterkindern im Alter von 3 bis 6 Jahren kostenfreie Aufnahme. Der Kinder garten ist geöffnet von früh 8 bis abends 6 Uhr. Zum Vesper erhalten die Kinder unentgeltlich Milch. Bei Gründung der Fabrik wurde eine Fabrik-Sparkasse ein gerichtet mit der Bestimmung, daß jeder Arbeiter am Lohntage mindestens 3 v. H. des Lohnes als Spargeld zurückzulassen habe. Die Ersparnisse, die anfangs mit 5 v. H., seit 1885 mit 6 v. H. verzinst werden, können nach Ablauf eines Halbjahres jederzeit abgehoben werden. Bei Niethammers Verheiratung 1856 wurde eine Fabrik- Bibliothek begründet, die allmählich auf einen Bücherbestand von über 1200 Bänden angewachsen ist. Die kostenlose Verleihung findet wöchentlich einmal statt. Mit der Bibliothek ist ein Lese zirkel verbunden. Außerdem werden in den verschiedenen Fabriken 680 Exemplare Wochenblätter religiösen und unter haltenden Inhalts ausgegeben, wozu die Firma einen . Beitrag gewährt. Aus Anlaß der Verheiratung von Konrad Niethammer ist im Jahre 1895 in Kriebstein zur Hilfe bei Arbeitern und Beamten in Krankheitsfällen eine Schwester des Dresdener Diakonissen hauses stationiert worden. Die Einrichtung bewährte sich so gut, daß 1898 auch in der Gröditzer Fabrik eine Diakonissin angestellt wurde. Die 1873 ins Leben gerufene Fabrik-Feuerwehr, die 35 Mann, darunter 7 Steiger, zählt, hat schon bei manchen Bränden in der Umgegend helfend eingegriffen. Im übrigen gelten noch folgende Bestimmungen: 1. Arbeiter, welche länger als 1 Jahr der Firma angehören, erhalten das Schulgeld für ihre Kinder. 2. Arbeiter, welche 10 Jahre ununterbrochen der Firma an gehören, erhalten bei der Konfirmation eines Kindes 30 M. 3. Gemäß einer von Niethammer am Tage der Verheiratung seiner Tochter gemachten Stiftung erhalten Arbeiter und Arbeiterinnen, welche sich verheiraten, bei der kirch lichen Einsegnung eine Traubibel. 4. Verheiratete Arbeiter, welche der Reserve oder Land wehr des Reichsheeres angehören, erhalten im Falle der Einberufung zu einer Uebung während der Dauer derselben zwei Drittel, unverheiratete ein Sechstel ihres Lohnes. 5. In Krankheitsfällen erhalten alle verheirateten Arbeiter und Arbeiterinnen, sowie Witwer und Witwen mit schul pflichtigen Kindern, wenn sie schon 1 Jahr der Firma angehören, neben dem von der Krankenkasse gewährten Krankengeld (der Hälfte des Lohnes) noch ein Sechstel ihres Lohnes. 6. Die der Firma länger als 1 Jahr angehörenden Frauen er halten im Falle eines Wochenbettes 25 M. unter der Voraussetzung, daß sie wenigstens 4 Wochen der Arbeit fern bleiben. 7. Beim Tode ihres Ehegatten erhalten Arbeiter und Arbeiter innen, welche mindestens 1 Jahr der Firma angehören, 2 Wochenlöhne, beim Tode eines Kindes unter 14 Jahren einen Wochenlohn als Beitrag zu den Beerdigungskosten. 8. Beim Tode eines Arbeiters erhält seine Witwe für jedes Kind bis zum vollendeten 14. Jahre eine Unterstützung von 1 M. die Woche. 9. Feiertage, welche regelmäßig in die Woche fallen (1. Buß tag, Karfreitag, Ostermontag, Himmelfahrt, Pfingstmontag, 2. Bußtag) und Feiertage, sofern sie in die Woche fallen (Neujahr, Erscheinungsfest, Reformationsfest, 1. und 2. Weihnachts-Feiertag) werden den in den Fabriken Ar beitenden wie Arbeitstage bezahlt. 10. Die länger als 1 Jahr der Firma angehörenden verhei rateten bezw. verwitweten Arbeiter erhalten für jedes Kind bis zu seinem Austritt aus der Schule eine Unter stützung von wöchentlich 1 kg Brot. Diese Unterstützung wird in Marken gewährt, gegen welche auf Grund beson derer Abmachungen von Bäckern oder von dem Kriebe- thaler Konsumverein das Brot ausgehändigt wird. Wer Marken verkauft oder verhandelt, geht der Unter stützung verlustig, ebenso wie auch derjenige, welcher über die Zahl der zur Unterstützung berechtigten Kinder unrichtige Angaben macht oder eintretende Veränderungen nicht rechtzeitig meldet. Alle diese Einrichtungen sind entstanden aus dem Bestreben heraus, dem Arbeiter zu helfen, wo die Not des Lebens ihn be sonders erfaßt. Das sind keine Almosen; ist doch der Fabrikant ebenso auf die Hilfe seiner Arbeiter in aller Bedrängnis des Betriebes angewiesen. Wie der rechte Arbeiter schon aus Selbstachtung mit seinen Händen auch Kopf und Herz dem Betriebe weihen muß, wenn das Werk gedeihen soll, so sind diese Einrichtungen auf die Ueberzeugung gegründet, daß der Fabrikant sich nicht mit dem Lohne abfinden kann, sondern dem Arbeiter und seinen Bedürf nissen sein ganzes Herz entgegenbringen soll. Man hat diese Auffassung patriarchalisch genannt, und dieses Wort ist schon seit Jahren so in Verruf gekommen, daß Fabri kanten, die sich noch dazu bekennen, es kaum zu sagen wagen. Hätte der Aufschwung der deutschen Industrie sich in langen Zeitabschnitten langsam vollzogen, so wäre auch naturgemäß die Umwandlung des Arbeiterverhältnisses zu modernerem Geiste mit ruhiger Vorsicht erfolgt. So aber ging alles im Sturmschritt. Als ob im Neuen an sich schon die Gewähr des Besseren läge, wurden oft Einrichtungen, die aus lokalen Verhältnissen sich herausgebildet hatten und mit ihnen verwachsen waren, be seitigt. Statt das Vorhandene, soweit es sich bewährt hatte, all mählich umzugestalten, warf man es gleichzeitig mit dem Ver alteten über Bord. Es mag sein, daß es nicht leicht war, gesetz geberisch das Alte zu schonen, umsomehr als die Industrie nach den Städten drängte, und die hier entstehenden neuen Verhält nisse in erster Linie Berücksichtigung heischten. Es ist auch begreiflich, daß die Sozialpolitiker, die in Städten leben, ihre Anschauungen auf diese zuschneiden. Aber die Papierindustrie, die das Glück hat, eine vorwiegend ländliche Industrie zu sein, hat sich zu ihrem Heile nicht allenthalben vom Zuge der Zeit mit fortreißen lassen.