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1266 PAPIER-ZEITUNG Nr. 30 Zollstreiche Erlebnisse eines Reisenden »Gebet Gott, was Gottes, und dem Kaiser, was des Kaisers ist«, diese Vorschrift wird niemals weniger beachtet, als bei der Zollrevision an der Grenze. Ehrliche Leute, reich oder arm, die sich schämen würden, ihren Mitmenschen auch nur um einen Pfennig zu benachteiligen, freuen sich unbändig, wenn sie der Zollbehörde an der Grenze ein Schnippchen schlagen können. Alle Kniffe werden angewandt, nicht um vielleicht ein paar Groschen zu sparen, sondern aus Freude am Gelingen des Streiches. Dabei schmuggelt man oft Gegenstände über die Grenze, die man zu Hause ebenso gut und wahrscheinlich billiger bekommt. Ein Hauptgegenstand solches Gelegenheitsschmuggels sind .Zigarren aus Holland nach Deutschland oder nach Belgien, des gleichen von Deutschland nach Oesterreich, Italien, der Schweiz Frankreich und England, kurz, fast nach überall hin, ferner Schokoladen aus der Schweiz überall hin und — Likör. Ueber Zigarren und Likör ist der fast unausrottbare Irrtum im Reisepublikum verbreitet, daß ein angebrochenes Kistchen, oder eine geöffnete Flasche, von der man eine Kleinigkeit abgetrunken hat, zollfrei sei. Daraus entstehen Szenen folgender Art: Schnellzug Amsterdam—Frankfurt a. M. passiert die letzte Haltestation vor Emmerich. Mein Sitznachbar, ein gemütlicher Herr, erhebt sich, wir sitzen zu zweit im Wagenabteil, späht über das Netz hinweg in das nebenan befindliche Abteil, ob er von dort aus nicht beobachtet wird, öffnet zur Sicherheit die kleine Klause, die auf Stationen nicht aufgesucht werden darf, riegelt sie zu und bemerkt lächelnd: „Man muß vorsichtig sein!“ Nun holt er seinen Koffer aus dem Gepäcknetze, öffnet ein darin befindliches volles Zigarrenkistchen mit 100 Stück und entnimmt daraus etwa 15 Stück Zigarren, die er in die Taschen seines Ueberziehers verteilt. Seine Absicht merkend, suche ich ihn davon zu überzeugen, daß auch ein angebrochenes Kistchen zollbar sei. Nein, er weiß es besser. »Emmerich — Zollstation«. »Haben Sie etwas Zollpflichtiges?« frägt man mich. - »Bitte nachzusehen« sage ich, meinen Wäsche koffer öffnend. — »Und hier?“ auf meine Mustertasche zeigend. — »Zollfreie Muster von Plakaten, durch Firmastempel und Nummern zum Verkaufe unbrauchbar gemacht. Wünschen Sie sie zu sehen?« »Lassen Sie«, bedeutete der Beamte und machte sein Zeichen mit der Kreide auf die Gepäckstücke. Nun kommt mein Reisegefährte an die Reihe. Dieselbe Frage, ob er Zoll bares habe. »Nein, nur ein angebrochenes Kistchen Zigarren, das kostet ja keinen Zoll«. »Na, lassen Sie mal sehen.« Der Beamte geht mit dem Kistchen an die Wage, schreibt einen Schein aus und ladet meinen Freund ein, 1,63 M. an der Kasse zu berappen, trotzdem dieser die Zigarren als Reisebedarf hin stellt und seine Fahrkarte nach Karlsruhe vorzeigt. — »Na, Sie können doch von Emmerich nach Karlsruhe keine 80 Zigarren rauchen, ohne die gerechnet, die Ihnen aus der Rocktasche her aussehen.« Noch schlechter ging es einem vom gleichen Irrtum be fangenen Reisenden am Bodensee bei der Zollrevision auf dem Schiff; er zeigte sein angebrochenes Zigarrenkistchen, sollte es verzollen und während der Beamte den Schein ausschrieb, ver schenkte er die Zigarren an die Schiffsmannschaft, mußte aber trotzdem für die bereits eingeführten Zigarren den Zoll bezahlen. Ein zärtlicher Ehegatte kehrt heim und will seiner besseren Hälfte süßen Kümmel mitbringen, den man nirgends besser bekommt als in Holland. Er wählt dazu ein prachtvolles Fläschchen, das ziemlich schwer ist, aber nicht viel Inhalt hat. Er nimmt schlau lächelnd ein Schlückchen heraus, damit die Flasche angebrochen sei. Der Mahnung, er möge die Flasche verbergen, folgt er nicht und muß für den 1,50 M. werten Gegen stand 1,75 M. Zoll zahlen. Der Kümmel wird mit der Flasche gewogen. Dieser Herr mußte wohl auch ein sehr unangenehmes Nachspiel über sich ergehen lassen, denn er wurde protokolliert, weil er in seinem Zorne zu dem Beamten sagte: »So etwas ist die reinste Gaunerei!« — Als ich vor kurzem von Dresden nach Wien fuhr, antwortete in Außig ein besonders schlauer Mit reisender, der eine gewisse Unruhe verriet, auf die Frage des Revisors, ob er etwas Steuerbares habe, Tabak oder Zi garren? »So einen Haufen Tabak, so einen Haufen Zigarren!“ Dabei beschrieb er mit seinen Armen in der Luft einen so großen Kreis, als deren Länge es erlaubte und brach in ein überlautes Lachen aus, als ob er den größten Witz gemacht hätte. Der Zollbeamte sah ihn scharf an und sagte: „Na, da san’s halt so guat und machens a bisserl dös Köfferl auf, da woll’ma halt nachschaun!« »Wa—wa—was« stammelte der Reisende, »es war ja nur a Gspaß! Sö werd'n doch net glaub’n, daß i a soviel Zigarren bei mir hab, oder Tabak, der is ja in Oesterreich so viel besser, als herenten in Preißen!« Er mußte aufmachen und hatte in seinem Koffer fein unter Reisewäsche zugedeckt, 3 Kistchen Zigarren und 4 Päckchen »Old Judge«. Wer weiß, was Zigarren und Tabak in Oesterreich Zoll kosten, welche Scherereien man hat, schon wenn man 100 Stück einführen will, der glaubt mir, daß der Mann seine 25 Goldgulden Zoll zahlen mußte und noch froh sein durfte, daß die Beamten seine beabsichtigte Täuschung von der scherzhaften Seite aufnahmen und lachten, was das Zeug hielt. Ich tröstete den Herrn mit der Bemerkung: »Ja, schaun’s, wie man’s macht, is net recht; jetzt warn’s so aufrichtig und hab’n do zahl’n müssen, und nu hab'ns a no den Schaden mit dem Billett bis Wien!« — Erschrocken sah er mich an und fragt: »Wie so denn, dös a no dazua?« — »Na natürli. Sie werd’n doch mit so a teure Zigarren jetzt net dritter Klasse fahr’n, da paßt ja so a feiner Raucher gar net mehr ’rein.« II. R. D. E. W. LEO NACHFOLGER LEIPZIG-PLAGWITZ 2005 Erstklassiges deutsches Erzeugnis. Fabrikation aller Sorten Stahlschreibfedern für den Bureau- und Schulbedarf [177829 Kurrentsehriftfedern, Rundsehriftfedern, Zeichenfedern Erste Sächsische Stahlfeder- und Federhalter-Fabrik Gegründet 1878 DEUTSCHE FLOTTEN-FEDER f y.T T rn MA PUP