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DAPIERVERARBEITUNG ä Buch Gewerbe eü Internationale Ausstellung für Buchbindekunst in Frankfurt a. Main Diese vom Mitteldeutschen Kunstgewerbe-Verein in mehreren Sälen des Kunstgewerbe-Museums veranstaltete bedeutende Ausstellung wurde am 19. März eröffnet. 120 Aussteller aus Deutschland, Oesterreich, Schweiz, Italien, Belgien, Frankreich und England haben sich mit ungefähr 250 Bänden daran beteiligt. Außerdem haben viele Museen und Bücherfreunde Liebhaberbände beigesteuert, und was so zusammengekommen ist, wird den Beifall des Laien wie des Kenners finden. Daß sich auch auf dem Gebiet der Buchbindekunst in den letzten Jahren ein großer Um schwung vollzogen hat, und daß sich namentlich unter den deutschen Buchbindern Künstler befinden, welche sich mit ihren Arbeiten erfolgreich sehen lassen können, wird man schon bei flüchtigem Rundgang durch die übersichtlich ein geteilte Ausstellung gewahr. Von der Vorführung der fabrikmäßig hergestellten Bücher hat man allem Anschein nach Abstand genommen, daher sind nur solche Buch einbände ausgestellt, welche individuelles Gepräge zeigen. Nur so ist es erklärlich, daß unsere deutschen Großbuch bindereien vollständig in der Ausstellung fehlen. Bei der Fülle des Gebotenen ist es nur möglich, ein zelne, besonders in die Augen fallende Arbeiten herauszu greifen und zu schildern. Beim Betreten der Ausstellung bemerken wir zuerst die geschmackvollen Einbände der »Wiener Werkstatt«. Zu beanstanden wäre auf einigen dieser Buchdeckel die sehr schwer zu entziffernde Schrift. Außerdem ist die Art der Ornamentierung auf mehreren Titeln nichtssagend und kind lich ausgefallen. Von weiteren österreichischen Ausstellern wären Zichlarz aus Wien und Spott aus Prag zu erwähnen, welche Proben eigenartiger Bucheinbände gesandt haben. Deutschland ist durch Paul Kersten, Berlin, am besten vertreten. An den Arbeiten dieses Künstlers erkennen wir das Streben, der Buchbindekunst neue Wege zu zeigen. Auch die Einbände der Handwerker- und Kunstgewerbe schule in Elberfeld zeichnen sich durch neuartige Orna mentierung aus. Sehr stark haben sich die Frankfurter Buchbinder an der Ausstellung beteiligt, und ihre Einbände, welche mehr die älteren Stilrichtungen pflegen, verdienen mit an erster Stelle genannt zu werden. Das Kaufhaus Oberpollinger in München hat einige hervorragend schöne, nach Entwürfen deutscher Künstler wie Prof. Olbrich, Cissarz, Bosselt, angefertigte Buchdeckel gesandt. Von deutschen Erzeugnissen wären noch die schönen Farben drucke von Rauch in Hamburg, Breidenbach in Kassel, die prächtigen Lederschnitt-Arbeiten von Pfan „r stiel in Weimar und Hulbe in Hamburg, die prunkvol n l’rachtadressen von Feigier in Karlsruhe und einige lrachtstücke von L. Bartsch sowie Schlemmer in Offenbach zu nennen. Ueberblicken wir die Leistungen der deutschen Aussteller insgesamt, so kann ruhig gesagt werden, daß Deutschland im Wettbewerb mit einigen anderen Ländern mit allen Ehren bestehen kann, zumal Italien, die Schweiz und Belgien mit nur wenigen, immerhin aber doch recht guten und eigenartigen Bucheinbänden vertreten sind. Doch sind die Erzeugnisse Frankreichs und Englands den deutschen Arbeiten um ein gutes Stück überlegen. Die Ausstellung ist von den besten Bucheinbandkünstlern dieser beiden Länder, zum Teil mit eigens für diesen Zweck gebundenen Büchern, beschickt. Wahre Kunstwerke in ihrer Art sind die Pariser Erzeugnisse. Charles Meunier hat eine Anzahl kostbarer Einbände (u. a. eine Faust-Ausgabe) aus gestellt, die allein einen Wert von 20000 Frank besitzen sollen. Die Arbeiten von Rene Kiefer, Blanchetiere, Antoinette Vallgren sind weitere Proben künstlerischer Bucheinbände. Eigenartig in jeder Hinsicht ist auch die englische Sevie, nur ist die Art der Ornamentierung der Buchdeckel wesentlich anders als bei den Franzosen. Diese verwenden mehr großzügigen Zierat, die englischen Künstler mehr glatte Linien und zarte Ornamente. In England wird auch die Buchbindekunst von vielen Damen ausgeübt, zahl reiche »Misses« haben sehr schöne Arbeiten gesandt. Neben den Bucheinbänden sind reiche Sammlungen künstlerischer Vorsatzpapiere ausgestellt. Auch hierbei haben sich viele Damen beteiligt, u. a. Frau Lilly Behrens, die Gattin von Prof. Peter Behrens. Hofrat Bartsch in Wien hat seine reiche und sehr schöne Sammlung bei gesteuert. A. Eulner in Bingen sandte eine kleine lehrreiche Vor führung der Entstehung eines Halbfranz-Einbandes. Die Ausstellung bietet somit eine Fülle des Sehens werten und gibt einen umfassenden Ueberblick über den Stand der Buchbindekunst vieler Länder. Der Laie kann sich ferner über die verschiedensten Arbeitsweisen: Leder schnitt, Lederpunzen, Leder-Mosaik und -Intarsia, Flach relief, Goldschnitt und Lederbemalung unterrichten. Das deutsche Buchbindergewerbe aber wird von der Ausstellung manchen Nutzen ziehen können. An Kräften, welche die rein technischen Seiten der Buchbindekunst bewältigen können, fehlt es in Deutschland nicht. Aber Verfeinerung des Geschmacks ist noch zu wünschen, und in dieser Be ziehung können namentlich die Pariser Arbeiten als vor bildlich bezeichnet werden. Um das Zustandekommen der Ausstellung hat sich der Direktor des Kunstgewerbemuseums Herr Dr. vonTrenkwald sehr verdient gemacht, und er darf 'des allgemeinen Dankes dafür sicher sein.kE. J. NeuzeitlichesBuchgewerbe Ueber dieses’Thema sprach’am 29. März" im Berliner;Buch gewerbesaal der Direktor des Deutschen Buchgewerbemuseums in Leipzig Herr Dr. E. Willrich unter Vorführung zahlreicher Drucke aus den verschiedenen Epochen der Druckkunst von der Zeit Gutenbergs bis in die letzten Jahrzehnte. Der Vortragende leitete seine Ausführungen ein mit einer Betrachtung über Kunst und Kunstgewerbe im allgemeinen, wo bei er darauf hinwies, daß unser Kunstempfinden anders sei als das des klassischen Altertums. Jede Zeit hat eine besondere Auffassung der Linie, und diese bildet den Stil; die Griechen empfanden anders als unsere Vorfahren zur Zeit der Gotik. Der gotische Stil kommt auch in den Erstlingswerken des Buch drucks zum Ausdruck, unser Buchgewerbe sucht noch nach einer künstlerischen Ausdrucksweise. Aber nicht durch Anleihen bei der hohen Kunst ist diese zu finden, sondern in sinngemäßer Verwendung der Elemente des Buches. Die Einheitlichkeit der Druckwerke ist in den Wiegendrucken, bei denen der Drucker sein eigener Schriftschneider, Gießer, Setzer, Drucker und Verleger war, am besten gewahrt. Mit der Einführung des Holzschnitts wurde die Sache schon schwieriger, bis nach einer Uebergangszeit die reine Schwarzweißwirkung auch hier zur Geltung kam. Die großen Künstler des Mittel alters, Dürer und Holbein, waren in der Illustration der Druck werke sehr zurückhaltend, erst ihre Nachfolger führten den Holz schnitt im allgemeinen als Illustrationsmittel ein. In jeder Kunstperiode hat der Wechsel des Geschmacks beim Ornament begonnen, weil er hier ohne großen Kosten zu bewerkstelligen war. So begann auch der moderne Stil im Buch gewerbe beim Ornament, und später erst wurden die neuen An schauungen auf die Schrift angewandt. Die Eckmann- und die Behrensschrift suchten die Frage, ob Antiqua oder Fraktur zu bevorzugen sei, durch eine Mittelstellung zu lösen, indessen lassen beide als sogenannte Pinselschriften den Federstrich, aus dem unsere Schrift hervorgegangen ist, vermissen. Die Schillersche Schrift, welche die Reichsdruckerei für den Katalog der deutschen Abteilung der Pariser Weltausstellung ver wandte, ist als ein Kompromiß zwischen Gotik und Antiqua anzusehen. Die vollkommenste Schöpfung aber ist die von Sattler für die Reichsdruckerei geschnittene Schrift, welche zu dem Nibelungenwerke benutzt wurde; eine besondere Zierde dieses Werkes bilden die etwa 600 Initialen, welche Sattler da;