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1168 PAPIER-ZEITUNG Nr. 28 machte Bücher. Der Buchbindermeister des Ortes ver klagte ihn wegen dieser Konkurrenz, trotzdem führte er diesen Nebenerwerb bis zu seinem 14. Lebensjahr weiter. Er sollte Musiker werden, wie sein Onkel, dieser sagte ihm aber immer: Junge, du kratzt ja! Mit 14 Jahren ging er von seiner Vaterstadt Ballenstedt i. H., wo sein Vater Nagelschmied war, zu Fuß nach Magdeburg und trat dort in die Lehre des Buchbindermeisters Sieg. Einmal hatte er als Lehrling ein schönes Notizbuch angefertigt und wollte dieses dem Meister zeigen. Er brach jedoch beim Eislauf ein, und das Notizbuch wurde aufgeweicht. Trotzdem über gab er es halbwegs in Ordnung gebracht dem Meister. Dieser merkte jedoch, was vorgegangen war, und gab ihm die Lehre, die er seitdem stets beherzigt hat: Es kommt nicht darauf an, wie eine Sache ausgesehen hat, sondern wie sie aussieht, wenn man sie abliefert. Als Geselle arbeitete er dann in Freiberg, wo er das Handvergolden gründlich erlernte, und kam dann nach Berlin, wo er im Handwerker-Verein sein Wissen erweiterte und insbesondere kaufmännische Kenntnisse erwarb, welche die Grundlage für die späteren Erfolge bildeten. Aber in diesem Verein fand er auch Freunde und rein menschliche Anregungen. Mit seinen engeren Fachgenossen, den Geschäftsbücher fabrikanten, und mit der Buchbinder-Innung sei er durch den Kleister verbunden, und in dem Kleister liege auch die Stärke. Er hebt nun das gute Verhältnis zwischen ihm und der Arbeiterschaft hervor, wovon die 5 bis 6 Jubilare zeugen, die über 25 Jahre dem Geschäft angehören, erwähnt dann, daß, als er seinerzeit das Geschäft mit Herrn Zumpe begründet habe, er darin mit nur 2 Mädchen arbeitete, und beschreibt, wie das Geschäft immer größer wurde. Schwere Zeiten blieben ihm nicht erspart. Er dankt allen denjenigen, welche ihm während seiner Laufbahn hilfreich zur Seite gestanden haben, und läßt die Gäste hoch leben. Sodann wurde als letzte Aufführung von 12 Damen und einem Herrn des Geschäfts das Singspiel »Ein Jubiläums traum« aufgeführt. Die Damen stellten teils Warenzeichen, teils Kalender und Geschäftsbücher dar und ernteten durch hübschen Gesang und anmutigen Tanz vielen Beifall. Jeder Gast erhielt als Andenken eine hübsche, mit dem Lichtbild des Jubilars verzierte Mappe, welche die Texte der vorgetragenen Dichtungen und zahlreiche photo graphische Aufnahmen der Aufführungen enthielt. Diese sind zum Teil auf Postkarten gedruckt und in zwei Exemplaren vorhanden. Außerdem erhielt jeder Herr eine Ledertasche mit guten Zigarren, jede Dame einen künstlichen, als Be leuchtungskörper ausgestalteten Blumentopf, der zum Schmuck der Tafel beitrug. Gegen 1 l 2 g Uhr wurde die Tafel aufgehoben, und es begann der Tanz, der mit Darbietungen der Gesangvereine abwechselte. Während die Jugend sich hier unterhielt, begab sich ein großer Teil der geladenen Gäste nach den im 2. Stock gelegenen Hochzeitssälen, wo Wein und Kaffee gereicht wurden. Der schöne Festtag wird den Teilnehmern noch lange in angenehmer Erinnerung bleiben. Alle Darbietungen waren so gelungen, sie zeugten von soviel Takt und Gemüt, wie es nur das Bemühen kindlicher Liebe zuwege bringen kann. Aus den Typographischen Gesellschaften Augsburg. Graphischer Klub. In der Versammlung am 27. März, welche sehr zahlreich besucht war, lag neben ver schiedenen Neuheiten auch eine Rundsendung des Verbandes der Typographischen Gesellschaften (gezeichnete Buchumschläge) auf. Eine lebhafte Aussprache bekundete das Interesse der Mitglieder an dieser Sendung, der auch eine Kritik mit auf den ferneren Weg gegeben wurde. In den von Herrn Sommer- München geleiteten Stunden für Linoleum- und Zelluloid-Schnitt sind die Mitglieder eifrig tätig. Die leicht faßliche und überaus praktische Methode sowie die erläuternden Vorträge bewähren sich als zweckentsprechend. Strafbare Ansichtskarten. Leider wird auf dem Gebiete der Ansichtskarten auch manches Geschmacklose und Schmutzige, selbst Unzüchtige erzeugt, sodaß die Polizei häufig eingreifen muß. Der Maler H. in Frankfurt a. M. fertigte Karten dieser Art an und verbreitete sie. Er wurde deshalb zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. CI. Ansichtskarten Vorfrühling, Flieder- und Baumblüte »Glauben Sie noch an eine Zukunft der Postkarte? Ihre Leistungsfähigkeit hat doch wohl den Höhepunkt erreicht.« Im vorigen Sommer wurde diese Frage in diesen Spalten aufgeworfen. Unterdes hat ein neues Jahr eingesetzt, der Postkartenmarkt ist reger denn je und liefert eine Fülle reizender Neuheiten, so daß jene Frage bejaht werden muß. Nachstehend seien einige der neuesten Erzeugnisse be schrieben. Vor mir liegen auf dem Wege der Photochromie her gestellte Bilder, aus dem Verlag von Nencke & Ostermeier, Dresden. Es scheint, als ob die Natur selbst hier den Pinsel geführt hat, so zart und duftig sind die Farben. Es ist Vor frühling. Ein Hauch der Verklärung liegt über der Land schaft, ein Aufatmen, eine Verheißung nach Winters Dunkel und Frostschauer. Die Erde hat die Schneelast abgeworfen, und einen zartgrünen Teppich über den weichen Boden ge breitet. Der Himmel zeigt oft einen ähnlichen Ton, öderer ist lichtblau. Sturmwolken ziehen darüber hin und erzeugen einen Wechsel der Stimmung. Und alle diese verschiedenen Stimmungen und Eindrücke geben die Landschaftsbilder auf das glücklichste wieder. Ein lyrischer Zug weht hindurch; alle Lieder, die wir in der Jugend gesungen haben, wachen auf. Da ist die Mühle. Es klappert das Rad, es rauscht der Bach. Kühl weht es unter den kahlen Birken, wir heben den Fuß zum Wandern, zum Wandern! Ueber die hellgrüne Wiese, der blauen Ferne zu. —■ Ein Dörfchen drängt sich an den Wegrand. Der Morgen steigt eben herauf, still ist es auf den Wegen, Dörfer und Morgenhimmel spiegeln sich im Weiher. — Und' wir wandern hinauf der Heimat des Baches zu, der langsam den Berg herabsickert. Wie feuchte Flecke von lichtem Himmelsblau liegt es zwischen den saft grünen, weich gerundeten Kuppen der Bergwiese. Eine kahle Weide, ein paar Obstbäume, die ihre leeren Aeste wie bittend gen Himmel strecken. Und da oben ein Haus mit geflicktem Strohdach, das Mensch und Vieh zugleich be herbergt. Eine Jahreszahl auf dem bretternen Giebel kündet, daß es in diesem Jahrhundert geboren. Darüber die Berge in zartem Violett und der Himmel, an dem eine Regenwolke aufzieht; wir glauben das feuchte Wehen zu,spüren. Es ist ein entzückendes Bildchen! Es wird Abend. Die Sonne gibt uns noch einen Farben schmaus, ehe sie niedergeht. Gelb, violett, grau, weiß, in dichten Massen und zarten Wölkchen. Das Violett empfängt der Wald, das Gelb der Bach, der wie ein Goldstrom durch das Abenddunkel zieht. — Und dort wieder eine Mühle! Sie steht wohl nahe dem Geburtshaus des Baches. Ein weißes Schaumband hängt zwischen den dunklen Rad speichen. Das Gelb des Abends verlischt. — Und da stehen wir am Ziel unserer Wanderung! Dunkel liegt auf den Dächern, auf dem Wirtshaus am Wege. Auf dem abschüssigen Ufer des eingezäunten Teiches lagert noch Schnee. Die Regenwolken verziehen sich, der blaue Himmel dringt durch, hinter den Dächern ein gelbes Verdämmern. »Der Abend sinkt leise hernieder!« Aus einigen Bildern früherer Periode redet die Stimmung des Vorfrühlings ebenso wirkungsvoll zu uns: Es sind einige Dreifarbendrucke, deren Originale durch direkte Farben photographie nach dem Verfahren des Professors Miethe gewonnen wurden, aus dem Verlag der Rotophot-Gesell schaft in Berlin. Ein breiter Landweg, in der braunen Erde Wagenspuren. Wie riesige Besen stehen die Weiden am Wege; schlanke, hohe Bäume im Hintergründe, die ihre leicht gefärbten Aeste mit der Farbe des Himmels mischen. Die Sonne scheint so warm, zeichnet so scharfe Schatten über das warme Braun des Weges, daß man die Hülle von sich werfen möchte. — Aber das Aprilwetter mahnt zur Vorsicht. Ein feuchter Erdgeruch steigt aus dem Plänter- wald. Lichtgrüne Schleier wehen von den weißstämmigen Birken, die sich in dem Wasser wiederholen. Waren es bisher Wanderlieder, die uns begleiteten, so sind es jetzt Heimatsklänge, die uns freudig und wehmütig zugleich stimmen. Die folgende Serie, wieder Photochromie, feiert die Farben des Frühlings. »Traute Heimat meiner Lieben« tönt es mit dem Sang der Nachtigallen aus den Fliederbüschen. In weißen, blauen und rötlichen Farben wolken zieht es den Zaun entlang, an dem jede Planke sicht-