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2074 PAPIER-ZEITUNG Nr. 50 Versammlung beschlossen, weitere Erhöhungen zu fordern, diese Forderungen durch den Sekretär des Verbandes einzureichen, und wenn die Forderung abgelehnt würde, gemeinsam zu kündigen. Aus diesem Vorgehen ersehe ich zu meinem großen Bedauern, daß ein Teil meiner Arbeiter den Weg einer gütlichen Ver ständigung verlassen hat, und daß die Einwirkung der außen stehenden Organisation das seit Menschenaltern in der Firma bestehende friedliche Zusammenarbeiten zu zerstören droht. Um die Firma vor dieser Gefahr zu bewahren, sehe ich mich veranlaßt, diejenigen Arbeiter, von denen mir bekannt ist, daß sie die Agitation in die Betriebe hineingetragen haben, zu entlassen. Die Kündigungen erfolgen heute. Die betreffenden Arbeiter werden sofort von der Arbeit entlassen. Die Zahlung des rück ständigen Lohnes erfolgt zum Teil am nächsten Zahltag, zum anderen Teil nach Ablauf der 14 tägigen Kündigungsfrist. An die übrigen Arbeiter richte ich die ernste Aufforderung, ihre Arbeit ruhig fortzusetzen. Wer seine Arbeit ohne Einhaltung der Kündigung aufgibt, erleidet die in der Arbeitsordnung vor gesehenen Abzüge an seinem Lohne. Sind wegen Kündigung seitens der Arbeiter Neueinstellungen nötig, so werden diese späterhin in keinem Falle rückgängig gemacht. "Berg.-Gladbach, den 13. Juni 1906. J. W. Zanders. Daß diese verständige Ermahnung nicht die gewünschte Wirkung hatte, geht aus folgender zweiter Zuschrift hervor: An meine Arbeiter! Die von etwa 270 meiner Arbeiter (etwa 1000) besuchte Versammlung vom 14. Juni hat folgende »Forderungen« gestellt: 1. Sämtliche Gemaßregelten werden wieder eingestellt. 2. Einführung der rostündigen Arbeitszeit unter I1/2stün- diger Mittags-, je 1/4 Stunde .Frühstücks- und Vesper pause, zusammen 12 Stunden. 3. Reglung der Lohnverhältnisse. 4. Für Ueberarbeit 25 v. H. und für Sonntagsarbeit 50 v. H. Lohnerhöhung. 5. Anerkennung der Organisation. 6. Sämtliche Verhandlungen mit der Firma"'führt eine von der Organisation zu wählende Kommission unter dem Vorsitze eines Gewerkschaftsbeamten. Da ich, wie ich schon wiederholt bekannt gegeben habe, ein Verhandeln mit der von Arbeitersekretären geführten Kom mission ablehne und sie für zuständig zur Ueberbringung meiner Antwort an die Arbeiterschaft nicht erachten kann, will ich in folgendem meine Stellung zu den »Forderungen« bekunden: Forderung 1: Sämtliche Gemaßregelten werden wieder ein gestellt. Die‘Gründe für die Maßreglung habe ich in meiner Bekannt machung vom 13. Juni ausgeführt und rate den entlassenen Arbeitern, sich gleich nach anderer Arbeit umzusehen, da ich meinen Entschluß nicht ändern werde. Forderung 2: Einführung der tostündigen Arbeitszeit unter i’/ 2 stündiger Mittags-, je 1/4 Stunde Frühstücks- und Vesper pause, zusammen 12 Stunden. Eine Verlängerung der Mittagspause halte ich nicht dem Interesse zahlreicher Arbeiter entsprechend. Die Sortiererinnen von Lumpen nnd Papier können bei Tageslicht weit schneller und besser arbeiten als bei künstlicher Beleuchtung. Es ist von Vorteil, besonders für die entfernt wohnenden Mädchen, den Tag auszunutzen und abends früher nach Hause zu gehen. Forderung 3: Reglung der Lohnverhältnisse. In den Versammlungen sind über die Lohnverhältnisse der Sortiererinnen falsche Angaben gemacht worden. Tatsächlich haben verdient im Monat Mai Arbeiterinnen, die an keinem Tage wie immer Berücksichtigung suche um Lohnerhöhung werden finden. den bis- er- gefehlt haben (ohne die Aufseherinnen): Bei neuen seit dem r. mit Juni bestehenden Akkordsätzen auch bei her ungünstigen Sorten die höchsten Durchschnittslöhne reichen können. Die Reglung der Löhne fast sämtlicher Arbeiter ist im Laufe des Frühjahrs erfolgt. Begründete Ge 37 40 M. » 50 I Pf. » bis » 40 42 M. » 50 Pf. 6 „ 1 Sortiererinnen » 42 » 51 » » 45 » — » 2 » 45 V I » » 47 » 50 » 11 » 47 » 51 » » 5° » — » 30 » 50 I » » 52 » 50 „ 21 » 52 » 51 » » 55 » —- „ 6 » 55 » I » » 57 » 50 » 1 » 57 n 51 » » 60 » — » 1 » fleißig er Arbeit werden die Sortiererinnen Forderung 4: Für Ueberarbeit 25 v. H. und für Sonntags arbeit 50 v. H. Lohnerhöhung. Ueberarbeit kommt, da die Mehrzahl der Betriebe in Wechselschicht arbeitet, nur in vereinzelten Betrieben und meist nur da vor, wo Akkordlohn besteht. Für Sonntagsarbeit wird schon seit vielen Jahren ein Auf schlag von 50 v. H. gezahlt. Die Forderungen zeigen, daß es nicht Wünsche meiner Arbeiter sind, die die Kommission vorbringen soll, sondern daß Außenstehende, denen die Verhältnisse meines Betriebes nicht bekannt sind, das Wort führen. Forderung 5: Anerkennung der Organisation. Ich stelle fest, daß die von der Organisation in die Arbeiter schaft hineingetragene Beunruhigung zu so schlechten Arbeits resultaten geführt hat, wie sie seit Jahren nicht zu verzeichnen waren. Diese. Tatsache allein zwingt mich, mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln darauf hinzuwirken, daß Beruhigung unter meiner Arbeiterschaft eintritt. Obwohl ich also die Wirkung der Organisation in meiner Arbeiterschaft als schädlich ansehe, betone ich nochmals, daß die Entlassung der Arbeiter nicht wegen ihrer Zugehörigkeit zur Organisation, sondern wegen ihrer agitatorischen Tätigkeit in meinem Betrieb erfolgt ist. Forderung 6: Sämtliche Verhandlungen mit der Firma führt eine von der Organisation zu wählende Kommission unter dem Vorsitz eines Gewerkschaftsbeamten. Zur Verhandlung mit meiner Arbeiterschaft bin ich jeder zeit bereit, sobald dieser Wunsch direkt, durch die Vorgesetzten oder den Arbeiterausschuß zu meiner Kenntnis gelangt. Ebenso wie jeder Arbeiter von jeher seine Wünsche und Beschwerden meinen Teilhabern vorzutragen gewohnt war, werde ich jede Abordnung meiner Arbeiter, die für einzelne Betriebe oder für die Gesamtheit eine Besprechung ordnungsmäßig nachsucht, empfangen und ihr Gelegenheit geben, die Wünsche vorzu tragen. Dagegen lehne ich Verhandlungen mit Kommissionen, denen ein Gewerkschaftsbeamter angehört, grundsätzlich ab. Sollten Massenkündigungen eingereicht werden, so werde ich den Betrieb so weit wie möglich aufrecht erhalten. • Arbeiter, die sich an dieser gemeinsamen Kündigung be teiligen, haben erst nach Ablauf einer Frist von einem Monat Aussicht, wieder angestellt zu werden. Ich behalte mir vor, einzelne Arbeiter, welche gekündigt haben, von der Arbeit auszuschließen! Arbeitswillige Arbeiter, denen ich wegen der Betriebs einschränkung kündigen muß, erhalten nach meinem Ermessen ein Wartegeld in Höhe des Krankengeldes. Bergisch-Gladbach, 16. Juni 1906. J. W. Zanders Infolge der letzten Bekanntmachung vom 16. Juni fand am 17. Juni wieder eine Versammlung von Arbeitern statt, die eine Abordnung von 8 Mann an die Fabrikleitung sandte. Die Abordnung verlangte am 19. Juni Wieder einstellung der entlassenen Arbeiter. Ihr Verlangen wurde jedoch im Einklang mit obigen Erklärungen abgelehnt. Aus den von der Organisation gestellten Bedingungen ist, wie die Firma richtig sagt, klar erkennbar, daß die For derungen von Leuten aufgestellt sind, welche die Betriebs- erfordernisse einer Papierfabrik garnicht kennen. Es ist deshalb zu hoffen, daß die irregeleiteten Leute den ge machten Fehler einsehen, und das langjährige, für alle Beteiligten segensreiche, patriarchalische Verhältnis wieder zu voller Geltung gelangt. Papiermacher-Berufsgenossenschaft Sektion I: Bayern (ohne die Pfalz) Die Sektion hielt am 31. Mai in München ihre ordentliche Generalversammlung unter Leitung des Vorsitzenden Herrn Dr. Haerlin, Gauting, ab. Der vom Vorstande erstattete Ge schäftsbericht läßt ersehen, daß die Sektion im Berichtsjahre 108 Betriebe (110 im Vorjahr) mit 6834 (6402) versicherten Per sonen zählte. Die Summe der nachgewiesenen Löhne betrug 5269641 (5101533) M. An Entschädigungen wurden seitens der Sektion 93364 M. 87 Pf. (87 747 M. 88 Pf.) verausgabt, somit ist eine Steigerung von 6,4 v. H. zu verzeichnen. Die Zahl der Unfall anzeigen ist von 412 im Vorjahre auf 439 gestiegen. Für Kosten der Betriebsbesichtigungen (Unfallverhütung) wurden 666 M. 43 Pf., für Kosten der Unfalluntersuchungen, Entschädigungsfestsetzungen 1843 M. 5 Pf. ausgegeben, während die eigentlichen Verwaltungs kosten 5168 M. 5 Pf. betrugen. Die Sektion zählte 576 Renten empfänger und zwar 503 Invaliden, 27 Witwen, 43 Waisen und 3 Eltern von Verletzten. Der auf die Sektion entfallende Anteil der Gesamtbelastung betrug 123093 M. 27 Pf., d. i. 18 M. 1 Pf. auf den Kopf der versicherten Person. Nach Genehmigung der Rechnung wurde der Voranschlag der Verwaltungskosten für das Jahr 1907 einschließlich der Kosten für Besichtigungen der Betriebe und Entschädigungs festsetzungen mit 10162 M. festgesetzt. Die ausscheidenden Mit glieder des Sektionsvorstandes sowie die Ersatzmänner wurden wiedergewählt, ebenso die bisherigen Delegierten zur Genossen schaftsversammlung und die Rechnungsrevisoren. Als Ort der nächsten ordentlichen Generalversammlung wurde Regensburg bestimmt.