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PAPIER-ZEITUNG 1323 Baierns Buchdruck-Gewerbe in 1897 Laut dem vom Vorstand des Kreises V (Baiern) des Deutschen Buchdrucker-Vereins der Münchener Handelskammer erstatteten Bericht war das Buchdruckgewerbe gut beschäftigt. Dies hat auf die Durchführung und Verallgemeinerung des deutschen Buchdrucker-Tarifs günstig gewirkt, und letzterer war von guter Wirkung auf die Preise eines Theils der Druck arbeiten. Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist es durch ihre beider seitigen Organisationen im Jahre 1896 gelungen, einen einheit lichen Lohntarif für das ganze Deutsche Reich herzustellen und denselben so zu gestalten, dass den örtlichen Verhältnissen Rechnung getragen wird. Aufgabe der beiden Parteien, welche den Tarif vereinbart haben, war es nun, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Tarif, dessen letzte Ausgabe mit 1. Juli 1896 in Kraft trat, möglichst allgemeine Verbreitung gewinnt. Beide Parteien haben sich ernstlich bemüht, dem neuen Tarif in möglichst vielen Betrieben Eingang zu verschaffen. Ordnung, Ruhe und Stetigkeit im Gewerbe sind die von beiden Seiten geschätzten Früchte des Tarifs. Bei den Tarif-Vereinbarungen in 1886 gelang es nur bei 1083 Firmen in 327 Orten des Reiches den Tarif zur Einführung zu bringen, und der im Jahre 1890 vereinbarte Tarif wurde gar nur von 1017 Firmen in 274 Orten eingeführt. Dagegen ist der Tarif vom 1. Juli 1896 bis Ende 1897 von rund 1900 Firmen in 591 Orten anerkannt und eingeführt worden. Allerdings be stehen zur Zeit im Deutschen Reiche in 1822 Orten 4927 Buch druckereien, aber das Bild ändert sich sofort, wenn man die Zahl der Buchdruckergehilfen in Betracht zieht, welchen die Wohlthaten des neuen Tarifs zugute kommen. Im Deutschen Reich dürften etwa 36000 Buchdruckergehilfen (Setzer und Maschinenmeister) beschäftigt sein, und jene 1900 Firmen, welche bis 1. Januar 1898 den neuen Tarif bei sieh eingeführt hatten, beschäftigten nach einer ziemlich zuverlässigen Schätzung rund 24000 Gehilfen. Etwa 2500 Druckereien im Deutschen Reich beschäftigen gar keine Gehilfen. Der vereinbarte Tarif regelt nicht bloss die Lohn- und Arbeitszeit-Verhältnisse, sondern beschränkt auch die Zahl der Lehrlinge. Auf Grund des Tarifs wurden in allen grösseren Druckorten Tarif-Schiedsgerichte errichtet, welche Streitigkeiten über Auslegung des Tarifs in erster Instanz verhandeln und meist zum Ausgleich bringen. Solche Tarif-Schiedsgerichte be stehen in München, Augsburg und Nürnberg. Berufung gegen die Erkenntnisse derselben kann beim Tarifamt in Berlin oder beim Tarifausschuss, welcher aus Delegirten aus dem ganzen Reiche zusammengesetzt ist, eingelegt werden. Diese Ein richtungen bewähren sich vortrefflich, und die Gewerbegerichte sind dadurch nicht unwesentlich entlastet worden. Die Vertretung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer des Buchdruckgewerbes in Baiern richtete im Sommer 1897 an sämmtliche Kgl. Staatsministerien, Kreisregierungen und sonstige hoho Staatsämter, sowie an die Magistrate von 19 grösseren Städten in Baiern eine Eingabe mit der Bitte, es möchten amt liche Drucksachen nur an jene Firmen vergeben werden, welche den Tarif anerkannt haben. Das Ergebniss dieser Eingabe war bisher kläglich, denn die wenigen Antworten, die eingelaufen sind, verhalten sich entweder ablehnend, oder verweisen auf die Staatsministerien, welche sich jedoch bis Ende 1897 nicht geäussert haben. In dieser Beziehung sind die tariftreuen Buchdrucker in Sachsen günstiger daran, denn das sächsische Gesammt- Ministerium hat erklärt, dass es den Wünschen der Buch drucker-Organe nach Möglichkeit entgegenzukommen nicht ab geneigt sei, und liess 552 Exemplare des Tarif-Verzeichnisses kommen, woraus man schliessen kann, dass eine entsprechende Zahl von Kgl. Behörden und Aemtern die Weisung erhalten bat, amtliche Druckarbeiten nur an die in jenem Verzeichniss aufgeführten tariftreuen Druckereien zu vergeben. Der Rath der Stadt Leipzig ist den Wünschen der tariftreuen Buch druckereien ebenfalls entgegengekommen und hat amtlich be stätigt, dass er mit der Ausführung dieses Beschlusses gute Erfahrungen gemacht hat. Es wäre gerechtfertigt, wenn man einem Gewerbe, welches früher durch zahlreiche hartnäckige Lohnkämpfe heimgesucht war und aus eigener Kraft auf dem Wege der Vereinbarung friedliche Verhältnisse bei sich ein end durchgeführt hat, amtlicherseits zu Hilfe käme. Allerdings muss zunächst der Grundsatz, wonach bei Verdingungen dem niedrigsten Angebot der Zuschlag ertheilt wird, fallen, dagegen sollte aus den eingelaufenen Angeboten der Durchschnitt fest gestellt und der Zuschlag demjenigen ertheilt werden, welcher zunächst unter diesem Durchschnitt angeboten hat. Mit Schluss des Jahres 1897 haben in München die ersten Setz-Maschinen ihren Einzug gehalten, und auch in Nürnberg sind solche in Betrieb gesetzt worden. Die Verbreitung dieser Maschinen vollzieht sich im Deutschen Reich ziemlich langsam, weil, wenn auch mehrere der bestehenden Setz-Maschinen* Systeme als durchaus gut bezeichnet werden können, doch immer noch neue Erfindungen in dieser Richtung an den Tag treten, und infolgedessen die Betriebsunternehmer zuwartende Stellung einnehmen. Der raschen und allgemeinen Einführung dieser Maschinen steht aber auch bei uns noch das Hinderniss entgegen, dass wir mit verschiedenen Schrift-Charakteren ar beiten müssen, und dass das Format der Zeitungen, Zeitschriften und Bücher ungemein mannigfaltig ist, während in England und Amerika, woselbst die Setzmaschine schon sehr grosse Verbreitung erlangt hat, stets nur ein Schrift-Charakter und zwar vorwiegend in einer Grösse, sowie ganz genau überein stimmendes Format bei den verschiedensten Unternehmungen üblich ist. Dass die Setzmaschine in den nächsten Jahren weitgehende Verbreitung auch bei uns finden wird, ist nicht zu bezweifeln, und es ist gut, wenn die Einführung sich langsam vollzieht, damit nicht plötzlich eine grössere Zahl von Arbeitnehmern brotlos wird. Die Aussichten für das Buchdruckgewebe in 1898 sind günstig. Theilung zusammengesetzter Worte Zur Erzielung einheitlichen Satzes stellte eine Berliner Verlagshandlung folgende Regeln auf: In der Zeile erfolgt Theilung durch Bindestrich 1. wenn das eine Wort Fremdwort ist, 2. wenn das zusammengesetzte Wort zu lang wird, 3. wenn es sich schwer aussprechen lässt, 4. wenn es je nach Trennung verschiedenen Sinn ergiebt. Worte, die nach diesen Regeln in Eins verbunden gesetzt werden, d. h. in einem Wort ohne Bindestrich, werden auch bei Trennung am Ende der Zeile als ein Wort behandelt, d. h. das in die nächste Zeile kommende Theilwort erhält keinen grossen Anfangsbuchstaben, selbst wenn es ein selbständiges Haupt wort ist. Also: Hand rad, aber Gauffrir- Walze. F. Ein werthvolles altes Gebetbuch In der sogenannten Fenitzer-Dilherrschen Bibliothek zu St. Lorenz in Nürnberg fand Hans Stegmann ein Exemplar des »Betbüchlins, mit dem Calender vnd Passional, auffs new corrigiert vnd gemehret« von Doctor Martin Luther, aus dem Jahre 1542. Schon der um 41 Jahre spätere, reizvolle Einband des Büchleins fällt auf: die Holzdeckel, sowie der pergamentene Rücken und die aus starkem Bindfaden gobelinartig gewirkten Bünde sind oder waren einst — denn die Zeit hat hier manchen Schaden angerichtet — mit schwarzem Leinen überzogen; Eck- und Mittelbeschlag und die Heften für die Schliessen sind aus vergoldetem Silber und mit Gravirungen, Eck- und Mittel beschlag auch durch hübsch gearbeitete erhabene Rosetten sehr geschmackvoll verziert. Die runden Mittelschilder weisen jederseits die Jahreszahl 1583 und nach oben wie nach unten gerichtet je ein Schildchen mit der Hausmarke des späteren Besitzers, die sich vorzugsweise aus N und F zusammensetzt, auf. Von den Schliessen ist nur noch eine vorhanden, und auch diese macht mit ihrer besser erhaltenen Vergoldung und weniger ansprechenden Gravirung den Eindruck, als ob sie später ergänzt worden sei und etwa erst dem 18. Jahrhundert ent stamme. Dagegen stimmt der Goldschnitt mit seiner einfachen aber hübschen, durch Stempel oder Punzen bewirkten Musterung mit Bogenlinien, kleinen Rosetten, Punkten usw. sehr gefällig zum Ganzen. Mehr noch als das anziehende Aeussere des Buches über rascht sein Inhalt, und zwar nicht sowohl derjenige des be kannten Lutherschen »Betbüchlins« oder des Passionals mit seinen theilweise aus Albrecht Dürers kleiner Holzschnitt- Passion entlehnten Holzschnitten, als der Inhalt der beiden Schutzblätter unmittelbar vor und unmittelbar hinter dem ge druckten Büchlein. Das erste dieser vier Blätter hat nämlich Johann Bugenhagen, das zweite Caspar Cruciger, das dritte und vierte Philipp Melanchthon eigenhändig mit einem Bibel spruch und einer kurzen Auslegung desselben beschrieben.