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Nr. 34 «© 9, Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck * * * *** Buchhandel * * * Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung 1246 N Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme Deutsche Bucheinbände der Neuzeit Von E. Grosse Fortsetzung zu Nr. 30 III. Plakatstil und Symbolik Ne'ben den Buchdecken, die in historischen Stilarten ent worfen waren, liefen schon seit Jahrzehnten in der deutschen Deckenzier Entwürfe einher, die malerische Wirkung anstrebten, theils den Inhalt zart symbolisirten, theils mit gröberen Mitteln wirkten, oft sogar Reklamezwecken dienten. Letztere Gattung hat man, weil sie sich innig an die Plakatkunst anlehnt, mit dem Namen Plakatdecken bezeichnet. Der Plakatstil führte in den achtziger Jahren oft zu heillosen Geschmacksverirrungen. Man versah damals die Buchdecken mit förmlichen Farben druckgemälden, oft Illustrationen aus dem Buchinhalt dar stellend, oder beging sonstige grobe Missgriffe. Diese Richtung ist jetzt zum guten Theil überwunden, die Jugendrichtung, die überall wohlthätig einwirkte, trug auch viel zur Beseitigung der Deckel - Illustrationen bei. Die Verzierungsgattung des Plakatstils sowie auch die zartere, oft wahrhaft sinnige der symbolischen Ausdrucksweise machte in den letzten Jahren eine ähnliche Wandlung durch, wie die geschichtliche Dekoration. Diese Wandlung ist auch an den Buchdecken der Leipziger Buchbinderei-Aktiengesellschaft deutlich nachweisbar. Bild 13 ist die Decke zu Liliencron, Adjutantenritte. Diese Decke, auf braun Leinen mit Gold, schwarz und zwei Farben gedruckt, zeigt in ihrer eigenartigen Anordnung noch ziemlich schwere Formen, die offenbar unter dem Einfluss geschicht licher Stilarten entstanden sind. Oben steht in einem Viereck der Titel, von unten wächst eine stilisirte Lilie aus der linken Ecke nach oben, hinter ihr bemerkt man ein Füllhorn, das seine Gaben spendet. Um die Mitte des Lilienzweiges sitzt eine Krone. Man wird nicht fehlgehen, wenn man die Lilie und die Krone zu dem Verfassernamen Liliencron vereinigt, während man von dem Füllhorn annehmen kann, dass es die Spenden darstellt, „die der’] Verfasser an Geisteswerth"austheilt. Bild 13 Bild 14 Diese Symbolik bezieht sich also auf den Verfasser, weniger auf den Inhalt des Buches. Da aber letzterer aus der Seele des Verfassers floss, so kann man die symbolische Ornamentik auch auf diese Weise deuten. Sinniger ist die Ornamentik auf Decke 14, Tiroler Dorf geschichten. Alpenblumen, Jagdstutzen und Tirolerhut sowie das unten befindliche heilige Wegebild verrathen, dass wir im Buche mit dem urwüchsig - kräftigen, dabei aber kindlich gläubigen Tiroler Bergvolke Bekanntschaft machen werden. So sinnig indessen der Entwurf ist, er verräth, dass er einer älteren Schule angehört, welche noch keine sicheren Grenzen zog zwischen Buch-Illustration und Buchdeckel-Ornament. Das Wegebild ist in voller, malerischer Wirkung dargestellt, mit allen Schattenvertiefungen, genau wie es auf einer Photographie aussehen würde. Als Buch-Illustration dürfte es sich trefflich eignen, als Deckel-Dekoration ist es nach unserer heutigen Auffassung weniger geeignet als die Ornamente auf Decke 13. Nehmen wir nach diesen älteren Decken die später ent standenen Buchdecken 15 und 16 derselben Firma zur Hand, so sehen wir, dass eine Wandlung vor sich geht, und die Bild 15 Bild 16 malerische Darstellung der sinnbildlichen Dekoration weicht. In Decke 15, Der tolle Spielmann, verweist die Geige sinn bildlich auf den Inhalt des Buches; allein die Geige ist nicht mehr so auffallend dargestellt, wie in Bild 14 das Wegebild, sondern sie hängt zurückhaltend zwischen Pflanzenzweigen, die den breitesten Raum der Dekoration einnehmen. Noch weniger vordringlich, zudem mit der Ornamentschrift innig verbunden, tritt die Symbolik in der jüngeren Decke 16 auf. »Duell und Ehre« — wie treffend und sinnig sind diese Begriffe symbolisirt! Oben durch das Kreuz im Initial D und durch das mahnende fünfte Gebot, der Widerspruch zwischen Christenthum und Zweikampf, unten durch den Ritterhelm und das Schwert, die stahlkalten, ehernen Gesetze der gesellschaft lichen Ehre. Der Gesammtentwurf mit seinen gothischen Initialen macht, so überaus einfach er ist, einen tiefernsten, ergreifenden Eindruck, und dem entwerfenden Künstler ist es vorzüglich gelungen, mit den einfachsten Mitteln durchschlagende Wirkung zu erzielen. Diese wird noch gehoben durch die schöne Ausführung in vier Farben auf blauem Leinengrund. Eine Buchdecke, welche Form und Farbengebung der lithographirten Plakate nachahmt, und zwar mit so grossem Geschick, dass man von einem Kunstwerk des buchbinderischen Farbendrucks sprechen kann, ist Decke 17, die in 8 Farben, sowie Schwarz und Gold auf taubenblaue Leinewand gedruckt ist und in seiner Farbenwirkung an Oelgemälde erinnert. Der Entwurf stammt nicht aus der Kunstwerkstätte der Leipziger Buchbinderei-Aktiengesellschaft, sondern rührt vom Illustrator des Buches her und lässt auch dessen Hand erkennen, denn er ist mehr Illustration als Dekoration. Die Ausführung in reichem Farbendruck erregt die Bewunderung des Kenners und macht der Leipziger Firma Ehre. Vergleichen wir mit dieser Deckel-Illustration den Entwurf der Decke Bild 18, der aus dem Atelier der Leipziger Aktien gesellschaft stammt, so sehen wir den gewaltigen Unterschied, der zwischen Illustration und Decken - Ornamentik besteht. Auch Decke 18 ist im Plakatstil, oder wenn man will, im symbolisirenden Ornament ausgeführt, allein die Wirkung ist