Suche löschen...
Erzgebirgischer Volksfreund : 30.09.1943
- Erscheinungsdatum
- 1943-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-194309307
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19430930
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19430930
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1943
-
Monat
1943-09
- Tag 1943-09-30
-
Monat
1943-09
-
Jahr
1943
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 30.09.1943
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Italiens nationaler Seit wann gibt es ein italienisches Dott? Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten wie beim deutschen. Nach dem Untergang des Weströmischen Michs war die Bevölke. rungsgrundlage die Nachkommenschaft der Stämme, die unter der Herrschaft Noms zu einem lateinischen Volkstum zusam mengewachsen waren. In Unteritalien und auf Sizilien war ein starkes griechisches Element, in Oberitalien waren kräftige Keltenstämme eingeschmolzen. Nicht unterschätzt werden darf auch die freiwillige oder gezwungene Zuwanderung —>man denke an die massenhafte Sklaveneinfuhr — aus den Pro vinzen des Reichs. Die Völkerwanderung brachte nacheinander Heruler, Goten, Langobarden. Die letzteren wirkten am stärksten. Noch iin 10. und 11. Jahrhundert war unter dem Adel Oberitaliens die langobavdische Sprache nicht ausgestorben. Langobardische Namen begegnen noch bis tief ins Mittelalter. Papst Gregor VII., ein Italiener, hieß Hildebrand, in Dante Alighieri steckt der Langobardenname Aligern. Das Normannenreich von Sizilien und Neapel, das durch die Heirat von Barbarossas Sohn, Heinrich VI., an die Hohenstaufen kam, kann kaum als national-italienisch angesehen werden. Die Anjous, die es den Stapfern entrissen, waren Franzosen; in der Folge wurden Spanier, Aragonesen, die Herren von Unteritalien. In Mittel, und Oberitalien konnte sich zuerst der Papst Innozenz III. gegen das Kaisertum auf ein allmählich er wachtes italienisches Nationalgefühl stützen. Die lombardischen Städte fühlten national-italienisch. Bedeutsam war, daß um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert durch Dante aus der toscanischen Mundart eine allgemeine italienische Litera tursprache geschaffen wurde. Dante gab den Italienern das selbe, wie Luther mit seiner Bibelübersetzung den Deutschen. Vom Untergang des Ostgotenreichs bis auf den Einmarsch der Truppen Victor Emanuels in das päpstliche Rom durch die Bresche neben der Porta Pia, 1870, — das sind fast anderthalb Jahrtausende — war Italien dauernd in eine Menge von Herrschaften zersplittert, von denen die meisten von Fremden regiert wurden. Auch der päpstliche Kirchenstaat,; der die ganze Mitte der Halbinsel einnahm, war als Staat dem national-italienischen Gedanken entgegengesetzt. Napoleon I. rief ein „Königreich Italien" ins Leben, aber dieses umfaßte kaum ditz Hälfte des italienischen Bodens; in Neapel und Sizilien regierte Napoleons Schwager Joachim Murat, ein Armenier von Geburt. Der Wiener Kongreß endlich, 1818, schuf von neuem eine bunte Musterkarte von Ländern und Dynastien. Das Königreich Sardinien unter dem Hause Savoyen war ein oberitalienischer Mittelstaat, die Lombardei und Venetien waren österreichische Provinzen, Toscana eine habsburgische Herrschaft, der Kirchenstaat päpst lich, Neapel und Sizilien bourbonisch; dazu kam noch ein Dutzend Kleinfürstentümer. Aus diesem politischen Sammelsurium wurde der natio nal-italienische Gedanke geboren. Der Geheimbund der Lar- bonari, der „Köhler", schrieb ihn auf seine Fahne. Napoleon III. versprach ihnen seine Hilfe, und als er zu lange damit zögerte, wurde er durch das Bombenattentat Orsinis in Paris daran gemahnt. Das Königreich Sardinien unter seinem leitenden Staatsmann Cavour nahm die Aufgabe der Eini gung Italiens auf sich und schloß sich dazu eng an Frankreich an. Das entscheidende Hindernis für die Einigung war Oester reich mit seinem italienischen Besitz. Die Neujahrsansprache Napoleons 1889 an den österreichischen Botschafter war der Vorbote der Kriegserklärung Frankreichs an Oesterreich im Bunde mit Victor Emanuel II., dessen Vater Karl Albert den verfrühten Versuch, Oesterreich aus Oberitälien zu verdrängen, 1849 mit der Niederlage von Eustozza und dem Thronverzicht hatte bezahlen müssen. Zehn Jahre später verlor Oesterreich die Schlachten bei Magenta und Solferino gegen Napoleon und mußte die Lom bardei hergeben. Garibaldis Landung auf Sizilien führte rasch zum Zusammenbruch der Boubonenherrschaft in Unteritalien. Der Kirchenstaat siel auseinander, die kleinen Fürsten in Mittelitalien mußten fliehen, nur ein Restgebiet um Rom, das „Patrimonium Petri", wurde durch französische Truppen auf kurze Zeit für den Papst gerettet. 1870 mußte Napoleon Weg. die Besatzung von Nom abrufen. Es gab nun ein Königreich Italien, aber es hatte nur durch französische Hilfe geschaffen werden können. 1866 wollte Italien den preußisch-österrei chischen Krieg zum Erwerb Venetiens benutzen. Es wurde zu Lande und zu Wasser von den Oesterreichern geschlagen, aber am Ende mußte Kaiser Franz Joseph doch Venetien hergeben. Preußens Sieg hatte Italien dazu verhalfen. So war die staatliche Einigung Italiens Tatsache gewor den, aber man konnte sagen, es habe seine Rechnung mit der Geschichte insofern noch nicht beglichen, als es nicht, wie Deutschland, aus eigener Kraft, sondern durch fremde Hilfe z^r Einigung gelaligt war. Der Eintritt in den Dreibund gab ihm eine jahrzehntelange Rückenstärkung. Eine Zeit lang, damals als der deutsche Kronprinz, der spätere Kaiser Fried rich III., mit dem jetzigen italienischen König als kleinem Buben auf dein Arm, zwischen König Umberto und Königin Margherita auf dem Balkon des Königsschlosscs vor einer jubelnden Menge stand, war auch im Volk ein Gefühl dafür vorhanden. Es wurde zerstört durch die irredentistische Pro- Der erste Schnupfen. Wer die Warnungszeichen der Natur, die das Herannahen der kalten Jahreszeit ankündigen, nicht beachtet, muß das häufig mit dem ersten Schnupfen büßen. Eine plötzliche Ab kühlung läßt die in unserem Körper stets vorhandenen bakteriellen Krankheitsstoffe bei Personen, deren Widerstands kraft aus irgendwelchen Gründen geschwächt ist, sich stark entwickeln. Daraus ergibt sich, daß wir den leidigen Schnupfen verhüten können. Erstens -dadurch, daß wir uns durch wärmere Kleidung der veränderten Außentemperatur recht zeitig anpassen; zweitens, indem wir eine plötzliche Abkühlung einzelner Körperstellen zu vermeiden suchen; und drittens, indem wir nicht erst jetzt, sondern zu allen Zeiten des Jahres in geeigneter Weise für körperliche Abhärtung sorgen. Gewiß, ein Schnupfen ist keine schwere Krankheit. Aber man kann ihm meistens nicht ansehen, was sich alles aus ihm entwickelt. Stirnhöhlenkatarrh und -eiterung, Kehlkopf-, Luftröhren- und Lungenentzündung können, nm nur einige Erkrankungen zu nennen, die Folgen sein. Darum mag sich feder vor dem Schimpfen in acht nehmen, und wer einen Schnupfen hat, der bleibe sich stets der Pflicht der Rücksichtnahme auf seine Mitmenschen bewußt. Man niese und huste anderen nicht ins Gesicht, sondern wende sich ab und halte sich ein Taschentuch vor den Mund. * Die Rückkehr zur Normalzeit hat zur Folge, daß in der Nacht zum 4. Oktober die Stunde von 2 bis 3 Uhr doppelt erscheint. Wo es notwendig ist, z. B. bei Geburten usw., wird, wie im vorigen Jahr zwischen den Stunden 2a und 2b unterschieden. Für die Reichsbahn bereitet die Umstellung keine Schwierigkeiten, da im Gegensatz zur Einführung der Sommerzeit die Gefahr verlorener Anschlüsse nicht besteht. Die Verlängerung der Nacht um eine Stunde hat zur Folge, daß die abends nach der Sommerzeit abgehenden Nachtzüge morgens nach der Normalzeit eine Stunde zu früh am Ziel eintreffen, so daß für alle Anschlüsse eine zusätzliche Wartezeit von einer Stunde zur Verfügung steht. Für die Betriebe hatte der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz schon im vorigen Jahr eine Regelung getroffen, wonach für die Stunde, um die sich der Nachtdienst verlängert, bei Stunden entlohnung die entsprechende Grundvergütung mit Zuschlag zu zahlen ist, wenn nichts anderes vereinbart wurde. An dererseits tritt bei Wiedereinführung der Sommerzeit infolge der Arbeitszeitverkürzung eine entsprechende Lohnminderung ein. , * Schwarzenberg, 30. Sept. Wegen Unterschlagung von zwei Ringen erhielt Frau H- F. 100 NM. Geldstrafe, ersatz weise 20 Tage Gefängnis. Lanter, 30. Okt. Turner und Sänger sammelten am vergangenen Sonntag für das Kriegs-WHW. einen unge wöhnlich hohen Betrag. .paganda, die Trient und Tviest, das „unerlösde" Italien, von Oesterreich forderte. Um Italien tm Weltkrieg beim Dreibund zu hatten, war der greise Franz Joseph schließlich bereit, den Italienern »in Stück Weges entgegenzukommen, aber die Verräter des Bünd- nisses siegten. Beim Kriegsende stand Italien hart am Rande einer bolschewistischen Revolution. Mussolini riß es durch die Gründung des Fasoio davon zurück. Er begriff, daß Italien seine Rechnung mit der Geschichte noch begleichen müsse, er schuf einen nationalen Lrziehungsappavat, er schuf die Boni- fica Integrale, die Melioration des italienischen Bodens, er siegte in der Kornschlacht, er gab Italien ein Kolonialreich, er wollte Mazzinis Wort „Ideal, du große Realität!" an Italien verwirklichen; er schloß den Bund mit dem nationalsvzialisti- schen Deutschland — und er bekam seinen Lohn mit dem verräterischen Staatsstreich Victor Emanuels III. und Badog lios und mit dein Versprechen an die Engländer und Ameri- kaner, ihn diesen für ein Schaugericht auszuliefern! Davon, ob es ihm gelingen wird, mit deutscher Hilfe sein Volk noch vom Abgrund zurückzureißen, wird der Schluß dieses von uns erlebten Kapitels über den nationalen Weg Italiens abhängen. Dr. Paul Rohrbach. Breitenbrunn, 30. Sept. Der im Osten stehende, z. Z. auf Urlaub weilende Ortsgruppenleiter Dedores gab den Mitgliedern der Ortsgruppe der NSDAP, einen eindrucks vollen Bericht über die Vorgänge in Sowjetrußland. — In einer öffentlichen Versammlung sprach in der Turnhalle Reichsrcdner Cromme über Bombenterror und luftschutz mäßiges Verhalten. Hundshübel, 30. Sept. Ein Urteil, das alle Derdunk- lungssünder beachten sollten, wurde dieser Tage vom Amts gericht Zwickau gefällt. Der Einwohner E. P. von hier hatte an drei Abenden im August in seinex Wohnung Licht ge brannt, ohne die Fenster zu verdunkeln. Wegen dieser wie derholten Verstöße nahm der Amtsrichter einen schweren Fall an pud erkannte auf drei Monate Gefängnis. Die Unter suchungshaft rechnete er nicht an. Das Urteil wird sofort vollstreckt. Oberstützeugrün, 30. Okt. In einer Abschnittstagung der Arbeitsfront sprach hier Kreisobmann Meier über brennende Tagcsfragen. 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Ober- und Unterstützengrün, Schönheide, Schönheiderhammer, Neuheide und Hundshübel waren im Festsaal des Gemein schaftswerks der DAF. angctreten und empfingen Richtlinien aus dem Munde des Kreisobmanns und seiner Mitarbeiter für die kommenden Wochen. -Die Tagüng wurde umrahmt von Vorträgen der Werkskapelle. * ** Chemnitz. Eine stadtauswärtsfahrende 40 Jahre alte Radfahrerin und ein landwärts fahrender Radfahrer stießen zusammen. Die Radfahrerin stürzte auf die Straße, erlitt eine Gehirnerschütterung und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. ** Rochlitz. Der Maurer Oskar Lange feierte seinen 80. Geburtstag. Trotz seines hohen Alters übt er seinen Beruf noch täglich voll aus. — Die Goehtemedaille verlieh der Führer dem Ordentl. Professor cm. Geh. Regierungsrat Dr. ing. e. h. Gustav Mie in Freiburg i. Br. zur Vollendung des 75. Lebensjahres in Würdigung seiner Verdienste um die Erforschung der Elektri zität. Die gleiche Auszeichnung erhielt der Chefarzt und Leiter des deutschen Kriegerkurhauses Davos, Professor Dr. med. et phil» Georg Burkhardt, zum 25jährigen Bestehen des Kurhauses in Würdigung seiner ärztlichen und wissenschaft lichen Arbeit auf dem Gebiete der Tuberkulosebekämpfung. — Der Domschatz der Kathedrale von Catania auft Sizi lien ist, wie von amtlicher italienischer Seite mitgcteilt wird, nach den USA. verschleppt worden. — Die indische Stadt Benares ist von schwerem Hoch wasser bedroht. Der Fluß Buruna, der bei Benares in den Ganges fließt, hat weite Gebiete oberhalb der Mündung über schwemmt und großen Schaden angerichtct. Die Ernte wurde vernichtet, zahlreiche Häuser sind fortgeschwemmt worden. schreien sie nicht irgendeine Not, ein menschliches Verhäng nis in die Welt?" „Ja, sie schreien", sagte der Stabsarzt, „alles schreit hier, alles tritt hier aus seinen Grenzen, alles ist hier maßlos und hemmungslos!" Der ernste Mann, der schon so viele Men schen hatte sterben sehen und von dem wir wußten, daß er kein Handlanger des Todes, sondern ein siegreicher Hand- langA des Lebens war, er litt irgendwie in dieser Werkstatt. Wir sahen einander an, der Flieger und ich, und schritten zum Ausgang. „Kommen Sie, Doktor", sagte der junge Major, „was brauchen wir die Schaustücke einer umstrittenen Malerei, um uns über ja und nein klarzuwerden. Als ich vorvorige Nacht drei Tommys abschoß, wußte ich genau, was falsch und was richtig war." Er sah mit Inbrunst zu den silbernen Vögeln empor, die über der schimmernden Stadt ihre Kurven zogen. Seinen vollen Glanz legte der Sommerhimmel auf sein ge bräuntes Gesicht, indes hoch über ihm die Propeller dröhnten. „Es lebe alles, was Lärm macht, wenn es um einer künftigen Stille willen geschieht!" Ich fühlte ein Glück in mir wie lange nicht, als ich ihn so stehen sah. Ja, mußte ich denken, auch alles, was aus seinen Grenzen tritt, ist gut, wenn es im Dienste höherer, besserer Grenzen steht, ja vielleicht gar im Dienst des Gren zenlosen! Ich sprach es aus. Der Stabsarzt sah von einem zum andern mit funkeln den Brillengläsern. „Aber das Maßlose, das Hemmungslose, brachte das nicht von je das Unglück über die Welt?" „Was heißt Unglück, lieber Freund", lachte der Flieger, — und ich begriff, daß unter uns dreien ihm die letzte Ant wort anvertraut sein mußte, weil in unserer Gemeinschaft er derjenige war, der in jeder Kriegsminute dem Tod ebenso aufs Wort zu folgen hatte, wie er ihm zu befehlen auserlesen war. „Was heißt Unglück! Das ist genau so ein Ganzes mit dem Glück, wie der Tod ein Teil des Lebens ist, Irgendwie hält sich das gegenseitig im Gleichgewicht, — und Gleich gewicht, ist das nicht Vollkommenheit, ist das nicht Maß? Hauptsache scheint mir, daß einer trotz Tod und Kreueln an das Leben glaubt. Dieser Glaube ist, wie ich es fühle, immer und ewig mich der Fortschritt der Menschheit und damit der Sieg." ' Wir gaben ihm froh recht und schieden vor dem Hause, in dem der Maler des Schreckens, des Lärms und der schrill- sten Dissonnanzen gewirkt hatte, mit einem vollen Einklang in der deutschen Brust. mit allen Zeichen eines panischen Schrecks in sein Gesicht ge schrieben, war so groß, daß sie ihn fast aus dem Gemälde hinauswarf; in seiner Entgeisterung suchte er Halt am näch sten Gegenstand. Er fand diesen Halt am gemalten Rahmen des Bildes, den er krampfhaft umklammerte. Der Flieger wies auf die Stelle: „Habt ihr so was schon gesehen? Eine Figur, die aus dem Bild heraus den Rahmen umkrallt? Dieser Antoine Wiertz muß ein toller Kerl ge wesen sein!" „Ja, toll", sagte der Stabsarzt, „ein pathologischer Fall! Stellt hier nicht fast jedes Werk ein Stück Krankhcitsgeschichte -ar? Von den eigentlichen Schreckensbildcrn da draußen in der Folterkammer mal ganz abgesehen." Er hob die Achsel in der Richtung eines kleine-rn Raumes, dessen Offenbarun gen wir hinter uns hatten. Da hing die „Lebendig Begra bene", die, vom Scheintod erwacht, verzerrten Antlitzes den Deckel ihres Sarges hochstemmte. Da hing jenes unselige Bild eines irren Weibes, das beschäftigt war, ein getötetes Kind in. ein-m Kessel über dem Feuer zur Sättigung zuzu bereiten. „Hunger, Wahnsinn, Verbrechen" hatte der Schöpfer darun^tergeschrieben. „Seht euch um", sagte der Arzt. „Hier ,Der Selbstmord', ,Eine Szene in der Hölle', ,Die Visionen eines Enthaupteten', alles Fehl- und Mißgeburten eines angeschlagenen Hirns!" Der Flieger hob sein Kinn in einer Gebärde des Ueber- muts: ,Zch weiß nicht, wie die Griechen und die Trojaner da oben sich nm die Leiche des Patroklus balgen, das impo niert mir. Das sind Kerle, die gehen ran! Und die nackten Frauen ringsum, — Männer! Männer!" In der Tat: Das schöne Mädchen, das viel bewunderte, mit dem unnachahmlichen Schmelz nackten Fleisches im Farb ton, bot keinem anderen als ihm die Rosenknospe, die sie über die zum Greifen naturgetreue Planke hielt. Die beiden Ent blößten, um die eben noch das große Weibsgeheimnis witterte, bogen sich aus dem Fenster, uin für ihn schön zu sein. „La beüe Rosine", die ledig allen Gewands vor dem Gerippe einer jungen Menschenschwester stand, schien sie nicht um seinet willen über Tod und Leben nachzusinnen? Er salutierte lachend. „Und man darf wohl auch nicht übersehen", sagte ich, „daß dieser schrankenlose Maler etwas hatte, was unter seinesgleichen selten ist, nämlich den Blick für soziale Not und.den^Mut zur öffentlichen Anklage. Dort die „Waisenkinder", die Mutter "Wit dem Kind dort, auf die geschossen wird, ja sogar draußen die lebendig Begrabene, Vom Glaube» an das Leben. Von Kurt Arnold' Findeisen. NSK. Auf eine Verabredung hin hatten wir uns ge troffen, der junge Fliegermajor, Führer einer berühmten Jagdstaffel, der Oberstabsarzt aus den Lazaretten der Stadt, und ich, der Schriftsteller, der nach Belgien beordert worden war, um vor den Soldaten aus seinen Büchern zu lesen. Zu Brüssel hatten wir uns getroffen, im Museum des Antoine Wiertz, jenes belgischen Malers, der die Ausgeburten seiner erhitzten Phantasie in kolossalen Gemälden auf die Leinwand brachte, sofern er nicht in kleineren, mit subtilster Malkunst verfertigten Schildereien einer abgefeimten Sinnengier dem nackten Frauenkörper huldigte oder das Verbrechen, den Irr sinn, das Todesgrauen mit dem Pinselschwung einer derart rückhaltlosen Kraßheit beschrieb, daß noch heute, nach hundert Jahren, mancher Beschauer sich eines kalten Gruselns nicht zu erwehren vermag. Der riesige haushohe Naum, die ehe malige Werkstatt des Künstlers, durch deren Glasdach die Lichter und Schatten eines wolkenübersegelten Augusthimmels spielten, verstärkte noch den Eindruck des Ungewöhnlichen, Unheimlichen. Der Flieger schritt stumm, den Spähblick seiner scharfen Augen auf eine kühne Weise gestrafft, von Wandbild zu Wandbild, von Staffelei zu Staffelei, während der Stabsarzt mit einer Gebärde der Ratlosigkeit auf einer verschossenen Plüschbank neben mir Platz nahm. Ich war dabei, mir einige Bildertitel aufzuschreibcn, die sowohl in französischer wie in flämischer Sprache auf Schildchen standen, falls nicht der Maler selbst sie auf den gemalten Rahmen, mit denen er viele seiner Werke — merkwürdig genug — von vornherein ver sehen, mit dem Pinsel angebracht hatte. Plötzlich rief uns der Flieger an seine Seite. Er stand vor einer etwa sechs Meter in die Höhe schießenden grob körnigen Leinwand, auf der ein unsägliches Durcheinander mattfarbiger Gestalten war: ein Riese, irgendein mytholo gischen Zwangsvorstellungen entnommener Bortmensch — vielleicht sollte er keinen Geringeren verkörpern als den Zy klopen Polyphem —, bückte sich zu einem Gewimmel entsetzter Menschen nieder, von denen einige Beherzte sich mit den Waffen seiner erwehrten, während iüe Mehrzahl der übrigen gleich einer gescheuchten Herde auseinanderstob. Einer von ihnen, ein haariger Alter, jagte nach vorn, und die Aitgst,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)