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— S28 — beliebte Bestimmung für der Verfassung entgegen hal ten, so können wir uns diese Erscheinung eben nur erklären, weil man es mit dem Prinzipe der Eigcn- thumsfreiheit nicht allzu genau genommen hat. Man har wahrscheinlich nicht daran gedacht, daß man hier mit der Verfassung cvllidire, vielmehr eine ausnahms weise Beschränkung zugelaffen, weil man es für nütz lich und wohlgemeint hielt, und, wie gesagt, wir be streiten nicht, daß es dies in einzelnen Fällen sein kann. Uns aber wird gleichfalls niemand bestreiten können, daß diese Schönecker Beschränkung in ande ren Fällen auch nachteilig sein und noch mehr, daß sie häufig umgangen werden kann. Und immerhin ist es doch bester, es bleibe das einfache Recht, die ein fache Freiheit! Achnlich ist es mit Abtretung des Eigenthums zu Staatszwecken. Wir sagen nichts über das Verfah ren bei Anlegung neuer Chausseen und Eisenbahnen (obschon die Beschwerde Hänels von Kronenthal in letzter Beziehung Manches zu denken gab)-, wir sprechen nur von einem zweiten, sehr bekannten Bei spiele der Eigenthumsverfügung durch die Staatsge walt; über das Verfahren beim Wiederaufbau abge brannter Städte: eine Sache von der höchsten prak tischen Bedeutung, für das Voigtland gegenwärtig von besonderem Interesse, von der Verfassung aber, wie es uns scheint, am Wenigsten überwacht und durchdrungen. Das Verfahren ist hier gewöhnlich Folgendes. Sofort nach einem größeren Brandungluck erscheint ein Mitglied der h.- Brandversicherungscommisfion aus Dresden im Auftrage des Ministerii des Innern an Ort und Stelle. Nun bildet sich eine besondere Bau- commissivn, welche aus den städtischen Behörden, ei nem Bauvcrständigen, gewöhnlich dem Amtshaupt mann und' dem königl. C'ommiffar zusammengesetzt ist. Wer und wie viele Mitglieder diese städtische Bau commission zählen muß, wie sie gewählt werden, wel ches die Grauzcn ihrer Befugnisse sind, darüber cri- stirt keine bekannte gesetzliche Bestimmung. Diese ganze wichtige Behörde hat keinen andern gesetzlichen Grund, als den unten anzuziehenden tz. 73. des Ge setzes vom 14. November lk35. Nun sind die mei sten vozn'Feuer noch verschont stehenden Städte im Mittelalter, zu den Zeilen des Faustrechtes, folglich nach ganz andern Grundsätzen gebaut, als heute gel ten und angenommen werden. Daher kommt es, daß «an den alten Bauplan nur selten beibehalten mag, sondern die abgebrannte' Stadt in der Regel freier und moderner wieder ausoauen will. Die Baueöm- ! Mission entwirft also einen neuen Bauplan und eine für jeden Bauenden verbindliche Bauordnung. Bei des muß zur Genehmigung des Ministerii des Innern gebracht werden. Das Erste, worauf man beim Ent würfe des Planes gesetzlich zu sehen hat, ist die Ver meidung neuer Feucrsgefahr, d. h. man sorgt, Laß die Häuser selbst feuerfest gebaut und so gestellt werden, daß für die Spritzen und Löschanstalten überall Naum bleibt. Das Andere, worauf man sicht, ist die archi- tectonische Schönheit der neuen Anlage im Ganzen und der einzelnen Hauser im Besonder«. In der Natur der Sache liegt cs, daß dabei das alte Eigcn- chumsrccht nur ganz oberflächlich beachtet wird. Man nimmt einen freien, räsirtcn Platz an, über welchen man zu verfügen, dett man zu vcrtheilen hat. Der Eine wird dahin, der Andere dorthin, der Dritte ganz wcggewiesen, wie sich das eben so fügt. Man ent schädigt allerdings, aber immer etwas sparsam. Auf verlorene Vorthcile früherer Lage (für viele Gewerbe in den Städten die Hauptsache), auf noch stehende Räumlichkeiten, Keller, Gärten, auf altes, liebes Bc- sitzthum wird natürlich keine Rücksicht genommen. Nur die Regeln der Kunst gelten, nur das Ganze wird in's Auge gefaßt, das Einzelne tritt in den Hin tergrund. Da wird cin freier Platz beliebt, dort ei ner eafsirr; da muß sich der Naum durch eine schone Fernsicht, hier durch ein imposantes Gebäude schließen; dort ahmt man die Quais von Paris/ hier Len Schießplatz von Berlin; dort die Mariahilfkirche von München, hier endlich die NewskiperspecNve von Pe tersburg nach; kurz, man gcräth ganz in jenen Geist unserer neueren Zeit, welcher nichts prachtvoll, groß artig, blendend und reich genug bekommen kann. Wir, unseres individuellen Theiles, gestehen offen, daß uns dies, von der einen Seite betrachtet, gar nicht miSfallc; denn es ist wahr: baut man einmal, so muß man auch gut, so gut bauen, als man kann. Es ist die fortschreitende Zukunft, für welche man baut und kein geringes Zeichen der Kraft einer Na tion, wenn sie ansangt, sich etwas zuzutrauen, Gro ßes zu unternehmen, Lasten auf sich zu laden, deren Lohn erst der Nachwelt zukommt. Aber leider dürfte es in krrrxi anders und ker- nesweges so sehr die eigene, freiwillige, selbstbewußte Kraft des Volkes, als vielmehr fremder, aufgedrun- gencr, am Ende nicht einmal ganz verfassungsmäßiger Einfluß sein, welche hier ihre Rolle» spielen. Die bürgerliche Baukunst lag bekanntlich bis rn die neuere Zeit, namentlich bei unS in Sachsen, r« Argen. Das Kunstleder:« welches sich vor 20 Lahrxo