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Adorter Wochenblatt. M i t t h e i l n n g e n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Neunter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: l Thaler, bei Beziehung des Blattes durch Botcngelegenhelt: 2U Ncugroschcn. «/V- 3t. Erscheint zede Mittwoche. 31. Juli 1844 Kleinigkeiten aus dem Renssischen. Vor Kurzem aus der Ferne in die hcimathlichcn Fluren des Staates Reuss-Ebersdorf zurükgekehrt, fühle ich mich doch glüklich, ein reussischer Staats bürger zu sein. Zu Tcutschland gehören wir auch und zählen mit zu den 39 Staaten, aus welchen es zusammcngcsezt ist. Dass wir nicht gerade eine der ersten Machte sind — was lhut das? Gäbe es einen Unterschied, wenn wir alle gros waren? Ein kleiner Staat kann eben so glüklich und am Ende noch glüklichcr sein, als ein groser, weil man da Al les so leicht und schnell zu überschauen vermag, weil Alles schnell im Lande bekannt wird, ohne "dass gera de Oeffcntlichkeit als Prinzip aufgestellt ist und weil die Verwaltung schnell und kräftig sein kann, ohne dass, wie in einem grosen Staate, die sogenannte Zentralisazion ihren Siz dort zu haben braucht. Ein Fürst lebt da eigentlich wie ein Gemcindevorstand im Kreise seiner Gemeinde. Was Vr täglich thut oder nicht thut, das ganze Land erhält Kunde davon und freut sich darüber; umgekehrt wird Alles, was jeder der getreuen Unlenhanen gethan hat, wieder sogleich dem Landesoberpaupte bekannt — oder, wie mein se liger Nater dieses patriarchalische Verhältnis anzu- dcutcn pflegte: wenn der Furst aus dem Fenster sei ner Burg schaut und nies't, so kann das ganze Land sein „Gott Helf'!" emporjauchzen. Um von diesen allgemeinen Betrachtungen wieder auf unseren eigenen Staat ^zurükzukommcn, so zeigt es sich bei diesem ganz deutlich, dass Grösc nicht eben zum Glükc unbedingt erforderlich ist. Denn um von uns, den Unterthemen, zu schweigen, so zählt unser Landesherr unter den Herrschern so gut mit, wie wenn er an der Aufrechterhaltung des europäischen Gleich gewichts zu arbeiten hätte, und geniesst Ehre und Anerkennung bei allen seinen hohen Kollegen. Wie früher in England, so ist ihm auch jezt wieder bei dem Hofe zu Stuttgart der ausgezeichnetste Empfang zu Theil und — wenn ich in dem offiziellen Artikel des Amts- und Nachrichtsblattes für das Fürstcnthum Lvbenstein-Ebcrsdorf, wo diese Nachrichten zur Kunde des darüber erfreuten Landes gebracht waren, recht gelesen habe — so ist er daselbst sogar zur Tafel ge zogen worden. (Serenissimus befinden sich nämlich seit einiger Zeit im Bade zu Kannstadt, um zum Wohle des Landes an den dortigen Heilquellen mit neuer Kraft sich auszurüsten). Also — klein kann ein Land immerhin sein, des wegen braucht an seinem Glükc nichts zu fehlen. Ich kann daher auch nicht begreifen, warm* man da von, dass unser Land klein ist, nicht sprechen soll, wie hier angenommener Verwaltungsgrundsaz zu sein scheint. Denn als vor einiger Zeit ein hierländischer Advokat in einer seiner Schriften ganz beiläufig auf die engen Gränzcn des Landes Beziehung genommen hatte, wurde ihm deswegen von Seiten der Staats regierung ein Verweis applizirt mit der Bedeutung, dergleichen Bezugnahmen auf die Kleinheit des Lan des künftig zu unterlassen. Nun — mir wird das gewiss nicht passiren, da ich gezeigtermaasen ja gera de mich glüklich fühle, dass wir in engeren Grän zcn leben, also unsere Angelegenheiten leicht über schauen können; und — wer wird dem Glücklichen sein Loos misgönncn! 8uut bona mixta nwlis, sagt der Lateiner, d. h. das Leben bietet Gutes und Schlimmes unter einan der. Warum sollte cs gerade bei uns anders sein? Sic wissen wahrscheinlich bereits — denn dieser Ge genstand ist ja in Ihrem Blatte verhandelt morden — dass für einen Wilddieb, den ein Jäger erlegt, hier zu Lande 50 Thaler Schussgeld aus der fürstli chen Kasse bezahlt werden. Diese Verfügung hat denn zur Folge gehabt, dass am Schlüsse der vorigen Woche wieder ein Menschenleben geopfert, indem der