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Adorker Wochenblatt. M i t t h e i l n n o e n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. N e u n t e r I a h r g a n g. Prciö für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Beziehung des Blattes durch Botengelegenhektd 20 Reugroschen. 22. Erscheint gebe Mittwoche. 29. Mai 1844. Kon st ituzionellc Betrach tungen. (Fortsczung und Beschluss.) Hier gicbt es nun für eine Regierung oder auch für einen einzelnen Minister nur zwei Wege, entwe- der sie oder er müssen sich der erklärten Meinung des Lölkes anbequemen oder, Falls dieser Anschluss gegen eine tieswurzelnde Ueberzcugung, gegen das ganze Sistcm der Regierung märe — zurüktreten. Was gegen mein Gewissen und meine Ueberzeugung ist, das mag ich nicht thun, wenn ich nicht dazu gezwum gen werde. Eine eigene persönliche Meinung, eine Ueberzcugung kann und soll auch ein Minister haben. Sowie sic abcr mit dcr Meinung, mit dem unzwei deutig erklärten Willen des Lölkes in Widerspruch tritt, darf er daran nicht festhalten wollen, denn er ist und soll sein ein Sohn der öffentlichen Meinung, er ist, wie gesagt, um des Volkes willen da, nicht umgekehrt das Volk um seinetwillen. Es gilt ja nicht, seine Meinung durchzufuhrcn, sondern des Vol kes Wohl zu befördern. Hat daher das Volk d. h. die Gcsammtheit der politisch Berechtigten (seine Be vollmächtigten und Abgesandten) eine Maasrcgcl als seinem Gedeihen und Leben nolhwcndig erklärt, so bleibt ihm nichts übrig, als diese Maasrcgcl in's Le ben zu rufen. Kann er dies aber vermöge seiner persönlichen Ueberzcugung nicht, glaubt er, die Maas- rcgel werde, wenn ausgefuhrt, das gerade Gcgenthcil von dem bewirken, wäH das Volk davon erwartet, will er darum an dcsi folgen gleichsam keine Schuld, und keinen Theil haben ; so kaum'er eben nicht mehr Minister sein. Zu sagLlr^WgM des Volkes Stim me gilt im vorliegenden Aä'Üe nichts, weil sic gegen meine Ueberzcugung streitet, ist mit dem wahren kon- stiluzionellen Sistcme unvereinbar. Und wollte man diesen Gang der Dinge als den natürlichen bezeich nen, so wurde das konstituzivnelle Leben in seinen Grundfesten erschüttert werden. Eine Konstituzion, die eben deswegen gegeben wird, damit das Volk Rechte erlangt, damit ihm gegenüber dcr Wille dcr Regie rung beschränkt wird, würde dann nur auf dem Pa piere stehen, denn der Wille der Regierung blieb im mer die Hauptsache, das allein Geltende; es könnte jedem Wunsche des Volkes durch die einfache Klau sel entgcgcngehandelt werden, er widerstreite der An sicht der Regierung, der Ueberzeugung des Ministers; es wäre dann nicht mehr eine Forderung des Rechts, was dem Volke zu Theil würde, sondern, wie in ab soluten Staaten, ein Zugeständnis des guten Willens: was dem innersten Wcscn der konstituzionellen Ver fassung cntgcgcnläuft und daher widernatürlich ist. Minister in konstituzionellen Staaten müssen immer von der öffentlichen Meinung getragen werden, wenn sie Gutes wirken wollen. Können sie dies nicht mehr, so müssen sie eben anderen Plaz machen, die dies können. Wir bemerkten, dass dcr Wille des Volkes durch seine Vertreter, durch die sogenannten Landesvcrsamm- lungcn, durch die Landtage und Kammern erklärt werde. Wie nun aber, wenn diese nur ihre eigene Meinung, nicht die des Volkes vertreten, wenn dar über, ob schon die Gcsammtheit des Volkes sich aus gesprochen hat, oder zur Zeit nur eine künstliche Ab stimmung vorhanden ist, Zweifel obwalten? Soll da die Regierung auch sogleich weichen, dcr Minister zurücktretcn? Nein! Für solche Fälle hat das kön- siituzioncUe Sistcm gleichfalls einen Ausweg. In allen Urkunden über die Verfassungen dcr Staaten ist den Regierungen das Recht zugestunden, die Kam mern, wenigstens die Wahl- oder Volkskammer, Nö- thigcn Falls aufzulösen. Hat es also eine Regie rung mit Partciclcmenten zu thun, vcrmuthct sic, dass ihr nur aus persönlichen Rüksichten cntgcgcngetrcten werde, dass abcr die Gcsammtheit des Volkes eine