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Adorker Wochenblatt. Mittheilnn oen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Neunter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Beziehung des Blattes durch Botengclegenheit: 20 Neugroschen. 23. Erscheint ^ede Mittwoche. 5. Juni 1844. Volksschristen. Die Zahl der Volksschriften mehrt sich von Jahr zu Jahr, und nicht nur an Zahl gewinnen sie, son dern auch an Gehalt und Gewalt. Das beste Mittel zur Freiheit ist Forderung der Bildung: für die Ju gend in den Schulen, für's Aller in Volksschristen. Denn Bildung ist die Bedingung des Fortschrittes ohne Zwischenfall des Rückschrittes. Wäre die Masse der Franzosen, d. h. Bauern und Kleinstädter, seiner Zeit so gebildet gewesen, wie wir, in Sachsen, es jetzt theils sind, lheils werden, theils werden können, jene unsinnigen Reaktionen dort wären unmöglich gc-- wesen. Daher der hohe Werth der Volkslitteratur für unsere Partei. Leider steht dem vollen Ausgrei fen auch dieser Löcomotivc unserer Zeit noch vieles und gerade herausgesagt das entgegen, daß das Volk die Volksschristen nicht lies't, sondern daß sic mehr von der Partei, als von der Masse verschlungen "wer-, den. Das hindert im Ganzen nichts. Der Blumen topf, in Wasser gesetzt, zieht nur allmahlig an; am Ende ist er doch über und über naß und treibt die" Blüthe saststrozend gen Himmel. Volk und Partei sind auch nur zwei Erdartcn in einem Topfe. Wenn cine feucht wird, bleibt die andere nicht trocken. Jetzt lesen, es kann sein, nur Einige die Volksschristen;^ aber, wer leugnet Vas, es sind der Loser doch schon mehr", wie früher, und werden, wer bezweifelt das, bald sehr Viele sein. Darum: gute, politische Volks- schriften her! aber politische; denn Politik, die rechtes ist das A und das O und wenn alle Diener Ach pnd alle Herren Oho schrieen. Das Schlimmste ist nur, daß es wenige, sehr wc-> nige gute Volksschristen gicbt. Es ist aber auch sünd-! lich schwer, ein gutes Volksbuch zu machen. Wir saLen absichtlich: Volksbuch, nicht Volksschrifc. Eine Vvlksschrift ist jede gemcinsaßlichc, zur Belehrung des Volks bestimmte Schrift überhaupt, wie z. B. das bekannte Noth- und Hülfsbüchlcin, und da haben wir jetzt recht gute und werden unten eine der besten nennen. Ein Volksbuch im engern Sinn aber ist allemal was Poetisches: wir sehn das wahre Leben wohl durch des Redels Flor, aus Schleier und Geweben schaut doch des Volkes Gestalt hervor. Es muß nur Wahres und Nationales d'rin fein. Gemachtes, Gekünsteltes ist nichts Volks - poetische». So ist Till Eulenspiegel oder der Rübezahl oder Peter Schlchmil ein Volksbuch; Ticks gestiefelter Kater aber ist z. B. kein Volksbuch oder war, wcnu's nun expreß eins sein soll, höchstens ein Buch für vorneh- nes Volk. Uebrigens ist es nicht deshalb schwer, ein gutes Volksbuch sein Buch, wie wir noch kcins ha ben) zu schreiben, weil es uns an Leuten fehlte, die des Stples nicht mächtig wären und den Leuten, den Dummen, wie den Geschcidten, ihre Meinung.nicht klar und deutlich und mit schönen Worten hätten ein- schmeichcln können; ei, am Schreib-Styl hat cs in Teutschland nie gefehlt, aber — am Thatenstyl fehlte cs, das Volk selbst fehlte, seine Bedeutung, seine Geltung, seine Macht.. Und wer schreibt für tobte Leute? —' ..... ' Gleich gab cs Volksbücher, sobald das Volk auf lebte und das war nach dem Freiheitskriege, wie er, trotz aller schlechten Witze, dir sich d'rüber machen lassen, mit Recht heißt. Das Volk war aber damals noch leichtsinnig oder gut oder jung, und las höch stens den Zaubcrring und Thiodolph. Seitdem sind wir aber gewachsen; wir wären Bengel gxrvvrden, sagen die mismutbigcn Aristokraten; wir fangen an, zu begreifen, daß es eine andere Sache glebt, als Ritterlichkeit und Liebe, und.flugs.sind auch Bücher da, welche mit dem Volke von des Volkes Sache re-